denschaften nicht beherrschen kann, so ttifft ihn eben
dieser Schwäche wegen, nach der Jdee der Vollkommenheit (man sehe allgem.
prakt. Philosophie im zweyten Capitel des ersten Buchs) ein gerechter Tadel ohne
Ausrede.
Anmerkung l. Diejenigen, welche eine trans- scendentale Freyheit des Willens annehmen, müssen, wenn sie
nicht gegen die Consequenz gröblich fehlen wollen, der- selben eine unendliche Größe der Kraft gegen die Lei- denschaften
beylegen. Denn das Wort transscendental bezeichnet in diesem Zusammenhange einen Gegensatz gegen alle Caufalität
der Natur; daher denn die Naturgewalt der Leidenschaften gegen eine solche
Freyheit gar Nichts ver- mögen würde. Es verhält sich
aber Nichts zu Etwas, wie Etwas zum Unendlich-Großen, so daß, wenn die Gewalt
der Leidenschaften für Etwas soll gerechnet werden, die transscendentale
Freyheit für unendlich stark muß genommen werden. Daß sie nun hiebey, vermöge
ihres eigenen Wir- kens, wieder in dasselbe Causal-Verhältniß hinein geräth,
von welchem sie frey seyn sollte, ist hier nicht nöthig weiter auszuführen.
Anmerkung 2. Eine kurze Erwähnung der Fra- gen über den
Gemüthszustand der Verbrecher, welche zuwei- len von Richtern an Aerzte ergehen,
kann das Vorherge- hende und das Folgende deutlicher machen. Die Frage be- absichtigt nicht Belehrung über das Wesen freyer Handlun- gen; sondern der
Richter setzt voraus, daß, wenn der Ver- brecher, im Alter der Pubertät, gesund
war, er die schäd- lichen Folgen seiner Handlung kannte; daß er eine solche Handlung, falls sie gegen ihn selbst begangen würde, nicht wollen würde; daß er
den allgemeinen Begriff dieses Nicht- Wollens in sich ausgebildet habe; und daß
er wisse, die bürgerliche Gesellschaft leide dergleichen nicht. Hiedurch mußte er von der Handlung abgehalten werden, wenn er
denschaften nicht beherrschen kann, so ttifft ihn eben
dieser Schwäche wegen, nach der Jdee der Vollkommenheit (man sehe allgem.
prakt. Philosophie im zweyten Capitel des ersten Buchs) ein gerechter Tadel ohne
Ausrede.
Anmerkung l. Diejenigen, welche eine trans- scendentale Freyheit des Willens annehmen, müssen, wenn sie
nicht gegen die Consequenz gröblich fehlen wollen, der- selben eine unendliche Größe der Kraft gegen die Lei- denschaften
beylegen. Denn das Wort transscendental bezeichnet in diesem Zusammenhange einen Gegensatz gegen alle Caufalität
der Natur; daher denn die Naturgewalt der Leidenschaften gegen eine solche
Freyheit gar Nichts ver- mögen würde. Es verhält sich
aber Nichts zu Etwas, wie Etwas zum Unendlich-Großen, so daß, wenn die Gewalt
der Leidenschaften für Etwas soll gerechnet werden, die transscendentale
Freyheit für unendlich stark muß genommen werden. Daß sie nun hiebey, vermöge
ihres eigenen Wir- kens, wieder in dasselbe Causal-Verhältniß hinein geräth,
von welchem sie frey seyn sollte, ist hier nicht nöthig weiter auszuführen.
Anmerkung 2. Eine kurze Erwähnung der Fra- gen über den
Gemüthszustand der Verbrecher, welche zuwei- len von Richtern an Aerzte ergehen,
kann das Vorherge- hende und das Folgende deutlicher machen. Die Frage be- absichtigt nicht Belehrung über das Wesen freyer Handlun- gen; sondern der
Richter setzt voraus, daß, wenn der Ver- brecher, im Alter der Pubertät, gesund
war, er die schäd- lichen Folgen seiner Handlung kannte; daß er eine solche Handlung, falls sie gegen ihn selbst begangen würde, nicht wollen würde; daß er
den allgemeinen Begriff dieses Nicht- Wollens in sich ausgebildet habe; und daß
er wisse, die bürgerliche Gesellschaft leide dergleichen nicht. Hiedurch mußte er von der Handlung abgehalten werden, wenn er
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denschaften nicht beherrschen kann, so ttifft ihn eben dieser
Schwäche wegen, nach der Jdee der Vollkommenheit (man
sehe allgem. prakt. Philosophie im zweyten Capitel des ersten
Buchs) ein gerechter Tadel ohne Ausrede.
Anmerkung l. Diejenigen, welche eine trans-
scendentale Freyheit des Willens annehmen, müssen, wenn
sie nicht gegen die Consequenz gröblich fehlen wollen, der-
selben eine unendliche Größe der Kraft gegen die Lei-
denschaften beylegen. Denn das Wort transscendental
bezeichnet in diesem Zusammenhange einen Gegensatz gegen
alle Caufalität der Natur; daher denn die Naturgewalt der
Leidenschaften gegen eine solche Freyheit gar Nichts ver-
mögen würde. Es verhält sich aber Nichts zu Etwas, wie
Etwas zum Unendlich-Großen, so daß, wenn die Gewalt
der Leidenschaften für Etwas soll gerechnet werden, die
transscendentale Freyheit für unendlich stark muß genommen
werden. Daß sie nun hiebey, vermöge ihres eigenen Wir-
kens, wieder in dasselbe Causal-Verhältniß hinein geräth,
von welchem sie frey seyn sollte, ist hier nicht nöthig weiter
auszuführen.
Anmerkung 2. Eine kurze Erwähnung der Fra-
gen über den Gemüthszustand der Verbrecher, welche zuwei-
len von Richtern an Aerzte ergehen, kann das Vorherge-
hende und das Folgende deutlicher machen. Die Frage be-
absichtigt nicht Belehrung über das Wesen freyer Handlun-
gen; sondern der Richter setzt voraus, daß, wenn der Ver-
brecher, im Alter der Pubertät, gesund war, er die schäd-
lichen Folgen seiner Handlung kannte; daß er eine solche
Handlung, falls sie gegen ihn selbst begangen würde, nicht
wollen würde; daß er den allgemeinen Begriff dieses Nicht-
Wollens in sich ausgebildet habe; und daß er wisse, die
bürgerliche Gesellschaft leide dergleichen nicht. Hiedurch
mußte er von der Handlung abgehalten werden, wenn er
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/195>, abgerufen am 18.06.2024.
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