Ahnenstolz, Räuberglück oder leeren Glanz preisen. Wider Willen mußte sie oft lang- weilig, oft Geistlos und unmoralisch wer- den, weil sie Geistlose Menschen in Zweck- losen oder unmoralischen Thaten zu schil- dern hatte, und auch bei großen und gu- ten Zwecken sie mit zu viel falschem Glanz vergulden mußte.
Andacht endlich. Bloß als Feierlich- keit behandelt, ermüdet sie und läßt die Seele bald leer; als eine Verbindung mit dem Unendlichen, als Anschauung des Un- ermeßlichen betrachtet, erhebt sie zwar die Seele, entzückt sie aber auch in einen Glanz, in welchem der Poesie zuletzt jede Form schwindet. Soll Andacht aber sogar Misse- that versöhnen, es sei mit leeren Gebräu- chen, oder mit Geschenken und Vermächt- nissen, ohne daß dem Unterdrückten Er- stattung geschehe; o da wird sie dem Men-
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Ahnenſtolz, Raͤubergluͤck oder leeren Glanz preiſen. Wider Willen mußte ſie oft lang- weilig, oft Geiſtlos und unmoraliſch wer- den, weil ſie Geiſtloſe Menſchen in Zweck- loſen oder unmoraliſchen Thaten zu ſchil- dern hatte, und auch bei großen und gu- ten Zwecken ſie mit zu viel falſchem Glanz vergulden mußte.
Andacht endlich. Bloß als Feierlich- keit behandelt, ermuͤdet ſie und laͤßt die Seele bald leer; als eine Verbindung mit dem Unendlichen, als Anſchauung des Un- ermeßlichen betrachtet, erhebt ſie zwar die Seele, entzuͤckt ſie aber auch in einen Glanz, in welchem der Poeſie zuletzt jede Form ſchwindet. Soll Andacht aber ſogar Miſſe- that verſoͤhnen, es ſei mit leeren Gebraͤu- chen, oder mit Geſchenken und Vermaͤcht- niſſen, ohne daß dem Unterdruͤckten Er- ſtattung geſchehe; o da wird ſie dem Men-
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Ahnenſtolz, Raͤubergluͤck oder leeren Glanz
preiſen. Wider Willen mußte ſie oft lang-
weilig, oft Geiſtlos und unmoraliſch wer-
den, weil ſie Geiſtloſe Menſchen in Zweck-
loſen oder unmoraliſchen Thaten zu ſchil-
dern hatte, und auch bei großen und gu-
ten Zwecken ſie mit zu viel falſchem Glanz
vergulden mußte.
Andacht endlich. Bloß als Feierlich-
keit behandelt, ermuͤdet ſie und laͤßt die
Seele bald leer; als eine Verbindung mit
dem Unendlichen, als Anſchauung des Un-
ermeßlichen betrachtet, erhebt ſie zwar die
Seele, entzuͤckt ſie aber auch in einen Glanz,
in welchem der Poeſie zuletzt jede Form
ſchwindet. Soll Andacht aber ſogar Miſſe-
that verſoͤhnen, es ſei mit leeren Gebraͤu-
chen, oder mit Geſchenken und Vermaͤcht-
niſſen, ohne daß dem Unterdruͤckten Er-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/164>, abgerufen am 18.06.2024.
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