Vor einiger Zeit ließ es sich hier an, als ob man mir glücklichere Aussichten machen wollte. Aber ich sehe wohl, daß man mir nur das Maul schmieren wollen. Denkt man gar nicht oder nicht so bald darauf, so können sie sehr versichert seyn, daß ich für nichts in der Welt mich hier halten lasse; und in Jahr und Tag längstens schreibe ich Dir aus einem an- dern Ort. -- Es ist ohnedies zwar recht gut, eine Zeitlang in einer großen Bibliothek zu stu- diren; aber sich darinn vergraben ist eine Rase- rei. Ich merke es so gut als andre, daß die Ar- beiten, die ich jetzt thue, mich stumpf machen. Aber daher will ich auch je eher je lieber mit ih- nen fertig seyn und meine Beiträge, ununterbro- chen, bis auf die letzte Armseeligkeit, die nach meinem ersten Plan hineinkommen soll, fortse- tzen und ausführen. Dieses nicht thun, würde heißen, die drei Jahre, die ich nun hier zuge- bracht, muthwillig verlieren wollen." *)
*) Th. 30. S. 238.
Vor einiger Zeit ließ es ſich hier an, als ob man mir gluͤcklichere Ausſichten machen wollte. Aber ich ſehe wohl, daß man mir nur das Maul ſchmieren wollen. Denkt man gar nicht oder nicht ſo bald darauf, ſo koͤnnen ſie ſehr verſichert ſeyn, daß ich fuͤr nichts in der Welt mich hier halten laſſe; und in Jahr und Tag laͤngſtens ſchreibe ich Dir aus einem an- dern Ort. — Es iſt ohnedies zwar recht gut, eine Zeitlang in einer großen Bibliothek zu ſtu- diren; aber ſich darinn vergraben iſt eine Raſe- rei. Ich merke es ſo gut als andre, daß die Ar- beiten, die ich jetzt thue, mich ſtumpf machen. Aber daher will ich auch je eher je lieber mit ih- nen fertig ſeyn und meine Beitraͤge, ununterbro- chen, bis auf die letzte Armſeeligkeit, die nach meinem erſten Plan hineinkommen ſoll, fortſe- tzen und ausfuͤhren. Dieſes nicht thun, wuͤrde heißen, die drei Jahre, die ich nun hier zuge- bracht, muthwillig verlieren wollen.“ *)
*) Th. 30. S. 238.
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das Maul ſchmieren wollen. Denkt man gar
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ſehr verſichert ſeyn, daß ich fuͤr nichts in der
Welt mich hier halten laſſe; und in Jahr und
Tag laͤngſtens ſchreibe ich Dir aus einem an-
dern Ort. — Es iſt ohnedies zwar recht gut,
eine Zeitlang in einer großen Bibliothek zu ſtu-
diren; aber ſich darinn vergraben iſt eine Raſe-
rei. Ich merke es ſo gut als andre, daß die Ar-
beiten, die ich jetzt thue, mich ſtumpf machen.
Aber daher will ich auch je eher je lieber mit ih-
nen fertig ſeyn und meine Beitraͤge, ununterbro-
chen, bis auf die letzte Armſeeligkeit, die nach
meinem erſten Plan hineinkommen ſoll, fortſe-
tzen und ausfuͤhren. Dieſes nicht thun, wuͤrde
heißen, die drei Jahre, die ich nun hier zuge-
bracht, muthwillig verlieren wollen.“ *)
*) Th. 30. S. 238.
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/137>, abgerufen am 17.06.2024.
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