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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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Einleitung.

Seitdem der Nationalstolz einer gewissen,
Schule in Deutschland sich etwas ge-
beuget hat: "unser Deutschland dörfe kei-
"nem Volk, es sey alt oder neu, wenn es nur
"Undeutsch ist, an Werken der Einbildungs-
"kraft etwas nachgeben" -- seitdem die Nach-
ahmungssucht einer andern Sekte auch etwas
kalt geworden: man müsse, was nur Orien-
talisch, Griechisch und Brittisch hieße, durch
rauhe Kopien auf Halbdeutschen Boden ver-
pflanzen; seitdem Kunstrichter, durch bei-
de Abwege gewarnt, die Mittelstraße wähl-
ten, und auf den Trümmern Gottschedischer
Originalwerke und Schweizerischer Nachah-
mungen, die Deutsche Litteratur übersahen:
seit der Zeit ist keine Klage lauter, und häu-
figer, * als über den Mangel von Origina-
len,
von Genies, von Erfindern -- Be-
schwerden über die Nachahmungs- und gedan-
kenlose Schreibsucht der Deutschen.

Die Litteraturbriefe unterschieden sich
gleich vom Anfange durch den eifernden Ton

hier-
* Litt. Br. Th. 1-24.

Einleitung.

Seitdem der Nationalſtolz einer gewiſſen,
Schule in Deutſchland ſich etwas ge-
beuget hat: „unſer Deutſchland doͤrfe kei-
„nem Volk, es ſey alt oder neu, wenn es nur
„Undeutſch iſt, an Werken der Einbildungs-
„kraft etwas nachgeben„ — ſeitdem die Nach-
ahmungsſucht einer andern Sekte auch etwas
kalt geworden: man muͤſſe, was nur Orien-
taliſch, Griechiſch und Brittiſch hieße, durch
rauhe Kopien auf Halbdeutſchen Boden ver-
pflanzen; ſeitdem Kunſtrichter, durch bei-
de Abwege gewarnt, die Mittelſtraße waͤhl-
ten, und auf den Truͤmmern Gottſchediſcher
Originalwerke und Schweizeriſcher Nachah-
mungen, die Deutſche Litteratur uͤberſahen:
ſeit der Zeit iſt keine Klage lauter, und haͤu-
figer, * als uͤber den Mangel von Origina-
len,
von Genies, von Erfindern — Be-
ſchwerden uͤber die Nachahmungs- und gedan-
kenloſe Schreibſucht der Deutſchen.

Die Litteraturbriefe unterſchieden ſich
gleich vom Anfange durch den eifernden Ton

hier-
* Litt. Br. Th. 1-24.
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[200/0032] Einleitung. Seitdem der Nationalſtolz einer gewiſſen, Schule in Deutſchland ſich etwas ge- beuget hat: „unſer Deutſchland doͤrfe kei- „nem Volk, es ſey alt oder neu, wenn es nur „Undeutſch iſt, an Werken der Einbildungs- „kraft etwas nachgeben„ — ſeitdem die Nach- ahmungsſucht einer andern Sekte auch etwas kalt geworden: man muͤſſe, was nur Orien- taliſch, Griechiſch und Brittiſch hieße, durch rauhe Kopien auf Halbdeutſchen Boden ver- pflanzen; ſeitdem Kunſtrichter, durch bei- de Abwege gewarnt, die Mittelſtraße waͤhl- ten, und auf den Truͤmmern Gottſchediſcher Originalwerke und Schweizeriſcher Nachah- mungen, die Deutſche Litteratur uͤberſahen: ſeit der Zeit iſt keine Klage lauter, und haͤu- figer, * als uͤber den Mangel von Origina- len, von Genies, von Erfindern — Be- ſchwerden uͤber die Nachahmungs- und gedan- kenloſe Schreibſucht der Deutſchen. Die Litteraturbriefe unterſchieden ſich gleich vom Anfange durch den eifernden Ton hier- * Litt. Br. Th. 1-24.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/32>, abgerufen am 30.04.2024.