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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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der Bursch und schob einige Körbe mit Orangen zu¬
recht, daß Platz wurde. Er sollte sie in Capri ver¬
kaufen, denn die Felseninsel trägt nicht genug für
den Bedarf der vielen Besucher.

Ich will nicht umsonst mit, erwiederte das Mäd¬
chen und die schwarzen Augenbrauen zuckten.

Komm nur, Kind, sagte der Pfarrer. Er ist
ein braver Junge und will nicht reich werden von
deinem bischen Armuth. Da, steig ein -- und er
reichte ihr die Hand -- und setz dich hier neben
mich. Sieh, da hat er dir seine Jacke hingelegt, daß
du weicher sitzen sollst. Mir hat er's nicht so gut
gemacht. Aber junges Volk, das treibt's immer so.
Für Ein kleines Frauenzimmer wird mehr gesorgt,
als für zehn geistliche Herren. Nun nun, brauchst dich
nicht zu entschuldigen, Tonino. 's ist unsers Herr¬
gotts Einrichtung, daß sich Gleich zu Gleich hält.

Laurella war inzwischen eingestiegen und hatte sich
gesetzt, nachdem sie die Jacke, ohne ein Wort zu sagen,
beiseit geschoben hatte. Der junge Schiffer ließ sie
liegen und murmelte was zwischen den Zähnen. Dann
stieß er kräftig gegen den Uferdamm und der kleine
Kahn flog in den Golf hinaus.

Was hast du da im Bündel? fragte der Pfar¬
rer, während sie nun übers Meer hintrieben, das
sich eben von den ersten Sonnenstrahlen lichtete.

Seide, Garn und ein Brod, Padre. Ich soll

der Burſch und ſchob einige Körbe mit Orangen zu¬
recht, daß Platz wurde. Er ſollte ſie in Capri ver¬
kaufen, denn die Felſeninſel trägt nicht genug für
den Bedarf der vielen Beſucher.

Ich will nicht umſonſt mit, erwiederte das Mäd¬
chen und die ſchwarzen Augenbrauen zuckten.

Komm nur, Kind, ſagte der Pfarrer. Er iſt
ein braver Junge und will nicht reich werden von
deinem bischen Armuth. Da, ſteig ein — und er
reichte ihr die Hand — und ſetz dich hier neben
mich. Sieh, da hat er dir ſeine Jacke hingelegt, daß
du weicher ſitzen ſollſt. Mir hat er's nicht ſo gut
gemacht. Aber junges Volk, das treibt's immer ſo.
Für Ein kleines Frauenzimmer wird mehr geſorgt,
als für zehn geiſtliche Herren. Nun nun, brauchſt dich
nicht zu entſchuldigen, Tonino. 's iſt unſers Herr¬
gotts Einrichtung, daß ſich Gleich zu Gleich hält.

Laurella war inzwiſchen eingeſtiegen und hatte ſich
geſetzt, nachdem ſie die Jacke, ohne ein Wort zu ſagen,
beiſeit geſchoben hatte. Der junge Schiffer ließ ſie
liegen und murmelte was zwiſchen den Zähnen. Dann
ſtieß er kräftig gegen den Uferdamm und der kleine
Kahn flog in den Golf hinaus.

Was haſt du da im Bündel? fragte der Pfar¬
rer, während ſie nun übers Meer hintrieben, das
ſich eben von den erſten Sonnenſtrahlen lichtete.

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[95/0107] der Burſch und ſchob einige Körbe mit Orangen zu¬ recht, daß Platz wurde. Er ſollte ſie in Capri ver¬ kaufen, denn die Felſeninſel trägt nicht genug für den Bedarf der vielen Beſucher. Ich will nicht umſonſt mit, erwiederte das Mäd¬ chen und die ſchwarzen Augenbrauen zuckten. Komm nur, Kind, ſagte der Pfarrer. Er iſt ein braver Junge und will nicht reich werden von deinem bischen Armuth. Da, ſteig ein — und er reichte ihr die Hand — und ſetz dich hier neben mich. Sieh, da hat er dir ſeine Jacke hingelegt, daß du weicher ſitzen ſollſt. Mir hat er's nicht ſo gut gemacht. Aber junges Volk, das treibt's immer ſo. Für Ein kleines Frauenzimmer wird mehr geſorgt, als für zehn geiſtliche Herren. Nun nun, brauchſt dich nicht zu entſchuldigen, Tonino. 's iſt unſers Herr¬ gotts Einrichtung, daß ſich Gleich zu Gleich hält. Laurella war inzwiſchen eingeſtiegen und hatte ſich geſetzt, nachdem ſie die Jacke, ohne ein Wort zu ſagen, beiſeit geſchoben hatte. Der junge Schiffer ließ ſie liegen und murmelte was zwiſchen den Zähnen. Dann ſtieß er kräftig gegen den Uferdamm und der kleine Kahn flog in den Golf hinaus. Was haſt du da im Bündel? fragte der Pfar¬ rer, während ſie nun übers Meer hintrieben, das ſich eben von den erſten Sonnenſtrahlen lichtete. Seide, Garn und ein Brod, Padre. Ich ſoll

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/107>, abgerufen am 30.04.2024.