Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.Meine Predigt nannt' er eine Kirchen- Wer, pflegt' er zu sagen, sich ein Gebet Meine Mutter hätte gern gesehen wenn ein-
Meine Predigt nannt’ er eine Kirchen- Wer, pflegt’ er zu ſagen, ſich ein Gebet Meine Mutter haͤtte gern geſehen wenn ein-
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Meine Predigt nannt’ er eine Kirchen-
chrie ein Exercitium und ſehr richtig —
Wer, pflegt’ er zu ſagen, ſich ein Gebet
auswendig lernt, ſpottet Gott den Herrn.
Entweder muß man gar nicht auf der Can-
zel beten oder man bete nach der goͤttlichen
Vorſchrifft „ihr ſolt nicht viel plappern“
Sonſt war mein Vater der Meinung daß
junge Leute nicht eher die mindeſte Ausarbei-
tung machen ſolten, als bis ſich ihre Seele
entfalten koͤnne. In jedem Menſchen ſagt’
er liegen Zuruͤſtungen und Triebfedern zu al-
len Karacktern. Die erſte Schrifft die ein
junger Menſch entwirfft muß der Kupferſtich
ſeiner Seele ſeyn. Notabene der Kupfer-
ſtich — Wer die Tropen und Figuren er-
fand, erfand Masken fuͤr Diebe, Verraͤther,
Moͤrder und Ehebrecher. Man ſchreibt ſich
jetzo nicht aus wenn man ſchreibt ſondern
man hat eine Vorſchrifft — Auf die erſte
Predigt iſt wenig von dem was ich geſagt ha-
be zu deuten. Schwerlich wenn ſie auch
ohne Linial gemacht wird, kann draus mehr
erhellen als ob der junge Menſch zum Geſetz
oder zum Evangelienprediger gedeihen werde.
Meine Mutter haͤtte gern geſehen wenn
ich ein Paar Verſe nach muͤtterlicher Weiſe
ein-
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/190>, abgerufen am 18.06.2024. |