Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. fals unmöglich sey/ daß die Seele bey Ankunfft desTodes vergehen solte. Dann wie wir zuvor erwie- sen/ so kan selbige dem Tode nicht unterworffen wer- den; und kan so wenig verderben als drey gerade/ oder das Feuer wird kalt werden können. Doch könte man noch etwas sagen/ ob gleich ungerade niemals gerade würde/ wann schon gerade mit da- zu kommet/ wie wir allbereit zuvor gestanden/ so sa- gen wir doch/ daß noch ungerade/ gerade an dessen statt kommet/ und wann uns einer sagte/ daß das Unge- rade vergangen/ und nicht mehr zugegen/ so wollen wir es nicht läugnen. Wie wir denn auch keines weges können/ denn es ist nicht mit ungerade wie mit einem Wesen so unzertrennlich ist/ beschaffen/ und ob es gleiche Beschaffenheit damit hätte/ so würden wir erfahren/ daß wegen Antritt des Gera- den/ weder das Ungerade noch eine gedritte Zahl vergehen würde/ und könten also eben dieses von Feuer/ Hitze und anderen Dingen schliessen. Wür- de es nicht deiner Meinung nach so seyn? Cebes. Wie anders. Socrates. Was aber das Unsterbliche betrifft/ so es schei- net/ daß es nicht vergehen/ so erscheinet es auch/ daß die Seele/ ausser dem das sie unsterblich ist/ auch zu- gleich nicht vergehen könne. Wann dieses nicht schone gestanden wäre/ so müste man einen andern Beweiß-Grund anziehen/ es ist aber nicht von noh- ten
Socrates. fals unmoͤglich ſey/ daß die Seele bey Ankunfft desTodes vergehen ſolte. Dann wie wir zuvor erwie- ſen/ ſo kan ſelbige dem Tode nicht unterworffen wer- den; und kan ſo wenig verderben als drey gerade/ oder das Feuer wird kalt werden koͤnnen. Doch koͤnte man noch etwas ſagen/ ob gleich ungerade niemals gerade wuͤrde/ wann ſchon gerade mit da- zu kommet/ wie wir allbereit zuvor geſtanden/ ſo ſa- gen wir doch/ daß noch ungerade/ gerade an deſſen ſtatt kom̃et/ und wañ uns einer ſagte/ daß das Unge- rade vergangen/ und nicht mehr zugegen/ ſo wollen wir es nicht laͤugnen. Wie wir denn auch keines weges koͤnnen/ denn es iſt nicht mit ungerade wie mit einem Weſen ſo unzertrennlich iſt/ beſchaffen/ und ob es gleiche Beſchaffenheit damit haͤtte/ ſo wuͤrden wir erfahren/ daß wegen Antritt des Gera- den/ weder das Ungerade noch eine gedritte Zahl vergehen wuͤrde/ und koͤnten alſo eben dieſes von Feuer/ Hitze und anderen Dingen ſchlieſſen. Wuͤr- de es nicht deiner Meinung nach ſo ſeyn? Cebes. Wie anders. Socrates. Was aber das Unſterbliche betrifft/ ſo es ſchei- net/ daß es nicht vergehen/ ſo erſcheinet es auch/ daß die Seele/ auſſer dem das ſie unſterblich iſt/ auch zu- gleich nicht vergehen koͤnne. Wann dieſes nicht ſchone geſtanden waͤre/ ſo muͤſte man einen andern Beweiß-Grund anziehen/ es iſt aber nicht von noh- ten
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SOC"> <p><pb facs="#f0377" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Socrates.</hi></fw><lb/> fals unmoͤglich ſey/ daß die Seele bey Ankunfft des<lb/> Todes vergehen ſolte. Dann wie wir zuvor erwie-<lb/> ſen/ ſo kan ſelbige dem Tode nicht unterworffen wer-<lb/> den; und kan ſo wenig verderben als drey gerade/<lb/> oder das Feuer wird kalt werden koͤnnen. Doch<lb/> koͤnte man noch etwas ſagen/ ob gleich ungerade<lb/> niemals gerade wuͤrde/ wann ſchon gerade mit da-<lb/> zu kommet/ wie wir allbereit zuvor geſtanden/ ſo ſa-<lb/> gen wir doch/ daß noch ungerade/ gerade an deſſen<lb/> ſtatt kom̃et/ und wañ uns einer ſagte/ daß das Unge-<lb/> rade vergangen/ und nicht mehr zugegen/ ſo wollen<lb/> wir es nicht laͤugnen. Wie wir denn auch keines<lb/> weges koͤnnen/ denn es iſt nicht mit ungerade wie<lb/> mit einem Weſen ſo unzertrennlich iſt/ beſchaffen/<lb/> und ob es gleiche Beſchaffenheit damit haͤtte/ ſo<lb/> wuͤrden wir erfahren/ daß wegen Antritt des Gera-<lb/> den/ weder das Ungerade noch eine gedritte Zahl<lb/> vergehen wuͤrde/ und koͤnten alſo eben dieſes von<lb/> Feuer/ Hitze und anderen Dingen ſchlieſſen. Wuͤr-<lb/> de es nicht deiner Meinung nach ſo ſeyn?</p> </sp><lb/> <sp who="#CEB"> <speaker> <hi rendition="#fr">Cebes.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie anders.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOC"> <speaker> <hi rendition="#fr">Socrates.</hi> </speaker><lb/> <p>Was aber das Unſterbliche betrifft/ ſo es ſchei-<lb/> net/ daß es nicht vergehen/ ſo erſcheinet es auch/ daß<lb/> die Seele/ auſſer dem das ſie unſterblich iſt/ auch zu-<lb/> gleich nicht vergehen koͤnne. Wann dieſes nicht<lb/> ſchone geſtanden waͤre/ ſo muͤſte man einen andern<lb/> Beweiß-Grund anziehen/ es iſt aber nicht von noh-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [119/0377]
Socrates.
fals unmoͤglich ſey/ daß die Seele bey Ankunfft des
Todes vergehen ſolte. Dann wie wir zuvor erwie-
ſen/ ſo kan ſelbige dem Tode nicht unterworffen wer-
den; und kan ſo wenig verderben als drey gerade/
oder das Feuer wird kalt werden koͤnnen. Doch
koͤnte man noch etwas ſagen/ ob gleich ungerade
niemals gerade wuͤrde/ wann ſchon gerade mit da-
zu kommet/ wie wir allbereit zuvor geſtanden/ ſo ſa-
gen wir doch/ daß noch ungerade/ gerade an deſſen
ſtatt kom̃et/ und wañ uns einer ſagte/ daß das Unge-
rade vergangen/ und nicht mehr zugegen/ ſo wollen
wir es nicht laͤugnen. Wie wir denn auch keines
weges koͤnnen/ denn es iſt nicht mit ungerade wie
mit einem Weſen ſo unzertrennlich iſt/ beſchaffen/
und ob es gleiche Beſchaffenheit damit haͤtte/ ſo
wuͤrden wir erfahren/ daß wegen Antritt des Gera-
den/ weder das Ungerade noch eine gedritte Zahl
vergehen wuͤrde/ und koͤnten alſo eben dieſes von
Feuer/ Hitze und anderen Dingen ſchlieſſen. Wuͤr-
de es nicht deiner Meinung nach ſo ſeyn?
Cebes.
Wie anders.
Socrates.
Was aber das Unſterbliche betrifft/ ſo es ſchei-
net/ daß es nicht vergehen/ ſo erſcheinet es auch/ daß
die Seele/ auſſer dem das ſie unſterblich iſt/ auch zu-
gleich nicht vergehen koͤnne. Wann dieſes nicht
ſchone geſtanden waͤre/ ſo muͤſte man einen andern
Beweiß-Grund anziehen/ es iſt aber nicht von noh-
ten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |