und seufzte: ach, wenn ich reden dürfte! Die dumme Magd störte uns.
Aber Du sollst nicht vergebens geseufzt haben, kleine Adelheid. Du sollst reden dürfen, und ich will Dich hören und erhören."
Vom 30. November.
"Sie wehrt sich gegen die Liebe, wie ein Ster- bender gegen den Tod. Hilft doch nichts, mein Täubchen, zapple wie Du willst, der Aar wird Dich bald in seinen Krallen halten. Und tröste Dich: sie sind nicht rauh und scharf, diese Krallen; Du sollst nur Gutes und Liebes von ihnen erdulden.
Jch bin entschlossen. Heute Abend, wenn Alles schläft, schleich' ich mich um den Schornstein herum zu ihr hinüber."
Vom 1. Dezember.
"Das konnt' ich freilich nicht wissen, daß sie sich von Jnnen verriegelt. Darauf wär' ich in hundert Jahren nicht gekommen.
Ob sie das schon zu thun pflegte, ehe Papa Käst- ner mich mitbrachte? Jch wette, nein. Warum hätte sie's thun, vor wem sich verwahren sollen? Nur mei- netwegen kann es geschehen. Sie vermuthete also meinen Besuch? Sie setzt folglich schon voraus, daß
und ſeufzte: ach, wenn ich reden duͤrfte! Die dumme Magd ſtoͤrte uns.
Aber Du ſollſt nicht vergebens geſeufzt haben, kleine Adelheid. Du ſollſt reden duͤrfen, und ich will Dich hoͤren und erhoͤren.“
Vom 30. November.
„Sie wehrt ſich gegen die Liebe, wie ein Ster- bender gegen den Tod. Hilft doch nichts, mein Taͤubchen, zapple wie Du willſt, der Aar wird Dich bald in ſeinen Krallen halten. Und troͤſte Dich: ſie ſind nicht rauh und ſcharf, dieſe Krallen; Du ſollſt nur Gutes und Liebes von ihnen erdulden.
Jch bin entſchloſſen. Heute Abend, wenn Alles ſchlaͤft, ſchleich’ ich mich um den Schornſtein herum zu ihr hinuͤber.“
Vom 1. Dezember.
„Das konnt’ ich freilich nicht wiſſen, daß ſie ſich von Jnnen verriegelt. Darauf waͤr’ ich in hundert Jahren nicht gekommen.
Ob ſie das ſchon zu thun pflegte, ehe Papa Kaͤſt- ner mich mitbrachte? Jch wette, nein. Warum haͤtte ſie’s thun, vor wem ſich verwahren ſollen? Nur mei- netwegen kann es geſchehen. Sie vermuthete alſo meinen Beſuch? Sie ſetzt folglich ſchon voraus, daß
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und ſeufzte: ach, wenn ich reden duͤrfte! Die dumme
Magd ſtoͤrte uns.
Aber Du ſollſt nicht vergebens geſeufzt haben,
kleine Adelheid. Du ſollſt reden duͤrfen, und ich will
Dich hoͤren und erhoͤren.“
Vom 30. November.
„Sie wehrt ſich gegen die Liebe, wie ein Ster-
bender gegen den Tod. Hilft doch nichts, mein
Taͤubchen, zapple wie Du willſt, der Aar wird Dich
bald in ſeinen Krallen halten. Und troͤſte Dich: ſie
ſind nicht rauh und ſcharf, dieſe Krallen; Du ſollſt
nur Gutes und Liebes von ihnen erdulden.
Jch bin entſchloſſen. Heute Abend, wenn Alles
ſchlaͤft, ſchleich’ ich mich um den Schornſtein herum
zu ihr hinuͤber.“
Vom 1. Dezember.
„Das konnt’ ich freilich nicht wiſſen, daß ſie ſich
von Jnnen verriegelt. Darauf waͤr’ ich in hundert
Jahren nicht gekommen.
Ob ſie das ſchon zu thun pflegte, ehe Papa Kaͤſt-
ner mich mitbrachte? Jch wette, nein. Warum haͤtte
ſie’s thun, vor wem ſich verwahren ſollen? Nur mei-
netwegen kann es geſchehen. Sie vermuthete alſo
meinen Beſuch? Sie ſetzt folglich ſchon voraus, daß
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/123>, abgerufen am 17.06.2024.
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