Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.zu hören. Waltete doch ein Geschick über ihm, worin Je geringer die Ansprüche gewesen, die Anton in Jn reizend-naiver Einfalt hat das alte Volks- zu hoͤren. Waltete doch ein Geſchick uͤber ihm, worin Je geringer die Anſpruͤche geweſen, die Anton in Jn reizend-naiver Einfalt hat das alte Volks- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0174" n="170"/> zu hoͤren. Waltete doch ein Geſchick uͤber ihm, worin<lb/> auch ſo etwas vom verlorenen Sohne ſich entdecken<lb/> ließ, wenn gleich ſehr verſchieden von dem bibliſchen<lb/> Vagabunden. Bei meiner Heimkehr, ſprach er be-<lb/> truͤbt, wuͤrde Niemand ein fettes Kalb ſchlachten;<lb/> Niemand in Liebenau; ſogar Tieletunke nicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Je geringer die Anſpruͤche geweſen, die Anton in<lb/> das Marionetten-Theater des Herrn Dreher mitge-<lb/> bracht, deſto groͤßer war ſein Erſtaunen, dieſelben in<lb/> jeder Art uͤbertroffen zu ſehen; nicht zu reden von<lb/> dem uͤberraſchenden Mechanismus der meiſterlich ge-<lb/> fuͤhrten Figuren; von der zierlichen Ausſtattung der<lb/> kleinen Buͤhne; wirkte hauptſaͤchlich die Dichtung<lb/> ſelbſt ſo gewaltig auf unſern Freund, daß ſein poeti-<lb/> ſches Gemuͤth voͤllig davon bezaubert wurde.</p><lb/> <p>Jn reizend-naiver Einfalt hat das alte Volks-<lb/> ſchauſpiel jenen ewigen Stoff aufgefaßt und behan-<lb/> delt. Was ein Dichter von modernem Zuſchnitt wie<lb/> allegoriſche Andeutung genommen haben wuͤrde, das<lb/> tritt hier mit kindlicher Treuherzigkeit als wirklich<lb/> und wahr vor die Sinne. Wenn der verlorene Sohn<lb/> in Folge ſeiner wilden Ausſchweifungen ſo tief geſun-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [170/0174]
zu hoͤren. Waltete doch ein Geſchick uͤber ihm, worin
auch ſo etwas vom verlorenen Sohne ſich entdecken
ließ, wenn gleich ſehr verſchieden von dem bibliſchen
Vagabunden. Bei meiner Heimkehr, ſprach er be-
truͤbt, wuͤrde Niemand ein fettes Kalb ſchlachten;
Niemand in Liebenau; ſogar Tieletunke nicht.
Je geringer die Anſpruͤche geweſen, die Anton in
das Marionetten-Theater des Herrn Dreher mitge-
bracht, deſto groͤßer war ſein Erſtaunen, dieſelben in
jeder Art uͤbertroffen zu ſehen; nicht zu reden von
dem uͤberraſchenden Mechanismus der meiſterlich ge-
fuͤhrten Figuren; von der zierlichen Ausſtattung der
kleinen Buͤhne; wirkte hauptſaͤchlich die Dichtung
ſelbſt ſo gewaltig auf unſern Freund, daß ſein poeti-
ſches Gemuͤth voͤllig davon bezaubert wurde.
Jn reizend-naiver Einfalt hat das alte Volks-
ſchauſpiel jenen ewigen Stoff aufgefaßt und behan-
delt. Was ein Dichter von modernem Zuſchnitt wie
allegoriſche Andeutung genommen haben wuͤrde, das
tritt hier mit kindlicher Treuherzigkeit als wirklich
und wahr vor die Sinne. Wenn der verlorene Sohn
in Folge ſeiner wilden Ausſchweifungen ſo tief geſun-
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/174>, abgerufen am 15.06.2024. |