Jch möchte sie lieber auf mich nehmen, anstatt Dir sagen zu müssen, daß Graf Guido mich getäuscht hat. Mein Schreiben an Dich war nur die Folge seiner falschen, entstellenden Erzählungen. Die Mut- ter kann jetzt nichts mehr thun: Deine Sache gehört vor die Männer. Du magst entscheiden, ob ich mei- nen Gemal zum Richter aufrufen soll. Jch will Dir nicht verschweigen, daß er krank, sehr krank ist; daß die Aerzte für sein Leben fürchten. Er ist aber auch heftig und streng; er ist gerecht und im Punkte der Ehre unerschütterlich. Hat unser Sohn Dir sein Wort gegeben, so wird der Vater ihn nicht davon entbin- den. Das schwör' ich Dir! Es wird meines Gatten Tod sein -- doch das kann auch mich nicht hindern, Dir Dein Recht werden zu lassen. Höchstens kann ich mit ihm sterben und das will ich gern. Bestimme Du, was geschehen muß!"
Jch sagte nichts weiter, als: Graf Guido hat zu bestimmen, nicht ich!
"Ruft meinen Sohn, Haushofmeister; oder nein, -- laßt ihn rufen. Jhr bleibt hier und seid Zeuge von jeder Silbe, die zwischen ihr und mir gewech- selt wird."
Jch moͤchte ſie lieber auf mich nehmen, anſtatt Dir ſagen zu muͤſſen, daß Graf Guido mich getaͤuſcht hat. Mein Schreiben an Dich war nur die Folge ſeiner falſchen, entſtellenden Erzaͤhlungen. Die Mut- ter kann jetzt nichts mehr thun: Deine Sache gehoͤrt vor die Maͤnner. Du magſt entſcheiden, ob ich mei- nen Gemal zum Richter aufrufen ſoll. Jch will Dir nicht verſchweigen, daß er krank, ſehr krank iſt; daß die Aerzte fuͤr ſein Leben fuͤrchten. Er iſt aber auch heftig und ſtreng; er iſt gerecht und im Punkte der Ehre unerſchuͤtterlich. Hat unſer Sohn Dir ſein Wort gegeben, ſo wird der Vater ihn nicht davon entbin- den. Das ſchwoͤr’ ich Dir! Es wird meines Gatten Tod ſein — doch das kann auch mich nicht hindern, Dir Dein Recht werden zu laſſen. Hoͤchſtens kann ich mit ihm ſterben und das will ich gern. Beſtimme Du, was geſchehen muß!“
Jch ſagte nichts weiter, als: Graf Guido hat zu beſtimmen, nicht ich!
„Ruft meinen Sohn, Haushofmeiſter; oder nein, — laßt ihn rufen. Jhr bleibt hier und ſeid Zeuge von jeder Silbe, die zwiſchen ihr und mir gewech- ſelt wird.“
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Jch moͤchte ſie lieber auf mich nehmen, anſtatt
Dir ſagen zu muͤſſen, daß Graf Guido mich getaͤuſcht
hat. Mein Schreiben an Dich war nur die Folge
ſeiner falſchen, entſtellenden Erzaͤhlungen. Die Mut-
ter kann jetzt nichts mehr thun: Deine Sache gehoͤrt
vor die Maͤnner. Du magſt entſcheiden, ob ich mei-
nen Gemal zum Richter aufrufen ſoll. Jch will Dir
nicht verſchweigen, daß er krank, ſehr krank iſt; daß
die Aerzte fuͤr ſein Leben fuͤrchten. Er iſt aber auch
heftig und ſtreng; er iſt gerecht und im Punkte der
Ehre unerſchuͤtterlich. Hat unſer Sohn Dir ſein Wort
gegeben, ſo wird der Vater ihn nicht davon entbin-
den. Das ſchwoͤr’ ich Dir! Es wird meines Gatten
Tod ſein — doch das kann auch mich nicht hindern,
Dir Dein Recht werden zu laſſen. Hoͤchſtens kann
ich mit ihm ſterben und das will ich gern. Beſtimme
Du, was geſchehen muß!“
Jch ſagte nichts weiter, als: Graf Guido hat zu
beſtimmen, nicht ich!
„Ruft meinen Sohn, Haushofmeiſter; oder nein,
— laßt ihn rufen. Jhr bleibt hier und ſeid Zeuge
von jeder Silbe, die zwiſchen ihr und mir gewech-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/234>, abgerufen am 17.06.2024.
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