Nicolo vorgetragen. Das Adagio rein, edel, einfach; das Rondo heiter, frisch, lieblich; voll Melodie, An- muth, neckischer Grazie und mit Bizarrerieen und Kaprizen ausgeziert, die wie Schmetterlinge und gol- dene Jnsekten in Blumen gaukeln.
Nach Beendigung des Tonstückes, während der Sturm des Entzückens immer lauter und anhaltender nachbrausete, ward er in die Hofloge beschieden. Man sah, wie alle ihm huldigten. Er, seine Geige unter'm Arme, nahm das hin, als könnte es nicht anders sein. Nur da schöne Damen ihm die Hände zum Kusse reichten, legte er seine Geige bei Seite auf einen Stuhl, um die dargebotenen Finger dankbarer fassen und küssen zu können.
Anton verlor keine seiner Bewegungen. Anton bemerkte auch, daß eine junge Schöne sich an des Meisters Geige zu thun machte. Durch sehr natür- liche Gedankenverbindung fiel Tieletunke ihm ein und wie diese mit ihrer Scheere ihn außer Stand gesetzt, seine eigene Violine vor Carino erklingen zu lassen, so daß er des Fremden seine ergreifen müssen. Auf Paganini's Jnstrument, flüsterte er, wäre das unmöglich: aus diesem würden Funken blitzen, mich davon zu vertreiben, wenn ich mich daran wagen wollt.
Nicolo vorgetragen. Das Adagio rein, edel, einfach; das Rondo heiter, friſch, lieblich; voll Melodie, An- muth, neckiſcher Grazie und mit Bizarrerieen und Kaprizen ausgeziert, die wie Schmetterlinge und gol- dene Jnſekten in Blumen gaukeln.
Nach Beendigung des Tonſtuͤckes, waͤhrend der Sturm des Entzuͤckens immer lauter und anhaltender nachbrauſete, ward er in die Hofloge beſchieden. Man ſah, wie alle ihm huldigten. Er, ſeine Geige unter’m Arme, nahm das hin, als koͤnnte es nicht anders ſein. Nur da ſchoͤne Damen ihm die Haͤnde zum Kuſſe reichten, legte er ſeine Geige bei Seite auf einen Stuhl, um die dargebotenen Finger dankbarer faſſen und kuͤſſen zu koͤnnen.
Anton verlor keine ſeiner Bewegungen. Anton bemerkte auch, daß eine junge Schoͤne ſich an des Meiſters Geige zu thun machte. Durch ſehr natuͤr- liche Gedankenverbindung fiel Tieletunke ihm ein und wie dieſe mit ihrer Scheere ihn außer Stand geſetzt, ſeine eigene Violine vor Carino erklingen zu laſſen, ſo daß er des Fremden ſeine ergreifen muͤſſen. Auf Paganini’s Jnſtrument, fluͤſterte er, waͤre das unmoͤglich: aus dieſem wuͤrden Funken blitzen, mich davon zu vertreiben, wenn ich mich daran wagen wollt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0080"n="76"/>
Nicolo vorgetragen. Das Adagio rein, edel, einfach;<lb/>
das Rondo heiter, friſch, lieblich; voll Melodie, An-<lb/>
muth, neckiſcher Grazie und mit Bizarrerieen und<lb/>
Kaprizen ausgeziert, die wie Schmetterlinge und gol-<lb/>
dene Jnſekten in Blumen gaukeln.</p><lb/><p>Nach Beendigung des Tonſtuͤckes, waͤhrend der<lb/>
Sturm des Entzuͤckens immer lauter und anhaltender<lb/>
nachbrauſete, ward er in die Hofloge beſchieden. Man<lb/>ſah, wie alle ihm huldigten. Er, ſeine Geige unter’m<lb/>
Arme, nahm das hin, als koͤnnte es nicht anders ſein.<lb/>
Nur da ſchoͤne Damen ihm die Haͤnde zum Kuſſe<lb/>
reichten, legte er ſeine Geige bei Seite auf einen<lb/>
Stuhl, um die dargebotenen Finger dankbarer faſſen<lb/>
und kuͤſſen zu koͤnnen.</p><lb/><p>Anton verlor keine ſeiner Bewegungen. Anton<lb/>
bemerkte auch, daß eine junge Schoͤne ſich an des<lb/>
Meiſters Geige zu thun machte. Durch ſehr natuͤr-<lb/>
liche Gedankenverbindung fiel Tieletunke ihm ein<lb/>
und wie dieſe mit ihrer Scheere ihn außer Stand<lb/>
geſetzt, ſeine eigene Violine vor Carino erklingen zu<lb/>
laſſen, ſo daß er des Fremden ſeine ergreifen muͤſſen.<lb/>
Auf Paganini’s Jnſtrument, fluͤſterte er, waͤre das<lb/>
unmoͤglich: aus dieſem wuͤrden Funken blitzen, mich<lb/>
davon zu vertreiben, wenn ich mich daran wagen wollt.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[76/0080]
Nicolo vorgetragen. Das Adagio rein, edel, einfach;
das Rondo heiter, friſch, lieblich; voll Melodie, An-
muth, neckiſcher Grazie und mit Bizarrerieen und
Kaprizen ausgeziert, die wie Schmetterlinge und gol-
dene Jnſekten in Blumen gaukeln.
Nach Beendigung des Tonſtuͤckes, waͤhrend der
Sturm des Entzuͤckens immer lauter und anhaltender
nachbrauſete, ward er in die Hofloge beſchieden. Man
ſah, wie alle ihm huldigten. Er, ſeine Geige unter’m
Arme, nahm das hin, als koͤnnte es nicht anders ſein.
Nur da ſchoͤne Damen ihm die Haͤnde zum Kuſſe
reichten, legte er ſeine Geige bei Seite auf einen
Stuhl, um die dargebotenen Finger dankbarer faſſen
und kuͤſſen zu koͤnnen.
Anton verlor keine ſeiner Bewegungen. Anton
bemerkte auch, daß eine junge Schoͤne ſich an des
Meiſters Geige zu thun machte. Durch ſehr natuͤr-
liche Gedankenverbindung fiel Tieletunke ihm ein
und wie dieſe mit ihrer Scheere ihn außer Stand
geſetzt, ſeine eigene Violine vor Carino erklingen zu
laſſen, ſo daß er des Fremden ſeine ergreifen muͤſſen.
Auf Paganini’s Jnſtrument, fluͤſterte er, waͤre das
unmoͤglich: aus dieſem wuͤrden Funken blitzen, mich
davon zu vertreiben, wenn ich mich daran wagen wollt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/80>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.