des Amazonenstromes aus. Er sah dort in den Händen der Eingeborenen "faustgroße Smaragde". Es waren ohne Zweifel Stücke Saussurit, von dem dichten Feldspat, den wir vom Orinoko zurückgebracht, und den La Condamine an der Mün- dung des Rio Tapajos in Menge angetroffen. Die Indianer sagten Diego de Ordaz, "wenn er so und so viele Sonnen gegen Westen hinauffahre, komme er an einen großen Fels (penna) von grünem Gestein"; bevor er aber diesen vermeint- lichen Smaragdberg (Euphotitgestein?) erreichte, machte ein Schiffbruch allen weiteren Entdeckungen ein Ende. Mit ge- nauer Not retteten sich die Spanier in zwei kleinen Fahrzeugen. Sie eilten, aus der Mündung des Amazonenstromes hinaus- zukommen, und die Strömungen, die in diesen Strichen stark nach Nordwest gehen, führten Ordaz an die Küste von Paria oder auf das Gebiet der Kaziken von Yuripari (Uriapari, Viapari). Sedenno hatte die Casa fuerte de Paria gebaut, und da dieser Posten ganz nahe an der Mündung des Orinoko lag, beschloß der mexikanische Konquistador, eine Expedition auf diesem großen Strome zu versuchen. Er hielt sich zuerst in Carao (Caroa, Carora) auf, einem großen indianischen Dorfe, das mir etwas ostwärts vom Einfluß des Carony ge- legen zu haben scheint; er fuhr sofort nach Cabruta (Cabuta, Cabritu) hinauf und an den Einfluß des Meta (Metacuyu), wo er mit großen Fährlichkeiten seine Fahrzeuge über den Raudal von Cariven schaffte. Wir haben oben gesehen, daß das Bett des Orinoko bei der Einmündung des Meta voll Klippen ist. Die Aruakenindianer, die Ordaz als Wegweiser dienten, rieten ihm, den Meta hinaufzufahren; sie versicherten ihn, weiter gegen West finde er bekleidete Menschen und Gold in Menge. Ordaz wollte lieber auf dem Orinoko weiterfahren, aber die Katarakte bei Tabaje (vielleicht sogar die bei Atures) nötigten ihn, seine Entdeckungen aufzugeben.
Auf diesem Zuge, der lange vor den des Orellana fällt und also der bedeutendste war, den die Spanier bis dahin auf einem Strome der Neuen Welt unternommen, hörte man zum erstenmal den Namen Orinoko aussprechen. Ordaz, der Anführer der Expedition, versichert, von der Mündung bis zum Einfluß des Meta heiße der Strom Uriaparia, oberhalb dieses Einflusses aber Orinucu. Dieses Wort (ähnlich gebildet wie die Worte Tamanacu, Otomacu, Sinarucu) ge- hört wirklich der tamanakischen Sprache an, und da die Ta- manaken südöstlich von Encaramada wohnen, so ist es natür-
des Amazonenſtromes aus. Er ſah dort in den Händen der Eingeborenen „fauſtgroße Smaragde“. Es waren ohne Zweifel Stücke Sauſſurit, von dem dichten Feldſpat, den wir vom Orinoko zurückgebracht, und den La Condamine an der Mün- dung des Rio Tapajos in Menge angetroffen. Die Indianer ſagten Diego de Ordaz, „wenn er ſo und ſo viele Sonnen gegen Weſten hinauffahre, komme er an einen großen Fels (peña) von grünem Geſtein“; bevor er aber dieſen vermeint- lichen Smaragdberg (Euphotitgeſtein?) erreichte, machte ein Schiffbruch allen weiteren Entdeckungen ein Ende. Mit ge- nauer Not retteten ſich die Spanier in zwei kleinen Fahrzeugen. Sie eilten, aus der Mündung des Amazonenſtromes hinaus- zukommen, und die Strömungen, die in dieſen Strichen ſtark nach Nordweſt gehen, führten Ordaz an die Küſte von Paria oder auf das Gebiet der Kaziken von Yuripari (Uriapari, Viapari). Sedeño hatte die Casa fuerte de Paria gebaut, und da dieſer Poſten ganz nahe an der Mündung des Orinoko lag, beſchloß der mexikaniſche Konquiſtador, eine Expedition auf dieſem großen Strome zu verſuchen. Er hielt ſich zuerſt in Carao (Caroa, Carora) auf, einem großen indianiſchen Dorfe, das mir etwas oſtwärts vom Einfluß des Carony ge- legen zu haben ſcheint; er fuhr ſofort nach Cabruta (Cabuta, Cabritu) hinauf und an den Einfluß des Meta (Metacuyu), wo er mit großen Fährlichkeiten ſeine Fahrzeuge über den Raudal von Cariven ſchaffte. Wir haben oben geſehen, daß das Bett des Orinoko bei der Einmündung des Meta voll Klippen iſt. Die Aruakenindianer, die Ordaz als Wegweiſer dienten, rieten ihm, den Meta hinaufzufahren; ſie verſicherten ihn, weiter gegen Weſt finde er bekleidete Menſchen und Gold in Menge. Ordaz wollte lieber auf dem Orinoko weiterfahren, aber die Katarakte bei Tabaje (vielleicht ſogar die bei Atures) nötigten ihn, ſeine Entdeckungen aufzugeben.
Auf dieſem Zuge, der lange vor den des Orellana fällt und alſo der bedeutendſte war, den die Spanier bis dahin auf einem Strome der Neuen Welt unternommen, hörte man zum erſtenmal den Namen Orinoko ausſprechen. Ordaz, der Anführer der Expedition, verſichert, von der Mündung bis zum Einfluß des Meta heiße der Strom Uriaparia, oberhalb dieſes Einfluſſes aber Orinucu. Dieſes Wort (ähnlich gebildet wie die Worte Tamanacu, Otomacu, Sinarucu) ge- hört wirklich der tamanakiſchen Sprache an, und da die Ta- manaken ſüdöſtlich von Encaramada wohnen, ſo iſt es natür-
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[199/0207]
des Amazonenſtromes aus. Er ſah dort in den Händen der
Eingeborenen „fauſtgroße Smaragde“. Es waren ohne Zweifel
Stücke Sauſſurit, von dem dichten Feldſpat, den wir vom
Orinoko zurückgebracht, und den La Condamine an der Mün-
dung des Rio Tapajos in Menge angetroffen. Die Indianer
ſagten Diego de Ordaz, „wenn er ſo und ſo viele Sonnen
gegen Weſten hinauffahre, komme er an einen großen Fels
(peña) von grünem Geſtein“; bevor er aber dieſen vermeint-
lichen Smaragdberg (Euphotitgeſtein?) erreichte, machte ein
Schiffbruch allen weiteren Entdeckungen ein Ende. Mit ge-
nauer Not retteten ſich die Spanier in zwei kleinen Fahrzeugen.
Sie eilten, aus der Mündung des Amazonenſtromes hinaus-
zukommen, und die Strömungen, die in dieſen Strichen ſtark
nach Nordweſt gehen, führten Ordaz an die Küſte von Paria
oder auf das Gebiet der Kaziken von Yuripari (Uriapari,
Viapari). Sedeño hatte die Casa fuerte de Paria gebaut,
und da dieſer Poſten ganz nahe an der Mündung des Orinoko
lag, beſchloß der mexikaniſche Konquiſtador, eine Expedition
auf dieſem großen Strome zu verſuchen. Er hielt ſich zuerſt
in Carao (Caroa, Carora) auf, einem großen indianiſchen
Dorfe, das mir etwas oſtwärts vom Einfluß des Carony ge-
legen zu haben ſcheint; er fuhr ſofort nach Cabruta (Cabuta,
Cabritu) hinauf und an den Einfluß des Meta (Metacuyu),
wo er mit großen Fährlichkeiten ſeine Fahrzeuge über den
Raudal von Cariven ſchaffte. Wir haben oben geſehen, daß
das Bett des Orinoko bei der Einmündung des Meta voll
Klippen iſt. Die Aruakenindianer, die Ordaz als Wegweiſer
dienten, rieten ihm, den Meta hinaufzufahren; ſie verſicherten
ihn, weiter gegen Weſt finde er bekleidete Menſchen und Gold
in Menge. Ordaz wollte lieber auf dem Orinoko weiterfahren,
aber die Katarakte bei Tabaje (vielleicht ſogar die bei Atures)
nötigten ihn, ſeine Entdeckungen aufzugeben.
Auf dieſem Zuge, der lange vor den des Orellana fällt
und alſo der bedeutendſte war, den die Spanier bis dahin
auf einem Strome der Neuen Welt unternommen, hörte man
zum erſtenmal den Namen Orinoko ausſprechen. Ordaz, der
Anführer der Expedition, verſichert, von der Mündung bis zum
Einfluß des Meta heiße der Strom Uriaparia, oberhalb dieſes
Einfluſſes aber Orinucu. Dieſes Wort (ähnlich gebildet
wie die Worte Tamanacu, Otomacu, Sinarucu) ge-
hört wirklich der tamanakiſchen Sprache an, und da die Ta-
manaken ſüdöſtlich von Encaramada wohnen, ſo iſt es natür-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/207>, abgerufen am 16.06.2024.
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