vom Dorado in der Nähe des Ostabhanges der Kordilleren zu fixieren.
Daß auf der Hochebene von Neugranada drei Heerhaufen zusammentrafen, machte, daß sich in ganz Amerika, soweit es von den Spaniern besetzt war, die Kunde von einem noch zu erobernden reichen, stark bevölkerten Lande verbreitete. Sebastian de Belalcazar zog von Quito über Popayan nach Bogota (1536); Nikolaus Federmann kam von Venezuela, von Ost her über die Ebenen am Meta. Diese beiden An- führer trafen auf der Hochebene von Condirumarca bereits den vielberufenen Adelantado Gonzalo Ximenes de Que- sada, von dem ich einen Nachkommen bei Zipaquira barfuß das Vieh habe hüten sehen. Das zufällige Zusammentreffen der drei Konquistadoren, eines der merkwürdigsten und dra- matischten Ereignisse in der Geschichte der Eroberung, fand im Jahre 1538 statt. Belalcazar erhitzte durch seine Berichte die Phantasie abenteuerlustiger Krieger; man verglich, was der Indianer aus Tacunga Luis Daca erzählt, mit den ver- worrenen Vorstellungen von den Schätzen eines großen ein- äugigen Königs und von einem bekleideten, auf Lama reiten- den Volke, die Ordaz vom Meta mitgebracht. Pedro de Limpias, ein alter Soldat, der mit Federmann auf der Hoch- ebene von Bogota gewesen war, brachte die erste Kunde vom Dorado nach Coro, wo das Andenken an die Expedition Georgs von Speier (1535 bis 1537) an den Rio Papamene noch ganz frisch war. Von dieser selben Stadt Coro aus unternahm auch Felipe de Hutten (Urre, Utre) seine vielbe- rufene Reise in das Gebiet der Omagua, während Pizarro, Orellana und Hernan Perez de Quesada, der Bruder des Adelantado, das Goldland am Rio Napo, längs des Ama- zonenstromes und in der östlichen Kette der Anden von Neu- granada suchten. Die Eingeborenen, um ihrer unbequemen Gäste los zu werden, versicherten allerorten, zum Dorado sei leicht zu kommen, und zwar ganz in der Nähe. Es war wie ein Phantom, das vor den Spaniern entwich und ihnen beständig zurief. Es liegt in der Natur des flüchtigen Erden- bewohners, daß er das Glück in der unbekannten Weite sucht. Der Dorado, gleich dem Atlas und den Hesperischen Inseln, rückte allgemach vom Gebiete der Geographie auf das der Mythendichtung hinüber.
Die vielfachen Unternehmungen zur Aufsuchung dieses eingebildeten Landes zu erzählen, liegt nicht in meiner Absicht.
vom Dorado in der Nähe des Oſtabhanges der Kordilleren zu fixieren.
Daß auf der Hochebene von Neugranada drei Heerhaufen zuſammentrafen, machte, daß ſich in ganz Amerika, ſoweit es von den Spaniern beſetzt war, die Kunde von einem noch zu erobernden reichen, ſtark bevölkerten Lande verbreitete. Sebaſtian de Belalcazar zog von Quito über Popayan nach Bogota (1536); Nikolaus Federmann kam von Venezuela, von Oſt her über die Ebenen am Meta. Dieſe beiden An- führer trafen auf der Hochebene von Condirumarca bereits den vielberufenen Adelantado Gonzalo Ximenes de Que- ſada, von dem ich einen Nachkommen bei Zipaquira barfuß das Vieh habe hüten ſehen. Das zufällige Zuſammentreffen der drei Konquiſtadoren, eines der merkwürdigſten und dra- matiſchten Ereigniſſe in der Geſchichte der Eroberung, fand im Jahre 1538 ſtatt. Belalcazar erhitzte durch ſeine Berichte die Phantaſie abenteuerluſtiger Krieger; man verglich, was der Indianer aus Tacunga Luis Daça erzählt, mit den ver- worrenen Vorſtellungen von den Schätzen eines großen ein- äugigen Königs und von einem bekleideten, auf Lama reiten- den Volke, die Ordaz vom Meta mitgebracht. Pedro de Limpias, ein alter Soldat, der mit Federmann auf der Hoch- ebene von Bogota geweſen war, brachte die erſte Kunde vom Dorado nach Coro, wo das Andenken an die Expedition Georgs von Speier (1535 bis 1537) an den Rio Papamene noch ganz friſch war. Von dieſer ſelben Stadt Coro aus unternahm auch Felipe de Hutten (Urre, Utre) ſeine vielbe- rufene Reiſe in das Gebiet der Omagua, während Pizarro, Orellana und Hernan Perez de Queſada, der Bruder des Adelantado, das Goldland am Rio Napo, längs des Ama- zonenſtromes und in der öſtlichen Kette der Anden von Neu- granada ſuchten. Die Eingeborenen, um ihrer unbequemen Gäſte los zu werden, verſicherten allerorten, zum Dorado ſei leicht zu kommen, und zwar ganz in der Nähe. Es war wie ein Phantom, das vor den Spaniern entwich und ihnen beſtändig zurief. Es liegt in der Natur des flüchtigen Erden- bewohners, daß er das Glück in der unbekannten Weite ſucht. Der Dorado, gleich dem Atlas und den Heſperiſchen Inſeln, rückte allgemach vom Gebiete der Geographie auf das der Mythendichtung hinüber.
Die vielfachen Unternehmungen zur Aufſuchung dieſes eingebildeten Landes zu erzählen, liegt nicht in meiner Abſicht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0213"n="205"/>
vom Dorado in der Nähe des Oſtabhanges der Kordilleren<lb/>
zu fixieren.</p><lb/><p>Daß auf der Hochebene von Neugranada drei Heerhaufen<lb/>
zuſammentrafen, machte, daß ſich in ganz Amerika, ſoweit<lb/>
es von den Spaniern beſetzt war, die Kunde von einem noch<lb/>
zu erobernden reichen, ſtark bevölkerten Lande verbreitete.<lb/>
Sebaſtian de Belalcazar zog von Quito über Popayan nach<lb/>
Bogota (1536); Nikolaus Federmann kam von Venezuela,<lb/>
von Oſt her über die Ebenen am Meta. Dieſe beiden An-<lb/>
führer trafen auf der Hochebene von Condirumarca bereits<lb/>
den vielberufenen <hirendition="#g">Adelantado</hi> Gonzalo Ximenes de Que-<lb/>ſada, von dem ich einen Nachkommen bei Zipaquira barfuß<lb/>
das Vieh habe hüten ſehen. Das zufällige Zuſammentreffen<lb/>
der drei Konquiſtadoren, eines der merkwürdigſten und dra-<lb/>
matiſchten Ereigniſſe in der Geſchichte der Eroberung, fand<lb/>
im Jahre 1538 ſtatt. Belalcazar erhitzte durch ſeine Berichte<lb/>
die Phantaſie abenteuerluſtiger Krieger; man verglich, was<lb/>
der Indianer aus Tacunga Luis Da<hirendition="#aq">ç</hi>a erzählt, mit den ver-<lb/>
worrenen Vorſtellungen von den Schätzen eines großen ein-<lb/>
äugigen Königs und von einem bekleideten, auf Lama reiten-<lb/>
den Volke, die Ordaz vom Meta mitgebracht. Pedro de<lb/>
Limpias, ein alter Soldat, der mit Federmann auf der Hoch-<lb/>
ebene von Bogota geweſen war, brachte die erſte Kunde vom<lb/>
Dorado nach Coro, wo das Andenken an die Expedition<lb/>
Georgs von Speier (1535 bis 1537) an den Rio Papamene<lb/>
noch ganz friſch war. Von dieſer ſelben Stadt Coro aus<lb/>
unternahm auch Felipe de Hutten (Urre, Utre) ſeine vielbe-<lb/>
rufene Reiſe in das Gebiet der Omagua, während Pizarro,<lb/>
Orellana und Hernan Perez de Queſada, der Bruder des<lb/>
Adelantado, das Goldland am Rio Napo, längs des Ama-<lb/>
zonenſtromes und in der öſtlichen Kette der Anden von Neu-<lb/>
granada ſuchten. Die Eingeborenen, um ihrer unbequemen<lb/>
Gäſte los zu werden, verſicherten allerorten, zum Dorado<lb/>ſei leicht zu kommen, und zwar ganz in der Nähe. Es war<lb/>
wie ein Phantom, das vor den Spaniern entwich und ihnen<lb/>
beſtändig zurief. Es liegt in der Natur des flüchtigen Erden-<lb/>
bewohners, daß er das Glück in der unbekannten Weite ſucht.<lb/>
Der Dorado, gleich dem Atlas und den Heſperiſchen Inſeln,<lb/>
rückte allgemach vom Gebiete der Geographie auf das der<lb/>
Mythendichtung hinüber.</p><lb/><p>Die vielfachen Unternehmungen zur Aufſuchung dieſes<lb/>
eingebildeten Landes zu erzählen, liegt nicht in meiner Abſicht.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[205/0213]
vom Dorado in der Nähe des Oſtabhanges der Kordilleren
zu fixieren.
Daß auf der Hochebene von Neugranada drei Heerhaufen
zuſammentrafen, machte, daß ſich in ganz Amerika, ſoweit
es von den Spaniern beſetzt war, die Kunde von einem noch
zu erobernden reichen, ſtark bevölkerten Lande verbreitete.
Sebaſtian de Belalcazar zog von Quito über Popayan nach
Bogota (1536); Nikolaus Federmann kam von Venezuela,
von Oſt her über die Ebenen am Meta. Dieſe beiden An-
führer trafen auf der Hochebene von Condirumarca bereits
den vielberufenen Adelantado Gonzalo Ximenes de Que-
ſada, von dem ich einen Nachkommen bei Zipaquira barfuß
das Vieh habe hüten ſehen. Das zufällige Zuſammentreffen
der drei Konquiſtadoren, eines der merkwürdigſten und dra-
matiſchten Ereigniſſe in der Geſchichte der Eroberung, fand
im Jahre 1538 ſtatt. Belalcazar erhitzte durch ſeine Berichte
die Phantaſie abenteuerluſtiger Krieger; man verglich, was
der Indianer aus Tacunga Luis Daça erzählt, mit den ver-
worrenen Vorſtellungen von den Schätzen eines großen ein-
äugigen Königs und von einem bekleideten, auf Lama reiten-
den Volke, die Ordaz vom Meta mitgebracht. Pedro de
Limpias, ein alter Soldat, der mit Federmann auf der Hoch-
ebene von Bogota geweſen war, brachte die erſte Kunde vom
Dorado nach Coro, wo das Andenken an die Expedition
Georgs von Speier (1535 bis 1537) an den Rio Papamene
noch ganz friſch war. Von dieſer ſelben Stadt Coro aus
unternahm auch Felipe de Hutten (Urre, Utre) ſeine vielbe-
rufene Reiſe in das Gebiet der Omagua, während Pizarro,
Orellana und Hernan Perez de Queſada, der Bruder des
Adelantado, das Goldland am Rio Napo, längs des Ama-
zonenſtromes und in der öſtlichen Kette der Anden von Neu-
granada ſuchten. Die Eingeborenen, um ihrer unbequemen
Gäſte los zu werden, verſicherten allerorten, zum Dorado
ſei leicht zu kommen, und zwar ganz in der Nähe. Es war
wie ein Phantom, das vor den Spaniern entwich und ihnen
beſtändig zurief. Es liegt in der Natur des flüchtigen Erden-
bewohners, daß er das Glück in der unbekannten Weite ſucht.
Der Dorado, gleich dem Atlas und den Heſperiſchen Inſeln,
rückte allgemach vom Gebiete der Geographie auf das der
Mythendichtung hinüber.
Die vielfachen Unternehmungen zur Aufſuchung dieſes
eingebildeten Landes zu erzählen, liegt nicht in meiner Abſicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/213>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.