Indessen liefen der Jäger und sein Wild durch den Eichenkamp nach den Kornfeldern, Triften und Hügeln. Das Wild floh nicht vor dem Schützen, es ließ sich küssen und streicheln; es war ein sehr zahmes Wild geworden. Der Jäger trieb tausend Possen mit dem Wilde, er ringelte die gelben Locken sich um die Finger, und dann küßte er sie, er drückte, wenn die weißen Zähne seines Mädchens zwischen den Lippen zu sehr hervorschie- nen, die Lippen sanft zusammen und sagte, das Gesichtchen sei nicht fertig geworden und er müsse es vollenden. Er faßte das feine Ohrläppchen, und kniff es etwas, doch nicht allzusehr. Dann zupfte er sie auch wohl am Kleide und wendete sich um und that, als habe er es nicht gethan. Solche kindische Possen trieb der erwachsene Mensch.
Immermann's Münchhausen. 3. Th. 8
Achtes Capitel. Eine Idylle in Feld und Buſch.
Indeſſen liefen der Jäger und ſein Wild durch den Eichenkamp nach den Kornfeldern, Triften und Hügeln. Das Wild floh nicht vor dem Schützen, es ließ ſich küſſen und ſtreicheln; es war ein ſehr zahmes Wild geworden. Der Jäger trieb tauſend Poſſen mit dem Wilde, er ringelte die gelben Locken ſich um die Finger, und dann küßte er ſie, er drückte, wenn die weißen Zähne ſeines Mädchens zwiſchen den Lippen zu ſehr hervorſchie- nen, die Lippen ſanft zuſammen und ſagte, das Geſichtchen ſei nicht fertig geworden und er müſſe es vollenden. Er faßte das feine Ohrläppchen, und kniff es etwas, doch nicht allzuſehr. Dann zupfte er ſie auch wohl am Kleide und wendete ſich um und that, als habe er es nicht gethan. Solche kindiſche Poſſen trieb der erwachſene Menſch.
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 8
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0127"n="113"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Achtes Capitel</hi>.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><hirendition="#g">Eine Idylle in Feld und Buſch</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Indeſſen liefen der Jäger und ſein Wild durch<lb/>
den Eichenkamp nach den Kornfeldern, Triften<lb/>
und Hügeln. Das Wild floh nicht vor dem<lb/>
Schützen, es ließ ſich küſſen und ſtreicheln; es war<lb/>
ein ſehr zahmes Wild geworden. Der Jäger trieb<lb/>
tauſend Poſſen mit dem Wilde, er ringelte die<lb/>
gelben Locken ſich um die Finger, und dann küßte<lb/>
er ſie, er drückte, wenn die weißen Zähne ſeines<lb/>
Mädchens zwiſchen den Lippen zu ſehr hervorſchie-<lb/>
nen, die Lippen ſanft zuſammen und ſagte, das<lb/>
Geſichtchen ſei nicht fertig geworden und <hirendition="#g">er</hi> müſſe<lb/>
es vollenden. Er faßte das feine Ohrläppchen,<lb/>
und kniff es etwas, doch nicht allzuſehr. Dann<lb/>
zupfte er ſie auch wohl am Kleide und wendete<lb/>ſich um und that, als habe er es nicht gethan.<lb/>
Solche kindiſche Poſſen trieb der erwachſene Menſch.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 8</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[113/0127]
Achtes Capitel.
Eine Idylle in Feld und Buſch.
Indeſſen liefen der Jäger und ſein Wild durch
den Eichenkamp nach den Kornfeldern, Triften
und Hügeln. Das Wild floh nicht vor dem
Schützen, es ließ ſich küſſen und ſtreicheln; es war
ein ſehr zahmes Wild geworden. Der Jäger trieb
tauſend Poſſen mit dem Wilde, er ringelte die
gelben Locken ſich um die Finger, und dann küßte
er ſie, er drückte, wenn die weißen Zähne ſeines
Mädchens zwiſchen den Lippen zu ſehr hervorſchie-
nen, die Lippen ſanft zuſammen und ſagte, das
Geſichtchen ſei nicht fertig geworden und er müſſe
es vollenden. Er faßte das feine Ohrläppchen,
und kniff es etwas, doch nicht allzuſehr. Dann
zupfte er ſie auch wohl am Kleide und wendete
ſich um und that, als habe er es nicht gethan.
Solche kindiſche Poſſen trieb der erwachſene Menſch.
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 8
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/127>, abgerufen am 26.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.