zur völligen Herrschafft über diese Art sinn- licher Begierden zu bringen, und sie in derselben so zu befestigen, daß auch der niedlichste Anblick, Geruch und Geschmack sie niemahls zu überwinden, zum Miß- brauch zu verführen, und ihnen die Fes- seln einer betrübten Sclaverey anzulegen vermögend gewesen. Hierzu war, wie oben (§. 3.) erwiesen, Ubung von nöthen, durch welche die ersten Menschen zu der Fertigkeit zu bringen, bey keiner sinnlichen Empfindung gleich einen Entschluß zu weh- len oder nicht zu wehlen zu machen, und mit einer zeitigen Uberlegung dabey stehen zu bleiben, und erst reifflich zu untersuchen, ob die Sache auch wahrhafftig gut oder schädlich sey. Wer durch Ubung eine Fertigkeit in einer Handlung erhalten will, der muß selbige vielmahl vornehmen. Sol- ten derowegen die ersten Menschen durch Ubung die Fertigkeit erlangen, bey den an- genehmsten Empfindungen Herren über ih- re Begierden zu bleiben, so war nöthig, daß sie die schönsten und lieblichsten Din- ge öffters ansahen, und dennoch ihre Be- gierden in Zaum hielten, und nichts da- von nahmen. (Siehe §. 2.) Was war also der Güte und Weißheit GOttes ge-
mässer,
zur voͤlligen Herrſchafft uͤber dieſe Art ſinn- licher Begierden zu bringen, und ſie in derſelben ſo zu befeſtigen, daß auch der niedlichſte Anblick, Geruch und Geſchmack ſie niemahls zu uͤberwinden, zum Miß- brauch zu verfuͤhren, und ihnen die Feſ- ſeln einer betruͤbten Sclaverey anzulegen vermoͤgend geweſen. Hierzu war, wie oben (§. 3.) erwieſen, Ubung von noͤthen, durch welche die erſten Menſchen zu der Fertigkeit zu bringen, bey keiner ſinnlichen Empfindung gleich einen Entſchluß zu weh- len oder nicht zu wehlen zu machen, und mit einer zeitigen Uberlegung dabey ſtehen zu bleiben, und erſt reifflich zu unterſuchen, ob die Sache auch wahrhafftig gut oder ſchaͤdlich ſey. Wer durch Ubung eine Fertigkeit in einer Handlung erhalten will, der muß ſelbige vielmahl vornehmen. Sol- ten derowegen die erſten Menſchen durch Ubung die Fertigkeit erlangen, bey den an- genehmſten Empfindungen Herren uͤber ih- re Begierden zu bleiben, ſo war noͤthig, daß ſie die ſchoͤnſten und lieblichſten Din- ge oͤffters anſahen, und dennoch ihre Be- gierden in Zaum hielten, und nichts da- von nahmen. (Siehe §. 2.) Was war alſo der Guͤte und Weißheit GOttes ge-
maͤſſer,
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[223[219]/0255]
zur voͤlligen Herrſchafft uͤber dieſe Art ſinn-
licher Begierden zu bringen, und ſie in
derſelben ſo zu befeſtigen, daß auch der
niedlichſte Anblick, Geruch und Geſchmack
ſie niemahls zu uͤberwinden, zum Miß-
brauch zu verfuͤhren, und ihnen die Feſ-
ſeln einer betruͤbten Sclaverey anzulegen
vermoͤgend geweſen. Hierzu war, wie
oben (§. 3.) erwieſen, Ubung von noͤthen,
durch welche die erſten Menſchen zu der
Fertigkeit zu bringen, bey keiner ſinnlichen
Empfindung gleich einen Entſchluß zu weh-
len oder nicht zu wehlen zu machen, und
mit einer zeitigen Uberlegung dabey ſtehen
zu bleiben, und erſt reifflich zu unterſuchen,
ob die Sache auch wahrhafftig gut oder
ſchaͤdlich ſey. Wer durch Ubung eine
Fertigkeit in einer Handlung erhalten will,
der muß ſelbige vielmahl vornehmen. Sol-
ten derowegen die erſten Menſchen durch
Ubung die Fertigkeit erlangen, bey den an-
genehmſten Empfindungen Herren uͤber ih-
re Begierden zu bleiben, ſo war noͤthig,
daß ſie die ſchoͤnſten und lieblichſten Din-
ge oͤffters anſahen, und dennoch ihre Be-
gierden in Zaum hielten, und nichts da-
von nahmen. (Siehe §. 2.) Was war
alſo der Guͤte und Weißheit GOttes ge-
maͤſſer,
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 223[219]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/255>, abgerufen am 21.05.2024.
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