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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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[122] 198. An Ahlefeldt.

Lieber Alter, der sich daher zwischen 2 Spiegeln pudert! Ich danke
dir für deine nachwehende Liebe, die du noch immer für deinen Mieths-
man hast, dem stets die Zeiten in deinem Hause und Garten magisch5
zurükschimmern werden. -- Die Ehe hat mich vom Briefschreiben
und noch mehr vom Besuchen ganz zurükgezogen. Ich bin, obwohl
ein Dichter, doch seelig durch meine Gegenwart, da ich sie von einer
Seele empfange, die gar keinen moralischen Fehler hat obwohl
andere kleine. Jezt könt' ich in der dümsten todtesten Stadt ausdauern.10
-- Ich habe meine C. nach Bayreuth und Cassel geführt, um sie zu
entzücken. --

Höre, frage doch den Maler v. Haller ob mein Bild eines wird
und wenn; und die Herz nach der Adresse von der Bernard. Apropos!
schreibe doch auf grosse Paquete -- das lezte kostet mich 1 rtl. und15
4 kr. Porto -- "Bücher"; und schicke sie mir mit der reitenden Post --
nicht.*) -- Grüsse den sentimentalen guten mir unvergeslichen
Müller; und sorge für seinen Prozesgang recht ernstlich. Grüsse
alles was mich sonst gegrüsset. Grüsse auch dich und schaffe dir den
[123]Granitpunkt, auf dem man bewegt ohne bewegt zu werden und sei20
recht ernstlich glüklich. Das ist der Wunsch meines Innersten. --

Richter

Kosmeli komt eben zu Fus von halb Frankreich, das er durchzogen,
bei mir an, und wil nach Berlin. Dieser Komet hat doch einen tapfern
festen Kern, troz seines närrischen Schweifs.25

199. An Gräfin Schlabrendorff.
[Kopie]

Apropos den guten Morgen! Der tolle Kosmeli isset bei mir --
komt aus Paris -- hat den Grafen S[chlabrendorff] gesprochen --
und halb Europa dazu -- ist viel besser als er scheint -- scheint aber30
zumal im ebenen Meiningen ein Wildfang -- und bläset die Flöte
wie Minerva und Pan -- sol ich ihn abends mitbringen, diesen Wolf,
ich Lam?

*) Matzdorf hat jezt immer etwas an mich zu spedieren.
[122] 198. An Ahlefeldt.

Lieber Alter, der ſich daher zwiſchen 2 Spiegeln pudert! Ich danke
dir für deine nachwehende Liebe, die du noch immer für deinen Mieths-
man haſt, dem ſtets die Zeiten in deinem Hauſe und Garten magiſch5
zurükſchimmern werden. — Die Ehe hat mich vom Briefſchreiben
und noch mehr vom Beſuchen ganz zurükgezogen. Ich bin, obwohl
ein Dichter, doch ſeelig durch meine Gegenwart, da ich ſie von einer
Seele empfange, die gar keinen moraliſchen Fehler hat obwohl
andere kleine. Jezt könt’ ich in der dümſten todteſten Stadt ausdauern.10
— Ich habe meine C. nach Bayreuth und Cassel geführt, um ſie zu
entzücken. —

Höre, frage doch den Maler v. Haller ob mein Bild eines wird
und wenn; und die Herz nach der Adreſſe von der Bernard. Apropos!
ſchreibe doch auf groſſe Paquete — das lezte koſtet mich 1 rtl. und15
4 kr. Porto — „Bücher“; und ſchicke ſie mir mit der reitenden Poſt —
nicht.*) — Grüſſe den ſentimentalen guten mir unvergeslichen
Müller; und ſorge für ſeinen Prozesgang recht ernſtlich. Grüſſe
alles was mich ſonſt gegrüſſet. Grüſſe auch dich und ſchaffe dir den
[123]Granitpunkt, auf dem man bewegt ohne bewegt zu werden und ſei20
recht ernſtlich glüklich. Das iſt der Wunſch meines Innerſten. —

Richter

Kosmeli komt eben zu Fus von halb Frankreich, das er durchzogen,
bei mir an, und wil nach Berlin. Dieſer Komet hat doch einen tapfern
feſten Kern, troz ſeines närriſchen Schweifs.25

199. An Gräfin Schlabrendorff.
[Kopie]

Apropos den guten Morgen! Der tolle Kosmeli iſſet bei mir —
komt aus Paris — hat den Grafen S[chlabrendorff] geſprochen —
und halb Europa dazu — iſt viel beſſer als er ſcheint — ſcheint aber30
zumal im ebenen Meiningen ein Wildfang — und bläſet die Flöte
wie Minerva und Pan — ſol ich ihn abends mitbringen, dieſen Wolf,
ich Lam?

*) Matzdorf hat jezt immer etwas an mich zu ſpedieren.
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[108/0114] 198. An Ahlefeldt. Meiningen d. 16. Okt. 1801. Lieber Alter, der ſich daher zwiſchen 2 Spiegeln pudert! Ich danke dir für deine nachwehende Liebe, die du noch immer für deinen Mieths- man haſt, dem ſtets die Zeiten in deinem Hauſe und Garten magiſch 5 zurükſchimmern werden. — Die Ehe hat mich vom Briefſchreiben und noch mehr vom Beſuchen ganz zurükgezogen. Ich bin, obwohl ein Dichter, doch ſeelig durch meine Gegenwart, da ich ſie von einer Seele empfange, die gar keinen moraliſchen Fehler hat obwohl andere kleine. Jezt könt’ ich in der dümſten todteſten Stadt ausdauern. 10 — Ich habe meine C. nach Bayreuth und Cassel geführt, um ſie zu entzücken. — Höre, frage doch den Maler v. Haller ob mein Bild eines wird und wenn; und die Herz nach der Adreſſe von der Bernard. Apropos! ſchreibe doch auf groſſe Paquete — das lezte koſtet mich 1 rtl. und 15 4 kr. Porto — „Bücher“; und ſchicke ſie mir mit der reitenden Poſt — nicht. *) — Grüſſe den ſentimentalen guten mir unvergeslichen Müller; und ſorge für ſeinen Prozesgang recht ernſtlich. Grüſſe alles was mich ſonſt gegrüſſet. Grüſſe auch dich und ſchaffe dir den Granitpunkt, auf dem man bewegt ohne bewegt zu werden und ſei 20 recht ernſtlich glüklich. Das iſt der Wunſch meines Innerſten. — [123] Richter Kosmeli komt eben zu Fus von halb Frankreich, das er durchzogen, bei mir an, und wil nach Berlin. Dieſer Komet hat doch einen tapfern feſten Kern, troz ſeines närriſchen Schweifs. 25 199. An Gräfin Schlabrendorff. [Meiningen, 16. Okt. 1801] Apropos den guten Morgen! Der tolle Kosmeli iſſet bei mir — komt aus Paris — hat den Grafen S[chlabrendorff] geſprochen — und halb Europa dazu — iſt viel beſſer als er ſcheint — ſcheint aber 30 zumal im ebenen Meiningen ein Wildfang — und bläſet die Flöte wie Minerva und Pan — ſol ich ihn abends mitbringen, dieſen Wolf, ich Lam? *) Matzdorf hat jezt immer etwas an mich zu ſpedieren.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/114>, abgerufen am 30.04.2024.