meine Sommerkinder geboren habe und der Heidelberg besuchen will, eh' er seinen Sohn da auslernen läßt. Kannst du ihm einen Rath oder einen Rathgeber für seine Fragen geben, so wirst du es gerne thun. -- Ich habe wieder 3 Wochen außer halb meiner Studier- stube verträumt und zwar bei der liebenswerthen Herzogin von5 Kurland und ihren 3 Töchtern. Könnt' ich dir nur in der Kürze die Froh-Abende ohne Gleichen hier herklexen! Und das zwanglose Lust- und Tanz- und Sing- und Sprechleben! Nicht ohne Beifall spielt' ich Blindekuh mit und verlas und machte da einige kleine Arbeiten. Doch erfreuete es mich am meisten, daß ich, als ich mit10 den Fürstinnen und andern -- sogar mit Frau von der Recke -- einige schwer-verwickelte Polonäsen tanzte, in mir den lang ver- steckten Tänzer ertappte. Auch Gelehrte -- denn die Edelleute rechne ich für nichts -- waren in Menge da, Feuerbach, Schink, Mar- heinecke, Tiedge etc.etc. und unter 4 Wochen geht selten einer fort, wie15 denn jene alle noch da hausen.
Es war hübsch; indeß konnte doch nicht einmal Löbichau das erste Heidelberg erreichen und an einen Heinrich war ohnehin nicht zu denken.
Die Herzogin hatte mich durch H. v. Ende und einen kurländi-20 schen Kreismarschall von Firks mit Extrapost holen lassen: sonst wär' ich doch zu Hause geblieben.
Wie will ich dir in der Eile genug antworten? -- Vorgestern kam ich erst zurück. Dein guter Bruder hat mir den Shakespeare ge- schickt, an welchem ich jetzt das erste Stück genieße.*) Letztes ist25 mir ordentlich ein 2tes Original, so sprachgediegen, farbreich und keck ist es deinem Vater gelungen. Wenn er nur nicht zu oft wie ein Ultra das Regierte dem Regierenden nachsetzte! -- Das ganze Buch soll mir ein Nachsommer sein. Dein lieber Brief an meine Frau wurde mir nachgeschickt. Ich mußte ihn der Ende und der Piatoli30 lesen lassen, welche beide in Achtung und Liebe für dich wetteifern. --
Grüße mir wieder die so hart verletzten Paulus, an die ich aus Löbichau geschrieben.
Ich dachte seitdem oft an Sophiens frühere Ahnung, daß sie zu
*) Ich muß auf eine Gelegenheit sinnen, dir den neuen Hesperus, der zu35 Michaelis ganz erscheint, zukommen zu lassen.
meine Sommerkinder geboren habe und der Heidelberg beſuchen will, eh’ er ſeinen Sohn da auslernen läßt. Kannſt du ihm einen Rath oder einen Rathgeber für ſeine Fragen geben, ſo wirſt du es gerne thun. — Ich habe wieder 3 Wochen außer halb meiner Studier- ſtube verträumt und zwar bei der liebenswerthen Herzogin von5 Kurland und ihren 3 Töchtern. Könnt’ ich dir nur in der Kürze die Froh-Abende ohne Gleichen hier herklexen! Und das zwangloſe Luſt- und Tanz- und Sing- und Sprechleben! Nicht ohne Beifall ſpielt’ ich Blindekuh mit und verlas und machte da einige kleine Arbeiten. Doch erfreuete es mich am meiſten, daß ich, als ich mit10 den Fürſtinnen und andern — ſogar mit Frau von der Recke — einige ſchwer-verwickelte Polonäſen tanzte, in mir den lang ver- ſteckten Tänzer ertappte. Auch Gelehrte — denn die Edelleute rechne ich für nichts — waren in Menge da, Feuerbach, Schink, Mar- heinecke, Tiedge ꝛc.ꝛc. und unter 4 Wochen geht ſelten einer fort, wie15 denn jene alle noch da hauſen.
Es war hübſch; indeß konnte doch nicht einmal Löbichau das erſte Heidelberg erreichen und an einen Heinrich war ohnehin nicht zu denken.
Die Herzogin hatte mich durch H. v. Ende und einen kurländi-20 ſchen Kreismarſchall von Firks mit Extrapoſt holen laſſen: ſonſt wär’ ich doch zu Hauſe geblieben.
Wie will ich dir in der Eile genug antworten? — Vorgeſtern kam ich erſt zurück. Dein guter Bruder hat mir den Shakespeare ge- ſchickt, an welchem ich jetzt das erſte Stück genieße.*) Letztes iſt25 mir ordentlich ein 2tes Original, ſo ſprachgediegen, farbreich und keck iſt es deinem Vater gelungen. Wenn er nur nicht zu oft wie ein Ultra das Regierte dem Regierenden nachſetzte! — Das ganze Buch ſoll mir ein Nachſommer ſein. Dein lieber Brief an meine Frau wurde mir nachgeſchickt. Ich mußte ihn der Ende und der Piatoli30 leſen laſſen, welche beide in Achtung und Liebe für dich wetteifern. —
Grüße mir wieder die ſo hart verletzten Paulus, an die ich aus Löbichau geſchrieben.
Ich dachte ſeitdem oft an Sophiens frühere Ahnung, daß ſie zu
*) Ich muß auf eine Gelegenheit ſinnen, dir den neuen Hesperus, der zu35 Michaelis ganz erſcheint, zukommen zu laſſen.
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will, eh’ er ſeinen Sohn da auslernen läßt. Kannſt du ihm einen
Rath oder einen Rathgeber für ſeine Fragen geben, ſo wirſt du es
gerne thun. — Ich habe wieder 3 Wochen außer halb meiner Studier-
ſtube verträumt und zwar bei der liebenswerthen Herzogin von 5
Kurland und ihren 3 Töchtern. Könnt’ ich dir nur in der Kürze die
Froh-Abende ohne Gleichen hier herklexen! Und das zwangloſe
Luſt- und Tanz- und Sing- und Sprechleben! Nicht ohne Beifall
ſpielt’ ich Blindekuh mit und verlas und machte da einige kleine
Arbeiten. Doch erfreuete es mich am meiſten, daß ich, als ich mit 10
den Fürſtinnen und andern — ſogar mit Frau von der Recke —
einige ſchwer-verwickelte Polonäſen tanzte, in mir den lang ver-
ſteckten Tänzer ertappte. Auch Gelehrte — denn die Edelleute rechne
ich für nichts — waren in Menge da, Feuerbach, Schink, Mar-
heinecke, Tiedge ꝛc.ꝛc. und unter 4 Wochen geht ſelten einer fort, wie 15
denn jene alle noch da hauſen.
Es war hübſch; indeß konnte doch nicht einmal Löbichau das erſte
Heidelberg erreichen und an einen Heinrich war ohnehin nicht zu
denken.
Die Herzogin hatte mich durch H. v. Ende und einen kurländi- 20
ſchen Kreismarſchall von Firks mit Extrapoſt holen laſſen: ſonſt
wär’ ich doch zu Hauſe geblieben.
Wie will ich dir in der Eile genug antworten? — Vorgeſtern kam
ich erſt zurück. Dein guter Bruder hat mir den Shakespeare ge-
ſchickt, an welchem ich jetzt das erſte Stück genieße. *) Letztes iſt 25
mir ordentlich ein 2tes Original, ſo ſprachgediegen, farbreich und
keck iſt es deinem Vater gelungen. Wenn er nur nicht zu oft wie ein
Ultra das Regierte dem Regierenden nachſetzte! — Das ganze Buch
ſoll mir ein Nachſommer ſein. Dein lieber Brief an meine Frau
wurde mir nachgeſchickt. Ich mußte ihn der Ende und der Piatoli 30
leſen laſſen, welche beide in Achtung und Liebe für dich wetteifern. —
Grüße mir wieder die ſo hart verletzten Paulus, an die ich aus
Löbichau geſchrieben.
Ich dachte ſeitdem oft an Sophiens frühere Ahnung, daß ſie zu
*) Ich muß auf eine Gelegenheit ſinnen, dir den neuen Hesperus, der zu 35
Michaelis ganz erſcheint, zukommen zu laſſen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/314>, abgerufen am 16.06.2024.
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