nicht als Sünde*). -- Auch hier ist die Vossische Prose ein Gold- barren für den deutschen Sprachschatz, so wie euer Gesammt- Shakespeare uns ihn und die Sprache zugleich erneuert. Sogar in den Noten (z. B. 6465) erfreuet eine neue Übersetzung. Deine Konjekturen für den Text allein setzen schon den besten Übersetzer5 voraus. Nur wollt' ich, im Texte würde immer auf die Noten hinten mit einer kleinen Nummer hingewiesen; denn man schlägt doch lieber die neue Nummer Note nach als den alten Text zurück. Meine ärmlichen Bemerkungen -- obwol auf einem Blättchen angedeutet -- muß ich wieder aufheben, wenn der Brief fortsoll.10 Aber, mein guter Heinrich, wie könnt' ich öffentlich, bei dem Be- wußtsein meines philologischen Abstandes von euch allen, eines Urtheils mich erdreisten? Blos meine Freude über das Beschenken der deutschen Sprache darf ich etwa zeigen; und kann ichs wo, so thu' ichs auch. -- Schämt sich der 3/4 katholische Perthes nicht,15 einen Löwen, der gerade immer Lebendiges angreift, wie ja hier 2 Lebendige oder eine ganze Adelschaft -- und so auch früher -- zu einem Raubthiere des Todten zu machen? -- Dein Vater wird hier nicht einen Richter suchen, sondern selber einen machen. -- Deinem geliebten Bruder bleib' ich zwar die Antwort schuldig, aber wahrlich20 nicht lange. -- Ich antworte jetzo fast niemand mehr, zumal da ich meinem Max immer antworten muß, wozu nun jetzo gar die auf 5 Wochen ausbleibende Frau noch kommt. -- Mein um die Hälfte vermehrtes Büchelchen über die Doppelwörter druckt nun Cotta. Der philologische Koloß in den germanischen Sprachen -- Grimm25 -- vor dessen Sprachenkunde und Sprachgeist ich mich willig beuge, hat mir doch sein Widerlegen unerwartet erleichtert. Du wirsts sehen. So auch, aber doch weniger, Thiersch, der geistige Wol- thäter meines Sohns. -- Eine Dlle Zimmern aus H[eidelberg] schrieb schön an mich, aber unbeantwortet; was ist sie? Verbirg30 aber diese Frage. -- Allen den geliebten Mädchen neben Sophie D[apping], die im August äußerlich um meinen Schatten tanzten, und innerlich um wärmere nähere Wesen, bringe meinen heissesten Dank, um dessen Überbringen ich dich freilich beneide. -- Der Hesperus reiset noch auf der Schneckenpost der Buchhändlergele-35
*)Paulus führt sein Schwert treffend gegen den Pharisäer-Papisten. Alle meine lieben Paulus grüßt mein Herz.
nicht als Sünde*). — Auch hier iſt die Voſſiſche Proſe ein Gold- barren für den deutſchen Sprachſchatz, ſo wie euer Geſammt- Shakeſpeare uns ihn und die Sprache zugleich erneuert. Sogar in den Noten (z. B. 6465) erfreuet eine neue Überſetzung. Deine Konjekturen für den Text allein ſetzen ſchon den beſten Überſetzer5 voraus. Nur wollt’ ich, im Texte würde immer auf die Noten hinten mit einer kleinen Nummer hingewieſen; denn man ſchlägt doch lieber die neue Nummer 〈Note〉 nach als den alten Text zurück. Meine ärmlichen Bemerkungen — obwol auf einem Blättchen angedeutet — muß ich wieder aufheben, wenn der Brief fortſoll.10 Aber, mein guter Heinrich, wie könnt’ ich öffentlich, bei dem Be- wußtſein meines philologiſchen Abſtandes von euch allen, eines Urtheils mich erdreiſten? Blos meine Freude über das Beſchenken der deutſchen Sprache darf ich etwa zeigen; und kann ichs wo, ſo thu’ ichs auch. — Schämt ſich der ¾ katholiſche Perthes nicht,15 einen Löwen, der gerade immer Lebendiges angreift, wie ja hier 2 Lebendige oder eine ganze Adelſchaft — und ſo auch früher — zu einem Raubthiere des Todten zu machen? — Dein Vater wird hier nicht einen Richter ſuchen, ſondern ſelber einen machen. — Deinem geliebten Bruder bleib’ ich zwar die Antwort ſchuldig, aber wahrlich20 nicht lange. — Ich antworte jetzo faſt niemand mehr, zumal da ich meinem Max immer antworten muß, wozu nun jetzo gar die auf 5 Wochen ausbleibende Frau noch kommt. — Mein um die Hälfte vermehrtes Büchelchen über die Doppelwörter druckt nun Cotta. Der philologiſche Koloß in den germaniſchen Sprachen — Grimm25 — vor deſſen Sprachenkunde und Sprachgeiſt ich mich willig beuge, hat mir doch ſein Widerlegen unerwartet erleichtert. Du wirſts ſehen. So auch, aber doch weniger, Thierſch, der geiſtige Wol- thäter meines Sohns. — Eine Dlle Zimmern aus H[eidelberg] ſchrieb ſchön an mich, aber unbeantwortet; was iſt ſie? Verbirg30 aber dieſe Frage. — Allen den geliebten Mädchen neben Sophie D[apping], die im Auguſt äußerlich um meinen Schatten tanzten, und innerlich um wärmere nähere Weſen, bringe meinen heiſſeſten Dank, um deſſen Überbringen ich dich freilich beneide. — Der Hesperus reiſet noch auf der Schneckenpoſt der Buchhändlergele-35
*)Paulus führt ſein Schwert treffend gegen den Phariſäer-Papiſten. Alle meine lieben Paulus grüßt mein Herz.
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barren für den deutſchen Sprachſchatz, ſo wie euer Geſammt-
Shakeſpeare uns ihn und die Sprache zugleich erneuert. Sogar in
den Noten (z. B. 6465) erfreuet eine neue Überſetzung. Deine
Konjekturen für den Text allein ſetzen ſchon den beſten Überſetzer 5
voraus. Nur wollt’ ich, im Texte würde immer auf die Noten
hinten mit einer kleinen Nummer hingewieſen; denn man ſchlägt
doch lieber die neue Nummer 〈Note〉 nach als den alten Text zurück.
Meine ärmlichen Bemerkungen — obwol auf einem Blättchen
angedeutet — muß ich wieder aufheben, wenn der Brief fortſoll. 10
Aber, mein guter Heinrich, wie könnt’ ich öffentlich, bei dem Be-
wußtſein meines philologiſchen Abſtandes von euch allen, eines
Urtheils mich erdreiſten? Blos meine Freude über das Beſchenken
der deutſchen Sprache darf ich etwa zeigen; und kann ichs wo,
ſo thu’ ichs auch. — Schämt ſich der ¾ katholiſche Perthes nicht, 15
einen Löwen, der gerade immer Lebendiges angreift, wie ja hier
2 Lebendige oder eine ganze Adelſchaft — und ſo auch früher — zu
einem Raubthiere des Todten zu machen? — Dein Vater wird hier
nicht einen Richter ſuchen, ſondern ſelber einen machen. — Deinem
geliebten Bruder bleib’ ich zwar die Antwort ſchuldig, aber wahrlich 20
nicht lange. — Ich antworte jetzo faſt niemand mehr, zumal da ich
meinem Max immer antworten muß, wozu nun jetzo gar die auf
5 Wochen ausbleibende Frau noch kommt. — Mein um die Hälfte
vermehrtes Büchelchen über die Doppelwörter druckt nun Cotta.
Der philologiſche Koloß in den germaniſchen Sprachen — Grimm 25
— vor deſſen Sprachenkunde und Sprachgeiſt ich mich willig beuge,
hat mir doch ſein Widerlegen unerwartet erleichtert. Du wirſts
ſehen. So auch, aber doch weniger, Thierſch, der geiſtige Wol-
thäter meines Sohns. — Eine Dlle Zimmern aus H[eidelberg]
ſchrieb ſchön an mich, aber unbeantwortet; was iſt ſie? Verbirg 30
aber dieſe Frage. — Allen den geliebten Mädchen neben Sophie
D[apping], die im Auguſt äußerlich um meinen Schatten tanzten,
und innerlich um wärmere nähere Weſen, bringe meinen heiſſeſten
Dank, um deſſen Überbringen ich dich freilich beneide. — Der
Hesperus reiſet noch auf der Schneckenpoſt der Buchhändlergele- 35
*) Paulus führt ſein Schwert treffend gegen den Phariſäer-Papiſten. Alle
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/329>, abgerufen am 15.06.2024.
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