Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Die zweite der oben (S. 104) genannten beiden Klassen von Defensionsklagen soll, wie bereits bemerkt, hier nur so weit erör- tert werden, um sie von der so eben betrachteten zu unterscheiden.
Ihre Aehnlichkeit liegt in dem angegebenen Moment des Defensionszweckes, ihre Verschiedenheit darin, einmal daß dieser Zweck nicht ihre ausschließliche Bestimmung bildet, ihr Ge- biet und ihre Function erstreckt sich vielmehr ungleich weiter, und sodann daß sie auch in jener Richtung die exceptio nicht in der Weise ersetzt und überflüssig macht, wie es die Strafklage that. Dem Kläger, der sich der Rücksicht auf sie entschlägt, droht keine Strafe, die einzige Folge die ihn trifft, ist die Verpflichtung zur Zurückgabe -- eine Folge, derentwegen er nicht vor An- stellung der Klage zurückzuschrecken braucht, um so weniger, da es immer noch fraglich bleibt, ob der Beklagte sich der Klage wirklich bedienen wird.
In allen den Fällen, in denen sie Statt findet, gibt das neuere Recht dem Beklagten eine exceptio (Note 39), die Klage ist daher in dieser Richtung d. h. als Surrogat für die exceptio überflüssig geworden. Ein Gleiches aber läßt sich für das ältere Recht, insoweit es diese Klagen kannte, nicht behaupten, und wenn man sonst nicht von der Voraussetzung ausgeht, die ich nicht theilen kann, daß alle jene Klagen (z. B. auch die Con- dictionen) erst der späteren Zeit des Formularprocesses angehö- ren, so gelangt man zu dem Schluß, daß der ältere Proceß, so lange er noch an dem Grundsatz: ein Proceß eine Frage fest- hielt und die Exceptionen ausschloß, denselben Zweck, für den das neuere den Weg der Klage und der Einrede öffnet, lediglich in Form der Klage verfolgt hat. Dieser Weg entspricht ganz dem, was wir im übrigen vom älteren Recht wissen, und zwar nicht etwa bloß insofern, als er im Vergleich zu dem kürzeren Wege der exceptio ein Umweg, letzterer aber historisch überall der frühere ist, 165) sondern auch insofern, als er in vielen Fällen
165) Nicht selten stellt man sich das Verhältniß beider Rechtsmittel zu
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Die zweite der oben (S. 104) genannten beiden Klaſſen von Defenſionsklagen ſoll, wie bereits bemerkt, hier nur ſo weit erör- tert werden, um ſie von der ſo eben betrachteten zu unterſcheiden.
Ihre Aehnlichkeit liegt in dem angegebenen Moment des Defenſionszweckes, ihre Verſchiedenheit darin, einmal daß dieſer Zweck nicht ihre ausſchließliche Beſtimmung bildet, ihr Ge- biet und ihre Function erſtreckt ſich vielmehr ungleich weiter, und ſodann daß ſie auch in jener Richtung die exceptio nicht in der Weiſe erſetzt und überflüſſig macht, wie es die Strafklage that. Dem Kläger, der ſich der Rückſicht auf ſie entſchlägt, droht keine Strafe, die einzige Folge die ihn trifft, iſt die Verpflichtung zur Zurückgabe — eine Folge, derentwegen er nicht vor An- ſtellung der Klage zurückzuſchrecken braucht, um ſo weniger, da es immer noch fraglich bleibt, ob der Beklagte ſich der Klage wirklich bedienen wird.
In allen den Fällen, in denen ſie Statt findet, gibt das neuere Recht dem Beklagten eine exceptio (Note 39), die Klage iſt daher in dieſer Richtung d. h. als Surrogat für die exceptio überflüſſig geworden. Ein Gleiches aber läßt ſich für das ältere Recht, inſoweit es dieſe Klagen kannte, nicht behaupten, und wenn man ſonſt nicht von der Vorausſetzung ausgeht, die ich nicht theilen kann, daß alle jene Klagen (z. B. auch die Con- dictionen) erſt der ſpäteren Zeit des Formularproceſſes angehö- ren, ſo gelangt man zu dem Schluß, daß der ältere Proceß, ſo lange er noch an dem Grundſatz: ein Proceß eine Frage feſt- hielt und die Exceptionen ausſchloß, denſelben Zweck, für den das neuere den Weg der Klage und der Einrede öffnet, lediglich in Form der Klage verfolgt hat. Dieſer Weg entſpricht ganz dem, was wir im übrigen vom älteren Recht wiſſen, und zwar nicht etwa bloß inſofern, als er im Vergleich zu dem kürzeren Wege der exceptio ein Umweg, letzterer aber hiſtoriſch überall der frühere iſt, 165) ſondern auch inſofern, als er in vielen Fällen
165) Nicht ſelten ſtellt man ſich das Verhältniß beider Rechtsmittel zu
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Die zweite der oben (S. 104) genannten beiden Klaſſen von
Defenſionsklagen ſoll, wie bereits bemerkt, hier nur ſo weit erör-
tert werden, um ſie von der ſo eben betrachteten zu unterſcheiden.
Ihre Aehnlichkeit liegt in dem angegebenen Moment des
Defenſionszweckes, ihre Verſchiedenheit darin, einmal daß dieſer
Zweck nicht ihre ausſchließliche Beſtimmung bildet, ihr Ge-
biet und ihre Function erſtreckt ſich vielmehr ungleich weiter, und
ſodann daß ſie auch in jener Richtung die exceptio nicht in
der Weiſe erſetzt und überflüſſig macht, wie es die Strafklage
that. Dem Kläger, der ſich der Rückſicht auf ſie entſchlägt, droht
keine Strafe, die einzige Folge die ihn trifft, iſt die Verpflichtung
zur Zurückgabe — eine Folge, derentwegen er nicht vor An-
ſtellung der Klage zurückzuſchrecken braucht, um ſo weniger, da
es immer noch fraglich bleibt, ob der Beklagte ſich der Klage
wirklich bedienen wird.
In allen den Fällen, in denen ſie Statt findet, gibt das
neuere Recht dem Beklagten eine exceptio (Note 39), die Klage
iſt daher in dieſer Richtung d. h. als Surrogat für die exceptio
überflüſſig geworden. Ein Gleiches aber läßt ſich für das ältere
Recht, inſoweit es dieſe Klagen kannte, nicht behaupten, und
wenn man ſonſt nicht von der Vorausſetzung ausgeht, die ich
nicht theilen kann, daß alle jene Klagen (z. B. auch die Con-
dictionen) erſt der ſpäteren Zeit des Formularproceſſes angehö-
ren, ſo gelangt man zu dem Schluß, daß der ältere Proceß, ſo
lange er noch an dem Grundſatz: ein Proceß eine Frage feſt-
hielt und die Exceptionen ausſchloß, denſelben Zweck, für den
das neuere den Weg der Klage und der Einrede öffnet, lediglich
in Form der Klage verfolgt hat. Dieſer Weg entſpricht ganz
dem, was wir im übrigen vom älteren Recht wiſſen, und zwar
nicht etwa bloß inſofern, als er im Vergleich zu dem kürzeren
Wege der exceptio ein Umweg, letzterer aber hiſtoriſch überall
der frühere iſt, 165) ſondern auch inſofern, als er in vielen Fällen
165) Nicht ſelten ſtellt man ſich das Verhältniß beider Rechtsmittel zu
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/134>, abgerufen am 14.06.2024.
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