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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Galerien.
Murillo und Zurbaran, in unserm Jahrhundert, und meist in Lon-
don, auf dem Markt erschienen sind, obwol bei den Liebhabern
Englands schon im vorigen Jahrhundert der Geschmack an den
Spaniern verbreitet war, obwohl englische Maler wie Wilkie, Bur-
net die Geistesverwandtschaft zwischen Velazquez und den briti-
schen Porträtisten bemerkt hatten, und diess die einzigen grossen
Maler waren, die noch zu haben waren, auch englische Schrift-
steller zuerst ihren Werth aller Welt veranschaulicht hatten: so
schien es doch nicht in den Sternen geschrieben zu sein, dass
Bilder der britischen Nationalgalerie zur Zierde gereichen sollten,
die wie wenige sich im Stande gezeigt haben, auch der Kunst
der Gegenwart zu denken zu geben, und nicht bloss einer
historischen Liebhaberei des Tages dienen, um später einmal
die Magazine zu füllen. Man stelle sich eine Generalausstellung
der in England zerstreuten Velazquez vor, wie die in Man-
chester war1), und der Gedanke drängt sich auf, dass London
eine spanische Galerie hätte haben können, die mit der von Ma-
drid wetteifern möchte.

Indessen ist es auf dem Kontinent nicht besser gegangen.
Die Galerie des Louvre hat eine ebenfalls sehr gleichgültige
Wiederholung des königlichen Jägers, ein Atelierbild und eine
kleine Skizze; die Ermitage mit Ausnahme einer Wiederholung
des Pabstkopfs lauter zweifelhafte Stücke. Alle echten guten
Bilder stammen aus altem Erbe und sind meist erst von
Kennern wieder entdeckt worden; das Dutzend Bildnisse des
Belvedere, die drei Modenesischen der Dresdener Galerie; auch
die Münchener Pinakothek besitzt fast blos den einen Olivares
aus dem Schlosse zu Schleissheim. Handzeichnungen sind sehr
selten; nur in die Sammlung der Nationalbibliothek zu Madrid
kamen einige aus dem Nachlass Valentin Carderera's; und sehr
merkwürdige finden sich in der von Cean Bermudez dem Instituto
Asturiano seiner Vaterstadt Gijon vermachten Sammlung.


1) Aucun musee, excepte le musee de Madrid, n'offre une aussi splendide
collection de leurs tableaux (Velazquez et Murillo). W. Burger, Tresors d'art en
Angleterre. Bruxelles 1860.

Die Galerien.
Murillo und Zurbaran, in unserm Jahrhundert, und meist in Lon-
don, auf dem Markt erschienen sind, obwol bei den Liebhabern
Englands schon im vorigen Jahrhundert der Geschmack an den
Spaniern verbreitet war, obwohl englische Maler wie Wilkie, Bur-
net die Geistesverwandtschaft zwischen Velazquez und den briti-
schen Porträtisten bemerkt hatten, und diess die einzigen grossen
Maler waren, die noch zu haben waren, auch englische Schrift-
steller zuerst ihren Werth aller Welt veranschaulicht hatten: so
schien es doch nicht in den Sternen geschrieben zu sein, dass
Bilder der britischen Nationalgalerie zur Zierde gereichen sollten,
die wie wenige sich im Stande gezeigt haben, auch der Kunst
der Gegenwart zu denken zu geben, und nicht bloss einer
historischen Liebhaberei des Tages dienen, um später einmal
die Magazine zu füllen. Man stelle sich eine Generalausstellung
der in England zerstreuten Velazquez vor, wie die in Man-
chester war1), und der Gedanke drängt sich auf, dass London
eine spanische Galerie hätte haben können, die mit der von Ma-
drid wetteifern möchte.

Indessen ist es auf dem Kontinent nicht besser gegangen.
Die Galerie des Louvre hat eine ebenfalls sehr gleichgültige
Wiederholung des königlichen Jägers, ein Atelierbild und eine
kleine Skizze; die Ermitage mit Ausnahme einer Wiederholung
des Pabstkopfs lauter zweifelhafte Stücke. Alle echten guten
Bilder stammen aus altem Erbe und sind meist erst von
Kennern wieder entdeckt worden; das Dutzend Bildnisse des
Belvedere, die drei Modenesischen der Dresdener Galerie; auch
die Münchener Pinakothek besitzt fast blos den einen Olivares
aus dem Schlosse zu Schleissheim. Handzeichnungen sind sehr
selten; nur in die Sammlung der Nationalbibliothek zu Madrid
kamen einige aus dem Nachlass Valentin Carderera’s; und sehr
merkwürdige finden sich in der von Cean Bermudez dem Instituto
Asturiano seiner Vaterstadt Gijon vermachten Sammlung.


1) Aucun musée, excepté le musée de Madrid, n’offre une aussi splendide
collection de leurs tableaux (Velazquez et Murillo). W. Burger, Trésors d’art en
Angleterre. Bruxelles 1860.
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[13/0033] Die Galerien. Murillo und Zurbaran, in unserm Jahrhundert, und meist in Lon- don, auf dem Markt erschienen sind, obwol bei den Liebhabern Englands schon im vorigen Jahrhundert der Geschmack an den Spaniern verbreitet war, obwohl englische Maler wie Wilkie, Bur- net die Geistesverwandtschaft zwischen Velazquez und den briti- schen Porträtisten bemerkt hatten, und diess die einzigen grossen Maler waren, die noch zu haben waren, auch englische Schrift- steller zuerst ihren Werth aller Welt veranschaulicht hatten: so schien es doch nicht in den Sternen geschrieben zu sein, dass Bilder der britischen Nationalgalerie zur Zierde gereichen sollten, die wie wenige sich im Stande gezeigt haben, auch der Kunst der Gegenwart zu denken zu geben, und nicht bloss einer historischen Liebhaberei des Tages dienen, um später einmal die Magazine zu füllen. Man stelle sich eine Generalausstellung der in England zerstreuten Velazquez vor, wie die in Man- chester war 1), und der Gedanke drängt sich auf, dass London eine spanische Galerie hätte haben können, die mit der von Ma- drid wetteifern möchte. Indessen ist es auf dem Kontinent nicht besser gegangen. Die Galerie des Louvre hat eine ebenfalls sehr gleichgültige Wiederholung des königlichen Jägers, ein Atelierbild und eine kleine Skizze; die Ermitage mit Ausnahme einer Wiederholung des Pabstkopfs lauter zweifelhafte Stücke. Alle echten guten Bilder stammen aus altem Erbe und sind meist erst von Kennern wieder entdeckt worden; das Dutzend Bildnisse des Belvedere, die drei Modenesischen der Dresdener Galerie; auch die Münchener Pinakothek besitzt fast blos den einen Olivares aus dem Schlosse zu Schleissheim. Handzeichnungen sind sehr selten; nur in die Sammlung der Nationalbibliothek zu Madrid kamen einige aus dem Nachlass Valentin Carderera’s; und sehr merkwürdige finden sich in der von Cean Bermudez dem Instituto Asturiano seiner Vaterstadt Gijon vermachten Sammlung. 1) Aucun musée, excepté le musée de Madrid, n’offre une aussi splendide collection de leurs tableaux (Velazquez et Murillo). W. Burger, Trésors d’art en Angleterre. Bruxelles 1860.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/33>, abgerufen am 30.04.2024.