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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
die letztern als Mittelpunkt von sechs Perlenrosetten. Zur Linken
dringen durch die Thür Licht und Luft eines Parks, man sieht
Treppenbaluster, eine rothe Wand mit Nische und Büste, Pap-
peln. An den Sessel ist ein Kapuzineräffchen gebunden. --

Als Philipp IV starb, war sein einziges Söhnchen kaum vier
Jahre alt. So fiel der unberufensten aller spanischen Königinnen
die Regentschaft zu, und ihr Name verwebte sich mit den Tagen
tiefster Erniedrigung des Staats, dem sie auch noch etwas vom
Regiment des Unterrocks und der Kutte zu kosten gegeben
hat. Und da sie auch nach vorübergehender Beseitigung bald
wieder als einflussreiche Königin Mutter auftauchte, so fehlt es
nicht an zahlreichen Bildnissen in der ernsten klösterlichen Tracht
der königlichen Witwen. Diese Bildnisse vergegenwärtigen uns
auch das Innere des untergegangnen alten Schlosses, mit seinen
halbdunklen Zimmern, dem Lichteinfall durch Nebenräume und
Korridore, den hohen Spiegeln in schweren adlerumspannten
Goldrahmen, den dichtgehängten Oelgemälden in schwarzen Eben-
holzrahmen, den Marmortischen mit den vergoldeten Bronzelöwen,
die noch immer die Tatze auf die Erdkugel legen und den an-
tiken Statuen, -- also die von Velazquez herrührende Ausstattung.

Marianne ist fast immer sitzend dargestellt, im Lehnsessel,
in schwarz und weiss wie eine Aebtissin. So in dem Gemälde
Juan Bautista del Mazo's in Castle Howard, als dreiunddreissig-
jährige Regentin. Der aufgeblähte Kleidertand ist gefallen,
die Juwelen und Perlen im Schrein geborgen, die künstlichen
"Nelken" abgewaschen, das blonde Haar und der feine Hals
unter dem enganschliessenden Witwenkopftuch und schweren
schwarzen Schleier für immer begraben. Auch aus der Um-
gebung sind die Farben entwichen; ein trübes Gelb und Braun
bestreitet alle Kosten dieses monoton gemalten Bildes, die Blu-
men des gelben Vorhangs sind schwarz. Sie hält einen Brief,
auf welchen man den Namen Juan Bapta. de Mazo (nicht Maino)
und das Jahr 1668 liest. Aber was will da der tanzende Faun
der Tribuna, dessen grinsender Kopf hinter dem Vorhang ver-
borgen ist?! Links öffnet sich ein helles Zimmer, darin eine
Gruppe, ähnlich den Meninas. Derjenige, für welchen sie zur
Zeit das Steuer der Monarchie hält, steht hier umgeben von
Zwergen und Nonnen, deren eine ihn am Gängelband hält. Eine
Dame überreicht ihm das rothe Schälchen (bucaro).

Auf Mazo folgte Carrenno. Von ihm ist das Bildniss in
der Galerie Harrach zu Wien, ein Geschenk an den kaiser-

Siebentes Buch.
die letztern als Mittelpunkt von sechs Perlenrosetten. Zur Linken
dringen durch die Thür Licht und Luft eines Parks, man sieht
Treppenbaluster, eine rothe Wand mit Nische und Büste, Pap-
peln. An den Sessel ist ein Kapuzineräffchen gebunden. —

Als Philipp IV starb, war sein einziges Söhnchen kaum vier
Jahre alt. So fiel der unberufensten aller spanischen Königinnen
die Regentschaft zu, und ihr Name verwebte sich mit den Tagen
tiefster Erniedrigung des Staats, dem sie auch noch etwas vom
Regiment des Unterrocks und der Kutte zu kosten gegeben
hat. Und da sie auch nach vorübergehender Beseitigung bald
wieder als einflussreiche Königin Mutter auftauchte, so fehlt es
nicht an zahlreichen Bildnissen in der ernsten klösterlichen Tracht
der königlichen Witwen. Diese Bildnisse vergegenwärtigen uns
auch das Innere des untergegangnen alten Schlosses, mit seinen
halbdunklen Zimmern, dem Lichteinfall durch Nebenräume und
Korridore, den hohen Spiegeln in schweren adlerumspannten
Goldrahmen, den dichtgehängten Oelgemälden in schwarzen Eben-
holzrahmen, den Marmortischen mit den vergoldeten Bronzelöwen,
die noch immer die Tatze auf die Erdkugel legen und den an-
tiken Statuen, — also die von Velazquez herrührende Ausstattung.

Marianne ist fast immer sitzend dargestellt, im Lehnsessel,
in schwarz und weiss wie eine Aebtissin. So in dem Gemälde
Juan Bautista del Mazo’s in Castle Howard, als dreiunddreissig-
jährige Regentin. Der aufgeblähte Kleidertand ist gefallen,
die Juwelen und Perlen im Schrein geborgen, die künstlichen
„Nelken“ abgewaschen, das blonde Haar und der feine Hals
unter dem enganschliessenden Witwenkopftuch und schweren
schwarzen Schleier für immer begraben. Auch aus der Um-
gebung sind die Farben entwichen; ein trübes Gelb und Braun
bestreitet alle Kosten dieses monoton gemalten Bildes, die Blu-
men des gelben Vorhangs sind schwarz. Sie hält einen Brief,
auf welchen man den Namen Juan Bapta. de Mazo (nicht Maino)
und das Jahr 1668 liest. Aber was will da der tanzende Faun
der Tribuna, dessen grinsender Kopf hinter dem Vorhang ver-
borgen ist?! Links öffnet sich ein helles Zimmer, darin eine
Gruppe, ähnlich den Meninas. Derjenige, für welchen sie zur
Zeit das Steuer der Monarchie hält, steht hier umgeben von
Zwergen und Nonnen, deren eine ihn am Gängelband hält. Eine
Dame überreicht ihm das rothe Schälchen (bucaro).

Auf Mazo folgte Carreño. Von ihm ist das Bildniss in
der Galerie Harrach zu Wien, ein Geschenk an den kaiser-

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[294/0314] Siebentes Buch. die letztern als Mittelpunkt von sechs Perlenrosetten. Zur Linken dringen durch die Thür Licht und Luft eines Parks, man sieht Treppenbaluster, eine rothe Wand mit Nische und Büste, Pap- peln. An den Sessel ist ein Kapuzineräffchen gebunden. — Als Philipp IV starb, war sein einziges Söhnchen kaum vier Jahre alt. So fiel der unberufensten aller spanischen Königinnen die Regentschaft zu, und ihr Name verwebte sich mit den Tagen tiefster Erniedrigung des Staats, dem sie auch noch etwas vom Regiment des Unterrocks und der Kutte zu kosten gegeben hat. Und da sie auch nach vorübergehender Beseitigung bald wieder als einflussreiche Königin Mutter auftauchte, so fehlt es nicht an zahlreichen Bildnissen in der ernsten klösterlichen Tracht der königlichen Witwen. Diese Bildnisse vergegenwärtigen uns auch das Innere des untergegangnen alten Schlosses, mit seinen halbdunklen Zimmern, dem Lichteinfall durch Nebenräume und Korridore, den hohen Spiegeln in schweren adlerumspannten Goldrahmen, den dichtgehängten Oelgemälden in schwarzen Eben- holzrahmen, den Marmortischen mit den vergoldeten Bronzelöwen, die noch immer die Tatze auf die Erdkugel legen und den an- tiken Statuen, — also die von Velazquez herrührende Ausstattung. Marianne ist fast immer sitzend dargestellt, im Lehnsessel, in schwarz und weiss wie eine Aebtissin. So in dem Gemälde Juan Bautista del Mazo’s in Castle Howard, als dreiunddreissig- jährige Regentin. Der aufgeblähte Kleidertand ist gefallen, die Juwelen und Perlen im Schrein geborgen, die künstlichen „Nelken“ abgewaschen, das blonde Haar und der feine Hals unter dem enganschliessenden Witwenkopftuch und schweren schwarzen Schleier für immer begraben. Auch aus der Um- gebung sind die Farben entwichen; ein trübes Gelb und Braun bestreitet alle Kosten dieses monoton gemalten Bildes, die Blu- men des gelben Vorhangs sind schwarz. Sie hält einen Brief, auf welchen man den Namen Juan Bapta. de Mazo (nicht Maino) und das Jahr 1668 liest. Aber was will da der tanzende Faun der Tribuna, dessen grinsender Kopf hinter dem Vorhang ver- borgen ist?! Links öffnet sich ein helles Zimmer, darin eine Gruppe, ähnlich den Meninas. Derjenige, für welchen sie zur Zeit das Steuer der Monarchie hält, steht hier umgeben von Zwergen und Nonnen, deren eine ihn am Gängelband hält. Eine Dame überreicht ihm das rothe Schälchen (bucaro). Auf Mazo folgte Carreño. Von ihm ist das Bildniss in der Galerie Harrach zu Wien, ein Geschenk an den kaiser-

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/314>, abgerufen am 30.04.2024.