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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VII. Der Verlagsvertrag. §. 35. Auflösung.
gründe ist eine vollkommen freie. Sie können lediglich sub-
jectiver Natur sein, also in Gewissensbedenken, oder in per-
sönlichen Rücksichten bestehen, wenn nur diese subjectiven
Hindernisse ausreichend erscheinen, um vom Standpuncte des
Verfassers aus den Rücktritt vom Vertrage zu motiviren. Es
steht daher nicht in dem Belieben des Verfassers, ohne Grund,
oder aus bloss vorgeschützten Gründen, von dem Verlagsver-
trage zurückzutreten 1). Ebenso steht ihm diese Befugniss nur
bis zur erfolgten Veröffentlichung zu. Ist einmal
mit der Veröffentlichung der Anfang gemacht, so kann von
der Absicht, das Werk nicht herauszugeben, also von der An-
wendung des §. 1005 nicht mehr die Rede sein. Der Verfasser
kann deshalb auch nicht gegen vollständigen Ersatz der Druck-
kosten die weitere Verbreitung hindern. Dies gilt auch von
den neuen Auflagen, auf welche dem Verleger ein vertrags-
mässiges Recht eingeräumt ist. Der Verfasser kann daher
nicht die Veranstaltung einer zweiten Auflage seines Werkes
aus dem Grunde untersagen, weil er inzwischen seine Religion
gewechselt oder ein Staatsamt erhalten hat, obgleich derartige
Umstände ihn vielleicht berechtigt haben würden, die erste
Herausgabe des noch nicht veröffentlichten Werkes zu in-
hibiren.

Die vorstehenden Grundsätze des Preussischen Rechtes
werden auch für das Gebiet des Gemeinen Rechtes als geltend
anerkannt. Wenn indess Wächter (Das Verlagsrecht Th. I
S. 390) den Verfasser für den Fall des berechtigten Rücktrittes
nicht zum Ersatze des Aufwandes verpflichtet erachtet, welchen
der Verleger bis dahin für den Druck gemacht hatte, so ist
dem nicht beizutreten. Die Umstände, welche den Verfasser
bewegen, von der versprochenen Herausgabe Abstand zu neh-
men, sind Zufälligkeiten, die sich in seiner Person ereignen,
deren vermögensrechtliche Folgen daher der Verfasser tragen

sprochene Werk innerhalb Jahresfrist nach dem Rücktritte ohne Vor-
wissen und Einwilligung desselben in einem andern Verlage oder auf
eigene Rechnung heraus, so muss er dem ersten Verleger auch für den
entgangenen Gewinn gerecht werden.
1) Bluntschli, Anmerkungen zum Zürcher Gesetzbuche Bd. 3 S. 507.
"Nicht der Vorwand, sondern die wirkliche Behinderungsursache wirkt
befreiend."

VII. Der Verlagsvertrag. §. 35. Auflösung.
gründe ist eine vollkommen freie. Sie können lediglich sub-
jectiver Natur sein, also in Gewissensbedenken, oder in per-
sönlichen Rücksichten bestehen, wenn nur diese subjectiven
Hindernisse ausreichend erscheinen, um vom Standpuncte des
Verfassers aus den Rücktritt vom Vertrage zu motiviren. Es
steht daher nicht in dem Belieben des Verfassers, ohne Grund,
oder aus bloss vorgeschützten Gründen, von dem Verlagsver-
trage zurückzutreten 1). Ebenso steht ihm diese Befugniss nur
bis zur erfolgten Veröffentlichung zu. Ist einmal
mit der Veröffentlichung der Anfang gemacht, so kann von
der Absicht, das Werk nicht herauszugeben, also von der An-
wendung des §. 1005 nicht mehr die Rede sein. Der Verfasser
kann deshalb auch nicht gegen vollständigen Ersatz der Druck-
kosten die weitere Verbreitung hindern. Dies gilt auch von
den neuen Auflagen, auf welche dem Verleger ein vertrags-
mässiges Recht eingeräumt ist. Der Verfasser kann daher
nicht die Veranstaltung einer zweiten Auflage seines Werkes
aus dem Grunde untersagen, weil er inzwischen seine Religion
gewechselt oder ein Staatsamt erhalten hat, obgleich derartige
Umstände ihn vielleicht berechtigt haben würden, die erste
Herausgabe des noch nicht veröffentlichten Werkes zu in-
hibiren.

Die vorstehenden Grundsätze des Preussischen Rechtes
werden auch für das Gebiet des Gemeinen Rechtes als geltend
anerkannt. Wenn indess Wächter (Das Verlagsrecht Th. I
S. 390) den Verfasser für den Fall des berechtigten Rücktrittes
nicht zum Ersatze des Aufwandes verpflichtet erachtet, welchen
der Verleger bis dahin für den Druck gemacht hatte, so ist
dem nicht beizutreten. Die Umstände, welche den Verfasser
bewegen, von der versprochenen Herausgabe Abstand zu neh-
men, sind Zufälligkeiten, die sich in seiner Person ereignen,
deren vermögensrechtliche Folgen daher der Verfasser tragen

sprochene Werk innerhalb Jahresfrist nach dem Rücktritte ohne Vor-
wissen und Einwilligung desselben in einem andern Verlage oder auf
eigene Rechnung heraus, so muss er dem ersten Verleger auch für den
entgangenen Gewinn gerecht werden.
1) Bluntschli, Anmerkungen zum Zürcher Gesetzbuche Bd. 3 S. 507.
»Nicht der Vorwand, sondern die wirkliche Behinderungsursache wirkt
befreiend.«
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[366/0382] VII. Der Verlagsvertrag. §. 35. Auflösung. gründe ist eine vollkommen freie. Sie können lediglich sub- jectiver Natur sein, also in Gewissensbedenken, oder in per- sönlichen Rücksichten bestehen, wenn nur diese subjectiven Hindernisse ausreichend erscheinen, um vom Standpuncte des Verfassers aus den Rücktritt vom Vertrage zu motiviren. Es steht daher nicht in dem Belieben des Verfassers, ohne Grund, oder aus bloss vorgeschützten Gründen, von dem Verlagsver- trage zurückzutreten 1). Ebenso steht ihm diese Befugniss nur bis zur erfolgten Veröffentlichung zu. Ist einmal mit der Veröffentlichung der Anfang gemacht, so kann von der Absicht, das Werk nicht herauszugeben, also von der An- wendung des §. 1005 nicht mehr die Rede sein. Der Verfasser kann deshalb auch nicht gegen vollständigen Ersatz der Druck- kosten die weitere Verbreitung hindern. Dies gilt auch von den neuen Auflagen, auf welche dem Verleger ein vertrags- mässiges Recht eingeräumt ist. Der Verfasser kann daher nicht die Veranstaltung einer zweiten Auflage seines Werkes aus dem Grunde untersagen, weil er inzwischen seine Religion gewechselt oder ein Staatsamt erhalten hat, obgleich derartige Umstände ihn vielleicht berechtigt haben würden, die erste Herausgabe des noch nicht veröffentlichten Werkes zu in- hibiren. Die vorstehenden Grundsätze des Preussischen Rechtes werden auch für das Gebiet des Gemeinen Rechtes als geltend anerkannt. Wenn indess Wächter (Das Verlagsrecht Th. I S. 390) den Verfasser für den Fall des berechtigten Rücktrittes nicht zum Ersatze des Aufwandes verpflichtet erachtet, welchen der Verleger bis dahin für den Druck gemacht hatte, so ist dem nicht beizutreten. Die Umstände, welche den Verfasser bewegen, von der versprochenen Herausgabe Abstand zu neh- men, sind Zufälligkeiten, die sich in seiner Person ereignen, deren vermögensrechtliche Folgen daher der Verfasser tragen 1) 1) Bluntschli, Anmerkungen zum Zürcher Gesetzbuche Bd. 3 S. 507. »Nicht der Vorwand, sondern die wirkliche Behinderungsursache wirkt befreiend.« 1) sprochene Werk innerhalb Jahresfrist nach dem Rücktritte ohne Vor- wissen und Einwilligung desselben in einem andern Verlage oder auf eigene Rechnung heraus, so muss er dem ersten Verleger auch für den entgangenen Gewinn gerecht werden.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/382>, abgerufen am 30.04.2024.