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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Grad der Fahrlässigkeit.

Der Grad der Sorgfalt, welcher beim fahrlässigen Nach-
druck vertreten werden muss, ist jedoch nach Verschiedenheit
der einzelnen Fälle ein sehr verschiedener. Wie der Römische
Jurist zu dem Resultate kommt, dass der Maurer oder der
Baumschneitler, welcher Steine oder Zweige aus der Höhe ohne
vorherigen Zuruf herabwirft, und dadurch einen Vorüberge-
henden verletzt, unbedingt für die Beschädigung verant-
wortlich ist, wenn dies auf einem öffentlichen Wege geschah,
bedingt nach dem Grade der Wahrscheinlichkeit, dass je-
mand vorübergehen könne, wenn der Ort bloss zugänglich war;
dass ihm aber nur eine vorsätzliche Beschädigung zur Last
gelegt werden könne, wenn der Ort abgesperrt war1), so muss
auch die Strafbarkeit des Verlegers im gegebenen Falle nach
der grösseren oder geringeren Leichtigkeit beurtheilt werden,
mit welcher der fahrlässige Nachdruck vermieden werden konnte.
Ist das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht, wie bei Kunst-
werken nach §. 27 des Gesetzes vom 11. Juni 1837, an die Be-
dingung der öffentlichen Eintragung geknüpft, so muss jede
unbefugte Vervielfältigung eines so eingetragenen Werkes ohne
Ausnahme als strafbarer Nachdruck gelten, da dem Unternehmer
ein ganz sicherer Weg offen stand, sich über das entgegenste-
hende Recht zu unterrichten. Liegt ein einfacher Abdruck eines
bereits gedruckten Werkes vor, so wird ebenfalls ein entschuld-
barer Irrthum über das Fortbestehen des geistigen Eigenthu-
mes nicht vermuthet werden dürfen. Dagegen muss bei dem
theilweisen Nachdrucke und bei versteckten Nachbildungen frem-
der Werke die Verantwortung des Verlegers nach dem Maasse
der Kenntnisse abgewogen werden, welches erforderlich ist, um
den verübten Nachdruck zu entdecken. Als Beispiele für eine

verpflichten, mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit bei einer Handlung
anzuwenden, also nur in dem Falle eines Vertrages, bei welchem der-
gleichen besondere Sorgfalt von dem Gesetze erfordert wird. Daher
kann zwar der Verleger bei einer Verletzung des Verlagsvertrages von
dem Autor für ein geringes Versehen civilrechtlich verantwortlich ge-
macht werden. Bei dem Nachdrucke ausser dem Falle des Vertrages
dagegen fällt die civilrechtliche mit der strafrechtlichen Verantwortung
zusammen, da auch civilrechtlich nur ein mässiges Versehen, d. h. der
gewöhnliche Grad der Sorgfalt (Allg. Landrecht Th. I Tit. 3 §. 20) ver-
treten werden muss.
1) L. 31 Dig. ad Legem Aquiliam (9. 2).
Grad der Fahrlässigkeit.

Der Grad der Sorgfalt, welcher beim fahrlässigen Nach-
druck vertreten werden muss, ist jedoch nach Verschiedenheit
der einzelnen Fälle ein sehr verschiedener. Wie der Römische
Jurist zu dem Resultate kommt, dass der Maurer oder der
Baumschneitler, welcher Steine oder Zweige aus der Höhe ohne
vorherigen Zuruf herabwirft, und dadurch einen Vorüberge-
henden verletzt, unbedingt für die Beschädigung verant-
wortlich ist, wenn dies auf einem öffentlichen Wege geschah,
bedingt nach dem Grade der Wahrscheinlichkeit, dass je-
mand vorübergehen könne, wenn der Ort bloss zugänglich war;
dass ihm aber nur eine vorsätzliche Beschädigung zur Last
gelegt werden könne, wenn der Ort abgesperrt war1), so muss
auch die Strafbarkeit des Verlegers im gegebenen Falle nach
der grösseren oder geringeren Leichtigkeit beurtheilt werden,
mit welcher der fahrlässige Nachdruck vermieden werden konnte.
Ist das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht, wie bei Kunst-
werken nach §. 27 des Gesetzes vom 11. Juni 1837, an die Be-
dingung der öffentlichen Eintragung geknüpft, so muss jede
unbefugte Vervielfältigung eines so eingetragenen Werkes ohne
Ausnahme als strafbarer Nachdruck gelten, da dem Unternehmer
ein ganz sicherer Weg offen stand, sich über das entgegenste-
hende Recht zu unterrichten. Liegt ein einfacher Abdruck eines
bereits gedruckten Werkes vor, so wird ebenfalls ein entschuld-
barer Irrthum über das Fortbestehen des geistigen Eigenthu-
mes nicht vermuthet werden dürfen. Dagegen muss bei dem
theilweisen Nachdrucke und bei versteckten Nachbildungen frem-
der Werke die Verantwortung des Verlegers nach dem Maasse
der Kenntnisse abgewogen werden, welches erforderlich ist, um
den verübten Nachdruck zu entdecken. Als Beispiele für eine

verpflichten, mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit bei einer Handlung
anzuwenden, also nur in dem Falle eines Vertrages, bei welchem der-
gleichen besondere Sorgfalt von dem Gesetze erfordert wird. Daher
kann zwar der Verleger bei einer Verletzung des Verlagsvertrages von
dem Autor für ein geringes Versehen civilrechtlich verantwortlich ge-
macht werden. Bei dem Nachdrucke ausser dem Falle des Vertrages
dagegen fällt die civilrechtliche mit der strafrechtlichen Verantwortung
zusammen, da auch civilrechtlich nur ein mässiges Versehen, d. h. der
gewöhnliche Grad der Sorgfalt (Allg. Landrecht Th. I Tit. 3 §. 20) ver-
treten werden muss.
1) L. 31 Dig. ad Legem Aquiliam (9. 2).
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[411/0427] Grad der Fahrlässigkeit. Der Grad der Sorgfalt, welcher beim fahrlässigen Nach- druck vertreten werden muss, ist jedoch nach Verschiedenheit der einzelnen Fälle ein sehr verschiedener. Wie der Römische Jurist zu dem Resultate kommt, dass der Maurer oder der Baumschneitler, welcher Steine oder Zweige aus der Höhe ohne vorherigen Zuruf herabwirft, und dadurch einen Vorüberge- henden verletzt, unbedingt für die Beschädigung verant- wortlich ist, wenn dies auf einem öffentlichen Wege geschah, bedingt nach dem Grade der Wahrscheinlichkeit, dass je- mand vorübergehen könne, wenn der Ort bloss zugänglich war; dass ihm aber nur eine vorsätzliche Beschädigung zur Last gelegt werden könne, wenn der Ort abgesperrt war 1), so muss auch die Strafbarkeit des Verlegers im gegebenen Falle nach der grösseren oder geringeren Leichtigkeit beurtheilt werden, mit welcher der fahrlässige Nachdruck vermieden werden konnte. Ist das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht, wie bei Kunst- werken nach §. 27 des Gesetzes vom 11. Juni 1837, an die Be- dingung der öffentlichen Eintragung geknüpft, so muss jede unbefugte Vervielfältigung eines so eingetragenen Werkes ohne Ausnahme als strafbarer Nachdruck gelten, da dem Unternehmer ein ganz sicherer Weg offen stand, sich über das entgegenste- hende Recht zu unterrichten. Liegt ein einfacher Abdruck eines bereits gedruckten Werkes vor, so wird ebenfalls ein entschuld- barer Irrthum über das Fortbestehen des geistigen Eigenthu- mes nicht vermuthet werden dürfen. Dagegen muss bei dem theilweisen Nachdrucke und bei versteckten Nachbildungen frem- der Werke die Verantwortung des Verlegers nach dem Maasse der Kenntnisse abgewogen werden, welches erforderlich ist, um den verübten Nachdruck zu entdecken. Als Beispiele für eine 1) 1) L. 31 Dig. ad Legem Aquiliam (9. 2). 1) verpflichten, mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit bei einer Handlung anzuwenden, also nur in dem Falle eines Vertrages, bei welchem der- gleichen besondere Sorgfalt von dem Gesetze erfordert wird. Daher kann zwar der Verleger bei einer Verletzung des Verlagsvertrages von dem Autor für ein geringes Versehen civilrechtlich verantwortlich ge- macht werden. Bei dem Nachdrucke ausser dem Falle des Vertrages dagegen fällt die civilrechtliche mit der strafrechtlichen Verantwortung zusammen, da auch civilrechtlich nur ein mässiges Versehen, d. h. der gewöhnliche Grad der Sorgfalt (Allg. Landrecht Th. I Tit. 3 §. 20) ver- treten werden muss.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/427>, abgerufen am 30.04.2024.