Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.10. Swate Fan. So wohl sich übrigens Josseph fühlen mochte, daß er nun mit Madlena "fertig" geworden, er schaute doch am andern Tage mit einer Empfindung von Bangigkeit dem Kommen der Magd entgegen, die er mit den 578 fl. 35 kr. zu "ihr" geschickt hatte. Die Magd kam endlich und brachte die in bester Ordnung ausgestellte und vom Schulmeister auf einem Stempelbogen geschriebene Quittung über den richtigen Empfang des Geldes; unterzeichnet stand mit großen leserlichen Buchstaben: "Madlena Parzik, Ehefrau des Pawel Parzik." Auf die Frage der Großmutter, ob das so plötzlich ins Haus gekommene Geld dort nicht großes Aufsehen und Ueberraschung verursacht habe, wußte die Magd nur wenig zu berichten. Sie habe Pawel und Madlena noch daheim getroffen, denen habe sie ihren Auftrag mitgetheilt, worauf Pawel sogleich um den Schulmeister geschickt hätte. Madlena habe aber heftig geweint und gesagt: das hätte sie gewiß niemand Anderem zu verdanken, als ihrer Mutter; in einer Woche wäre das zum zweiten Male, daß sie ihr Wohlthaten erzeige; erst habe sie ihr Zucker und Kaffee geschickt und jetzt verhelfe sie ihr sogar zu ihrem väterliche Erbtheil. Umsonst war das Nicken und Winken der alten Frau, daß die Magd in ihrem Geständnisse einhalten 10. Swate Fán. So wohl sich übrigens Josseph fühlen mochte, daß er nun mit Madlena „fertig“ geworden, er schaute doch am andern Tage mit einer Empfindung von Bangigkeit dem Kommen der Magd entgegen, die er mit den 578 fl. 35 kr. zu „ihr“ geschickt hatte. Die Magd kam endlich und brachte die in bester Ordnung ausgestellte und vom Schulmeister auf einem Stempelbogen geschriebene Quittung über den richtigen Empfang des Geldes; unterzeichnet stand mit großen leserlichen Buchstaben: „Madlena Parzik, Ehefrau des Pawel Parzik.“ Auf die Frage der Großmutter, ob das so plötzlich ins Haus gekommene Geld dort nicht großes Aufsehen und Ueberraschung verursacht habe, wußte die Magd nur wenig zu berichten. Sie habe Pawel und Madlena noch daheim getroffen, denen habe sie ihren Auftrag mitgetheilt, worauf Pawel sogleich um den Schulmeister geschickt hätte. Madlena habe aber heftig geweint und gesagt: das hätte sie gewiß niemand Anderem zu verdanken, als ihrer Mutter; in einer Woche wäre das zum zweiten Male, daß sie ihr Wohlthaten erzeige; erst habe sie ihr Zucker und Kaffee geschickt und jetzt verhelfe sie ihr sogar zu ihrem väterliche Erbtheil. Umsonst war das Nicken und Winken der alten Frau, daß die Magd in ihrem Geständnisse einhalten <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0136"/> <div type="chapter" n="10"> <head>10. Swate Fán.</head> <p>So wohl sich übrigens Josseph fühlen mochte, daß er nun mit Madlena „fertig“ geworden, er schaute doch am andern Tage mit einer Empfindung von Bangigkeit dem Kommen der Magd entgegen, die er mit den 578 fl. 35 kr. zu „ihr“ geschickt hatte. Die Magd kam endlich und brachte die in bester Ordnung ausgestellte und vom Schulmeister auf einem Stempelbogen geschriebene Quittung über den richtigen Empfang des Geldes; unterzeichnet stand mit großen leserlichen Buchstaben: „Madlena Parzik, Ehefrau des Pawel Parzik.“ Auf die Frage der Großmutter, ob das so plötzlich ins Haus gekommene Geld dort nicht großes Aufsehen und Ueberraschung verursacht habe, wußte die Magd nur wenig zu berichten. Sie habe Pawel und Madlena noch daheim getroffen, denen habe sie ihren Auftrag mitgetheilt, worauf Pawel sogleich um den Schulmeister geschickt hätte. Madlena habe aber heftig geweint und gesagt: das hätte sie gewiß niemand Anderem zu verdanken, als ihrer Mutter; in einer Woche wäre das zum zweiten Male, daß sie ihr Wohlthaten erzeige; erst habe sie ihr Zucker und Kaffee geschickt und jetzt verhelfe sie ihr sogar zu ihrem väterliche Erbtheil.</p><lb/> <p>Umsonst war das Nicken und Winken der alten Frau, daß die Magd in ihrem Geständnisse einhalten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
10. Swate Fán. So wohl sich übrigens Josseph fühlen mochte, daß er nun mit Madlena „fertig“ geworden, er schaute doch am andern Tage mit einer Empfindung von Bangigkeit dem Kommen der Magd entgegen, die er mit den 578 fl. 35 kr. zu „ihr“ geschickt hatte. Die Magd kam endlich und brachte die in bester Ordnung ausgestellte und vom Schulmeister auf einem Stempelbogen geschriebene Quittung über den richtigen Empfang des Geldes; unterzeichnet stand mit großen leserlichen Buchstaben: „Madlena Parzik, Ehefrau des Pawel Parzik.“ Auf die Frage der Großmutter, ob das so plötzlich ins Haus gekommene Geld dort nicht großes Aufsehen und Ueberraschung verursacht habe, wußte die Magd nur wenig zu berichten. Sie habe Pawel und Madlena noch daheim getroffen, denen habe sie ihren Auftrag mitgetheilt, worauf Pawel sogleich um den Schulmeister geschickt hätte. Madlena habe aber heftig geweint und gesagt: das hätte sie gewiß niemand Anderem zu verdanken, als ihrer Mutter; in einer Woche wäre das zum zweiten Male, daß sie ihr Wohlthaten erzeige; erst habe sie ihr Zucker und Kaffee geschickt und jetzt verhelfe sie ihr sogar zu ihrem väterliche Erbtheil.
Umsonst war das Nicken und Winken der alten Frau, daß die Magd in ihrem Geständnisse einhalten
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/136>, abgerufen am 15.06.2024. |