Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mittage einen Gang ins nächste Dorf vor; in der That aber wollte er sich selbst entrinnen. -- Es trieb ihn ruhelos über Feld und Wiese, und wenn er einem Menschenantlitze nicht zu begegnen brauchte, wich er ihm lieber aus. In sinkender Nacht kehrte er wieder heim. Als er an sein Haus kam, erwartete ihn dort eine hohe, finstere Gestalt, in der Josseph trotz der' Finsterniß den Bauer Stepan Parzik erkannte. Seit dem räthselhaften Verschwinden Anezka's war der "Dechant" nicht gesehen worden. Josseph erschrak, als er sich wieder diesem wilden Bauer gegenüber sah. Parzik, rief er, was willst du hier? Ich habe mit Euch noch etwas zu sprechen, Herr Josseph, sagte dieser dumpf, aber hier bei Euch kann's nicht sein. Und das muß jetzt sein? fragte Josseph erstaunt; ist morgen nicht auch ein Tag? Es muß noch heute sein, entgegnete der Bauer, dessen Stimme ein ungewöhnliches Zittern nicht verbergen konnte. Es muß das etwas ganz Merkwürdiges sein, sprach Josseph halblaut vor sich; zu Parzik aber sagte er: Kommt also in die Stube herein und bringt da vor, was Ihr habt. Das geht nicht, Herr Josseph, entgegnete kopfschüttelnd der Bauer, nicht hier und nicht in der Stube kann ich mit Euch sprechen, Ihr müßt heute um elf mittage einen Gang ins nächste Dorf vor; in der That aber wollte er sich selbst entrinnen. — Es trieb ihn ruhelos über Feld und Wiese, und wenn er einem Menschenantlitze nicht zu begegnen brauchte, wich er ihm lieber aus. In sinkender Nacht kehrte er wieder heim. Als er an sein Haus kam, erwartete ihn dort eine hohe, finstere Gestalt, in der Josseph trotz der' Finsterniß den Bauer Stepan Parzik erkannte. Seit dem räthselhaften Verschwinden Anezka's war der „Dechant“ nicht gesehen worden. Josseph erschrak, als er sich wieder diesem wilden Bauer gegenüber sah. Parzik, rief er, was willst du hier? Ich habe mit Euch noch etwas zu sprechen, Herr Josseph, sagte dieser dumpf, aber hier bei Euch kann's nicht sein. Und das muß jetzt sein? fragte Josseph erstaunt; ist morgen nicht auch ein Tag? Es muß noch heute sein, entgegnete der Bauer, dessen Stimme ein ungewöhnliches Zittern nicht verbergen konnte. Es muß das etwas ganz Merkwürdiges sein, sprach Josseph halblaut vor sich; zu Parzik aber sagte er: Kommt also in die Stube herein und bringt da vor, was Ihr habt. Das geht nicht, Herr Josseph, entgegnete kopfschüttelnd der Bauer, nicht hier und nicht in der Stube kann ich mit Euch sprechen, Ihr müßt heute um elf <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0142"/> mittage einen Gang ins nächste Dorf vor; in der That aber wollte er sich selbst entrinnen. —</p><lb/> <p>Es trieb ihn ruhelos über Feld und Wiese, und wenn er einem Menschenantlitze nicht zu begegnen brauchte, wich er ihm lieber aus. In sinkender Nacht kehrte er wieder heim. Als er an sein Haus kam, erwartete ihn dort eine hohe, finstere Gestalt, in der Josseph trotz der' Finsterniß den Bauer Stepan Parzik erkannte. Seit dem räthselhaften Verschwinden Anezka's war der „Dechant“ nicht gesehen worden. Josseph erschrak, als er sich wieder diesem wilden Bauer gegenüber sah.</p><lb/> <p>Parzik, rief er, was willst du hier?</p><lb/> <p>Ich habe mit Euch noch etwas zu sprechen, Herr Josseph, sagte dieser dumpf, aber hier bei Euch kann's nicht sein.</p><lb/> <p>Und das muß jetzt sein? fragte Josseph erstaunt; ist morgen nicht auch ein Tag?</p><lb/> <p>Es muß noch heute sein, entgegnete der Bauer, dessen Stimme ein ungewöhnliches Zittern nicht verbergen konnte.</p><lb/> <p>Es muß das etwas ganz Merkwürdiges sein, sprach Josseph halblaut vor sich; zu Parzik aber sagte er: Kommt also in die Stube herein und bringt da vor, was Ihr habt.</p><lb/> <p>Das geht nicht, Herr Josseph, entgegnete kopfschüttelnd der Bauer, nicht hier und nicht in der Stube kann ich mit Euch sprechen, Ihr müßt heute um elf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
mittage einen Gang ins nächste Dorf vor; in der That aber wollte er sich selbst entrinnen. —
Es trieb ihn ruhelos über Feld und Wiese, und wenn er einem Menschenantlitze nicht zu begegnen brauchte, wich er ihm lieber aus. In sinkender Nacht kehrte er wieder heim. Als er an sein Haus kam, erwartete ihn dort eine hohe, finstere Gestalt, in der Josseph trotz der' Finsterniß den Bauer Stepan Parzik erkannte. Seit dem räthselhaften Verschwinden Anezka's war der „Dechant“ nicht gesehen worden. Josseph erschrak, als er sich wieder diesem wilden Bauer gegenüber sah.
Parzik, rief er, was willst du hier?
Ich habe mit Euch noch etwas zu sprechen, Herr Josseph, sagte dieser dumpf, aber hier bei Euch kann's nicht sein.
Und das muß jetzt sein? fragte Josseph erstaunt; ist morgen nicht auch ein Tag?
Es muß noch heute sein, entgegnete der Bauer, dessen Stimme ein ungewöhnliches Zittern nicht verbergen konnte.
Es muß das etwas ganz Merkwürdiges sein, sprach Josseph halblaut vor sich; zu Parzik aber sagte er: Kommt also in die Stube herein und bringt da vor, was Ihr habt.
Das geht nicht, Herr Josseph, entgegnete kopfschüttelnd der Bauer, nicht hier und nicht in der Stube kann ich mit Euch sprechen, Ihr müßt heute um elf
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/142>, abgerufen am 16.06.2024. |