§. 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrathes.
Endlich ist festzuhalten, daß die Krone Bayern nicht das Vice- präsidium des Bundes, sondern der Bayerische Bevollmächtigte den stellvertretenden Vorsitz im Bundesrathe zu beanspru- chen hat.
3) Die Leitung der Geschäfte, welche nach dem Art. 15 der R.-V. dem Reichskanzler zusteht, ist in der Geschäftsordnung des Bundesrathes näher spezialisirt. Demnach hat der Reichs- kanzler die Sitzungen anzuberaumen und zu eröffnen 1). An ihn gelangen die Mittheilungen des Reichstages, die Anträge der ein- zelnen Bundesstaaten und alle sonstigen an den Bundesrath gerich- teten Eingaben 2). "Der Reichskanzler kann Eingaben, die un- zweifelhaft nicht zum Geschäftskreise des Bundesrathes gehören, sofort selbst in geeigneter Weise erledigen und Beschwerden, aus denen nicht erhellt, daß der gesetzliche Instanzenzug erschöpft ist, zur Zeit zurückweisen" 3).
Die in dieser Weise nicht erledigten Angelegenheiten werden vom Reichskanzler entweder auf die Tages-Ordnung der nächsten Sitzung gebracht oder, wenn sie sich auf eine, bereits einem Aus- schuß überwiesene Vorlage beziehen, diesem Ausschuß vorgelegt, wovon dem Bundesrath in der nächsten Sitzung Anzeige gemacht wird 4). Der Reichskanzler hat die zur Ausführung der Beschlüsse des Bundesrathes erforderlichen Verfügungen zu treffen 5).
III. Ueber die Sitzungen des Bundesrathes und die Ord- nung des Geschäftsganges bestehen folgende Regeln.
1) Die Bevollmächtigten werden schriftlich zu den Sitzungen eingeladen. Die Einladungen werden vorbehaltlich ganz dringender Fälle am Tage vor der Sitzung den Mitgliedern des Bundes- rathes zugestellt 6).
2) Außer der Adresse und der Zeit der Sitzung sind in der Einladung, soweit als möglich, die Gegenstände der Berathung
1) Gesch.-Ordn. §. 1. 4.
2) Gesch.-Ordn. §. 7. 8.
3) Gesch.-Ordn. §. 8 Abs. 2.
4) Gesch.-Ordn. §. 7. 8 Abs. 1 u. 3. Die auf Grund des §. 66 al. 2 des Reichsbeamten-Gesetzes eingehenden Rekurse werden von dem Vorsitzenden ohne Vortrag im Plenum, unmittelbar dem Ausschuß für Justizwesen über- wiesen. Protok. 1874 §. 116 (S. 82.)
5) Gesch.-Ordn. §. 15.
6) Gesch.-Ordn. §. 1.
§. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes.
Endlich iſt feſtzuhalten, daß die Krone Bayern nicht das Vice- präſidium des Bundes, ſondern der Bayeriſche Bevollmächtigte den ſtellvertretenden Vorſitz im Bundesrathe zu beanſpru- chen hat.
3) Die Leitung der Geſchäfte, welche nach dem Art. 15 der R.-V. dem Reichskanzler zuſteht, iſt in der Geſchäftsordnung des Bundesrathes näher ſpezialiſirt. Demnach hat der Reichs- kanzler die Sitzungen anzuberaumen und zu eröffnen 1). An ihn gelangen die Mittheilungen des Reichstages, die Anträge der ein- zelnen Bundesſtaaten und alle ſonſtigen an den Bundesrath gerich- teten Eingaben 2). „Der Reichskanzler kann Eingaben, die un- zweifelhaft nicht zum Geſchäftskreiſe des Bundesrathes gehören, ſofort ſelbſt in geeigneter Weiſe erledigen und Beſchwerden, aus denen nicht erhellt, daß der geſetzliche Inſtanzenzug erſchöpft iſt, zur Zeit zurückweiſen“ 3).
Die in dieſer Weiſe nicht erledigten Angelegenheiten werden vom Reichskanzler entweder auf die Tages-Ordnung der nächſten Sitzung gebracht oder, wenn ſie ſich auf eine, bereits einem Aus- ſchuß überwieſene Vorlage beziehen, dieſem Ausſchuß vorgelegt, wovon dem Bundesrath in der nächſten Sitzung Anzeige gemacht wird 4). Der Reichskanzler hat die zur Ausführung der Beſchlüſſe des Bundesrathes erforderlichen Verfügungen zu treffen 5).
III. Ueber die Sitzungen des Bundesrathes und die Ord- nung des Geſchäftsganges beſtehen folgende Regeln.
1) Die Bevollmächtigten werden ſchriftlich zu den Sitzungen eingeladen. Die Einladungen werden vorbehaltlich ganz dringender Fälle am Tage vor der Sitzung den Mitgliedern des Bundes- rathes zugeſtellt 6).
2) Außer der Adreſſe und der Zeit der Sitzung ſind in der Einladung, ſoweit als möglich, die Gegenſtände der Berathung
1) Geſch.-Ordn. §. 1. 4.
2) Geſch.-Ordn. §. 7. 8.
3) Geſch.-Ordn. §. 8 Abſ. 2.
4) Geſch.-Ordn. §. 7. 8 Abſ. 1 u. 3. Die auf Grund des §. 66 al. 2 des Reichsbeamten-Geſetzes eingehenden Rekurſe werden von dem Vorſitzenden ohne Vortrag im Plenum, unmittelbar dem Ausſchuß für Juſtizweſen über- wieſen. Protok. 1874 §. 116 (S. 82.)
5) Geſch.-Ordn. §. 15.
6) Geſch.-Ordn. §. 1.
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Endlich iſt feſtzuhalten, daß die Krone Bayern nicht das Vice-
präſidium des Bundes, ſondern der Bayeriſche Bevollmächtigte
den ſtellvertretenden Vorſitz im Bundesrathe zu beanſpru-
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3) Die Leitung der Geſchäfte, welche nach dem Art. 15
der R.-V. dem Reichskanzler zuſteht, iſt in der Geſchäftsordnung
des Bundesrathes näher ſpezialiſirt. Demnach hat der Reichs-
kanzler die Sitzungen anzuberaumen und zu eröffnen 1). An ihn
gelangen die Mittheilungen des Reichstages, die Anträge der ein-
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zweifelhaft nicht zum Geſchäftskreiſe des Bundesrathes gehören,
ſofort ſelbſt in geeigneter Weiſe erledigen und Beſchwerden, aus
denen nicht erhellt, daß der geſetzliche Inſtanzenzug erſchöpft iſt,
zur Zeit zurückweiſen“ 3).
Die in dieſer Weiſe nicht erledigten Angelegenheiten werden
vom Reichskanzler entweder auf die Tages-Ordnung der nächſten
Sitzung gebracht oder, wenn ſie ſich auf eine, bereits einem Aus-
ſchuß überwieſene Vorlage beziehen, dieſem Ausſchuß vorgelegt,
wovon dem Bundesrath in der nächſten Sitzung Anzeige gemacht
wird 4). Der Reichskanzler hat die zur Ausführung der Beſchlüſſe
des Bundesrathes erforderlichen Verfügungen zu treffen 5).
III. Ueber die Sitzungen des Bundesrathes und die Ord-
nung des Geſchäftsganges beſtehen folgende Regeln.
1) Die Bevollmächtigten werden ſchriftlich zu den Sitzungen
eingeladen. Die Einladungen werden vorbehaltlich ganz dringender
Fälle am Tage vor der Sitzung den Mitgliedern des Bundes-
rathes zugeſtellt 6).
2) Außer der Adreſſe und der Zeit der Sitzung ſind in der
Einladung, ſoweit als möglich, die Gegenſtände der Berathung
1) Geſch.-Ordn. §. 1. 4.
2) Geſch.-Ordn. §. 7. 8.
3) Geſch.-Ordn. §. 8 Abſ. 2.
4) Geſch.-Ordn. §. 7. 8 Abſ. 1 u. 3. Die auf Grund des §. 66 al. 2
des Reichsbeamten-Geſetzes eingehenden Rekurſe werden von dem Vorſitzenden
ohne Vortrag im Plenum, unmittelbar dem Ausſchuß für Juſtizweſen über-
wieſen. Protok. 1874 §. 116 (S. 82.)
5) Geſch.-Ordn. §. 15.
6) Geſch.-Ordn. §. 1.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/296>, abgerufen am 14.06.2024.
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