Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben etc. Bestätigung dieser Befugnisse nicht bedarf 1). Aus diesem Principergeben sich hinsichtlich der Ausgaben und Einnahmen folgende Konsequenzen: 1. Die Ausgaben zerfallen mit Beziehung auf das Be- a) Als "nothwendige" im staatsrechtlichen Sinne sind 1) v. Rönne und Zorn freilich behaupten, daß Gesetze, welche staat- liche Institutionen dauernd normiren, hinsichtlich der hierfür erforderlichen finanziellen Mittel "eines alljährlich zu erneuernden Ausführungs- gesetzes" bedürfen. Darnach gäbe es im Staate überhaupt gar keine dauernde Institutionen und keine fortgeltenden Gesetze, sondern der gesammte Rechts- zustand des Staates wäre von Jahr zu Jahr in Frage gestellt und würde immer nur für eine Etatsperiode prolongirt. -- v. Martitz, Betrachtungen etc. S. 99 sagt: "Es ist eine unerhörte Frivolität zu behaupten, der Rechtsgrund, aus dem der Staat seine Ausgaben leistet, seine Einnahmen be- zieht, sei ein jährlich zu vereinbarendes Gesetz". v. Martitz, Ueber den const. Begriff etc. S. 65 dagegen behauptet: "nur dem vorliegenden Etats- gesetze kann die Landesregierung zu Rechte die Vollmacht entnehmen, die Finanzverwaltung nach Maßgabe der in demselben genehmigten Etats, d. h. theils nach Anweisung theils nach Ermächtigung durch die einzelnen, beschluß- mäßig festgestellten Etatspositionen zu führen". Ich halte diese letztere Be- hauptung zwar nicht für eine "unerhörte Frivolität", aber für einen völligen Irrthum. 24*
§. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben ꝛc. Beſtätigung dieſer Befugniſſe nicht bedarf 1). Aus dieſem Principergeben ſich hinſichtlich der Ausgaben und Einnahmen folgende Konſequenzen: 1. Die Ausgaben zerfallen mit Beziehung auf das Be- a) Als „nothwendige“ im ſtaatsrechtlichen Sinne ſind 1) v. Rönne und Zorn freilich behaupten, daß Geſetze, welche ſtaat- liche Inſtitutionen dauernd normiren, hinſichtlich der hierfür erforderlichen finanziellen Mittel „eines alljährlich zu erneuernden Ausführungs- geſetzes“ bedürfen. Darnach gäbe es im Staate überhaupt gar keine dauernde Inſtitutionen und keine fortgeltenden Geſetze, ſondern der geſammte Rechts- zuſtand des Staates wäre von Jahr zu Jahr in Frage geſtellt und würde immer nur für eine Etatsperiode prolongirt. — v. Martitz, Betrachtungen ꝛc. S. 99 ſagt: „Es iſt eine unerhörte Frivolität zu behaupten, der Rechtsgrund, aus dem der Staat ſeine Ausgaben leiſtet, ſeine Einnahmen be- zieht, ſei ein jährlich zu vereinbarendes Geſetz“. v. Martitz, Ueber den conſt. Begriff ꝛc. S. 65 dagegen behauptet: „nur dem vorliegenden Etats- geſetze kann die Landesregierung zu Rechte die Vollmacht entnehmen, die Finanzverwaltung nach Maßgabe der in demſelben genehmigten Etats, d. h. theils nach Anweiſung theils nach Ermächtigung durch die einzelnen, beſchluß- mäßig feſtgeſtellten Etatspoſitionen zu führen“. Ich halte dieſe letztere Be- hauptung zwar nicht für eine „unerhörte Frivolität“, aber für einen völligen Irrthum. 24*
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§. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben ꝛc.
Beſtätigung dieſer Befugniſſe nicht bedarf 1). Aus dieſem Princip
ergeben ſich hinſichtlich der Ausgaben und Einnahmen folgende
Konſequenzen:
1. Die Ausgaben zerfallen mit Beziehung auf das Be-
willigungsrecht des Bundesrathes und des Reichstages, wie oben
S. 349 ausgeführt worden iſt, in zwei Kategorien, rechtlich noth-
wendige und willkürliche.
a) Als „nothwendige“ im ſtaatsrechtlichen Sinne ſind
nur diejenigen Ausgaben zu bezeichnen, zu deren Leiſtung die
Regierung geſetzlich verpflichtet iſt. Dahin gehören theils die
giltig entſtandenen vermögensrechtlichen Verpflichtungen des Fiscus,
theils die ihr geſetzlich obliegenden Verwaltungsaufgaben, die per-
ſönlichen und ſachlichen Koſten der geſetzmäßig conſtituirten Behör-
den, die Inſtandhaltung der Staatsanſtalten u. ſ. w. Recht und
Pflicht zur Leiſtung dieſer Ausgaben beſtehen auch ohne Etats-
geſetz, und deshalb kann es nicht als Verfaſſungsverletzung ange-
ſehen werden, wenn die Regierung dieſe Ausgaben leiſtet, obgleich
ein Etatsgeſetz nicht verfaſſungsmäßig zu Stande gekommen iſt.
Man kann den Satz auch in der Art formuliren: Ausgaben, welche
Bundesrath und Reichstag bei der Feſtſetzung des Etats aus recht-
lichen Gründen nicht verweigern dürfen, ſind von der Regierung
auch in dem Falle, daß die geſetzliche Feſtſtellung des Reichshaus-
halts-Etats unterbleibt, zu leiſten.
1) v. Rönne und Zorn freilich behaupten, daß Geſetze, welche ſtaat-
liche Inſtitutionen dauernd normiren, hinſichtlich der hierfür erforderlichen
finanziellen Mittel „eines alljährlich zu erneuernden Ausführungs-
geſetzes“ bedürfen. Darnach gäbe es im Staate überhaupt gar keine dauernde
Inſtitutionen und keine fortgeltenden Geſetze, ſondern der geſammte Rechts-
zuſtand des Staates wäre von Jahr zu Jahr in Frage geſtellt und würde
immer nur für eine Etatsperiode prolongirt. — v. Martitz, Betrachtungen ꝛc.
S. 99 ſagt: „Es iſt eine unerhörte Frivolität zu behaupten, der
Rechtsgrund, aus dem der Staat ſeine Ausgaben leiſtet, ſeine Einnahmen be-
zieht, ſei ein jährlich zu vereinbarendes Geſetz“. v. Martitz, Ueber den
conſt. Begriff ꝛc. S. 65 dagegen behauptet: „nur dem vorliegenden Etats-
geſetze kann die Landesregierung zu Rechte die Vollmacht entnehmen, die
Finanzverwaltung nach Maßgabe der in demſelben genehmigten Etats, d. h.
theils nach Anweiſung theils nach Ermächtigung durch die einzelnen, beſchluß-
mäßig feſtgeſtellten Etatspoſitionen zu führen“. Ich halte dieſe letztere Be-
hauptung zwar nicht für eine „unerhörte Frivolität“, aber für einen völligen
Irrthum.
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