wieweit dadurch mit der Tradition gebrochen werden müsse. Erst in diesen Versuchen selbst stärkt sich das wissenschaft- liche Bewußtsein und erfüllt sich allmählich mit neuen Be- griffen, welche es gestatten, der Macht der aristotelischen Phy- sik sich dauernd zu entziehen.
Vierter Abschnitt. Giordano Bruno.
1. Allgemeines.
Bevor das physikalische Interesse in der Aufstellung von Korpuskulartheorien sich geltend macht, finden wir eine Reihe für das Körperproblem wichtiger Begriffe vom metaphysischen Gesichtspunkte aus behandelt. Von dieser Seite her gelingt es, in den Begriff des Atoms Gedanken hineinzutragen, welche demselben eigenes Leben verleihen. Der Entwickelungsgedanke aus der Einheit verdichtet sich in der einfachen Substanz, das Atom wird zur Monade.
Dieser Versuch, das Wesen des Körpers zu entdecken, ist zwar für die empirische Physik wenig fruchtbar, aber zur be- grifflichen und erkenntniskritischen Durcharbeitung des Kör- perproblems bringt er ganz wesentliche Momente herbei. Er verdient daher genaue Betrachtung. Sogleich im Anfange der Geschichte der neuen Physik begegnen wir dem Auftreten einer Monadologie als dem Resultate der Verschmelzung ato- mistischer Gedanken mit der Theorie der lebendigen Weltent- wickelung bei Giordano Bruno aus Nola (1548--1600).1
1 Die italienischen Schriften citiere ich nach Wagner (Leipzig 1830) und füge für De la causa etc. die Seitenzahl der Übersetzung von Lasson (Berlin 1872) hinzu. Die lateinischen nach den Originalen, von welchen ich die auf der Gothaer herzgl. Bibliothek vorhandenen in m. Abhandl. Giord. Bruno u. d. Atomistik, Viertelj. f. w. Ph. (1884) VIII p. 20 aufgeführt habe. Vgl. ferner Bartholmess, Jordano Bruno, Paris 1846, 2 Ts. Carriere, Reformationszeit,
Metaphysische Vorbereitung zur Atomistik. Bruno.
wieweit dadurch mit der Tradition gebrochen werden müsse. Erst in diesen Versuchen selbst stärkt sich das wissenschaft- liche Bewußtsein und erfüllt sich allmählich mit neuen Be- griffen, welche es gestatten, der Macht der aristotelischen Phy- sik sich dauernd zu entziehen.
Vierter Abschnitt. Giordano Bruno.
1. Allgemeines.
Bevor das physikalische Interesse in der Aufstellung von Korpuskulartheorien sich geltend macht, finden wir eine Reihe für das Körperproblem wichtiger Begriffe vom metaphysischen Gesichtspunkte aus behandelt. Von dieser Seite her gelingt es, in den Begriff des Atoms Gedanken hineinzutragen, welche demselben eigenes Leben verleihen. Der Entwickelungsgedanke aus der Einheit verdichtet sich in der einfachen Substanz, das Atom wird zur Monade.
Dieser Versuch, das Wesen des Körpers zu entdecken, ist zwar für die empirische Physik wenig fruchtbar, aber zur be- grifflichen und erkenntniskritischen Durcharbeitung des Kör- perproblems bringt er ganz wesentliche Momente herbei. Er verdient daher genaue Betrachtung. Sogleich im Anfange der Geschichte der neuen Physik begegnen wir dem Auftreten einer Monadologie als dem Resultate der Verschmelzung ato- mistischer Gedanken mit der Theorie der lebendigen Weltent- wickelung bei Giordano Bruno aus Nola (1548—1600).1
1 Die italienischen Schriften citiere ich nach Wagner (Leipzig 1830) und füge für De la causa etc. die Seitenzahl der Übersetzung von Lasson (Berlin 1872) hinzu. Die lateinischen nach den Originalen, von welchen ich die auf der Gothaer herzgl. Bibliothek vorhandenen in m. Abhandl. Giord. Bruno u. d. Atomistik, Viertelj. f. w. Ph. (1884) VIII p. 20 aufgeführt habe. Vgl. ferner Bartholmess, Jordano Bruno, Paris 1846, 2 Ts. Carrière, Reformationszeit,
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Metaphysische Vorbereitung zur Atomistik. Bruno.
wieweit dadurch mit der Tradition gebrochen werden müsse.
Erst in diesen Versuchen selbst stärkt sich das wissenschaft-
liche Bewußtsein und erfüllt sich allmählich mit neuen Be-
griffen, welche es gestatten, der Macht der aristotelischen Phy-
sik sich dauernd zu entziehen.
Vierter Abschnitt.
Giordano Bruno.
1. Allgemeines.
Bevor das physikalische Interesse in der Aufstellung von
Korpuskulartheorien sich geltend macht, finden wir eine Reihe
für das Körperproblem wichtiger Begriffe vom metaphysischen
Gesichtspunkte aus behandelt. Von dieser Seite her gelingt
es, in den Begriff des Atoms Gedanken hineinzutragen, welche
demselben eigenes Leben verleihen. Der Entwickelungsgedanke
aus der Einheit verdichtet sich in der einfachen Substanz, das
Atom wird zur Monade.
Dieser Versuch, das Wesen des Körpers zu entdecken, ist
zwar für die empirische Physik wenig fruchtbar, aber zur be-
grifflichen und erkenntniskritischen Durcharbeitung des Kör-
perproblems bringt er ganz wesentliche Momente herbei. Er
verdient daher genaue Betrachtung. Sogleich im Anfange der
Geschichte der neuen Physik begegnen wir dem Auftreten
einer Monadologie als dem Resultate der Verschmelzung ato-
mistischer Gedanken mit der Theorie der lebendigen Weltent-
wickelung bei Giordano Bruno aus Nola (1548—1600). 1
1 Die italienischen Schriften citiere ich nach Wagner (Leipzig 1830) und
füge für De la causa etc. die Seitenzahl der Übersetzung von Lasson (Berlin 1872)
hinzu. Die lateinischen nach den Originalen, von welchen ich die auf der
Gothaer herzgl. Bibliothek vorhandenen in m. Abhandl. Giord. Bruno u. d.
Atomistik, Viertelj. f. w. Ph. (1884) VIII p. 20 aufgeführt habe. Vgl. ferner
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/377>, abgerufen am 16.06.2024.
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