Sennert: Die "Formen" der Atome. Korpuskulare Erklärungen.
Silber, was man daraus erkennt, daß beim Zusatz von Salpeter- säure das Silber aufgelöst wird, das Gold aber in Pulverform zurückbleibt.1 Die "Form" besitzt nämlich an sich weder Größe noch Teilbarkeit; sie ist ihrem Wesen nach gleich voll- kommen im kleinsten Atome wie in der größten Masse der- selben. Sie füllt ihre Materie vollkommen aus, d. h. sie richtet sich nach ihrer Ausdehnung; sie ist zwar nicht divisi- bilis, aber multiplicativa, d. h. bei der Teilung des Körpers, an welchen sie gebunden ist, vervielfältigt sie sich mit der Zahl der Teile.2
Es können nunmehr durch das Zusammenströmen der Atome die scheinbar verschiedensten Körper entstehen.3
Das Feuer kann unter verschiedenen Namen auftreten, z. B. als Flamme und Licht, und doch bleibt es an sich eins. Schon früher4 hatte Sennert betont, daß die Flamme nicht ent- zündete Luft sei, da sonst bei großen Bränden die ganze Luft sich entflammen müsse; hier erklärt er die Flamme als die Ver- einigung der Feueratome, welche vor Entstehung der Flamme durch fremde Körper getrennt waren; deshalb könne auch in einem geschlossenen Gefäße keine Flamme entstehen, wenn aber die Luft Zutritt erhält, so vertreibt sie die hemmenden Teilchen und die Flamme wird erzeugt. Doch auch in der Flamme werden immer noch gewisse fremde Beimischungen vorhanden sein; je weniger derselben sind, um so reiner, um so durchsichtiger die Flamme.
Überhaupt entstehen alle Veränderungen der Körper da- durch, daß die Atome eines fremden Körpers sich an der Zu- sammensetzung beteiligen; so ist die Erwärmung des Wassers die Folge des Zuströmens der Feueratome. Es werden somit alle Wandlungen der Qualitäten zurückgeführt auf eine Orts- veränderung, eine Bewegung der Atome. Denn die Atome der Elemente diffundieren nicht nur und treten in andre Körper ein (so füllen z. B. die Luftatome die Poren der meisten Körper aus), sondern sie bilden auch Mischungen untereinander (hier- bei Berufung auf Lukrez, De nat. rer. l. II).
1 A. a. O. p. 119.
2Hypomn. I. c. 3. Op. I. p. 107.
3 A. a. O. p. 117.
4De Chym. etc. 1. Ed. p. 364.
Sennert: Die „Formen‟ der Atome. Korpuskulare Erklärungen.
Silber, was man daraus erkennt, daß beim Zusatz von Salpeter- säure das Silber aufgelöst wird, das Gold aber in Pulverform zurückbleibt.1 Die „Form‟ besitzt nämlich an sich weder Größe noch Teilbarkeit; sie ist ihrem Wesen nach gleich voll- kommen im kleinsten Atome wie in der größten Masse der- selben. Sie füllt ihre Materie vollkommen aus, d. h. sie richtet sich nach ihrer Ausdehnung; sie ist zwar nicht divisi- bilis, aber multiplicativa, d. h. bei der Teilung des Körpers, an welchen sie gebunden ist, vervielfältigt sie sich mit der Zahl der Teile.2
Es können nunmehr durch das Zusammenströmen der Atome die scheinbar verschiedensten Körper entstehen.3
Das Feuer kann unter verschiedenen Namen auftreten, z. B. als Flamme und Licht, und doch bleibt es an sich eins. Schon früher4 hatte Sennert betont, daß die Flamme nicht ent- zündete Luft sei, da sonst bei großen Bränden die ganze Luft sich entflammen müsse; hier erklärt er die Flamme als die Ver- einigung der Feueratome, welche vor Entstehung der Flamme durch fremde Körper getrennt waren; deshalb könne auch in einem geschlossenen Gefäße keine Flamme entstehen, wenn aber die Luft Zutritt erhält, so vertreibt sie die hemmenden Teilchen und die Flamme wird erzeugt. Doch auch in der Flamme werden immer noch gewisse fremde Beimischungen vorhanden sein; je weniger derselben sind, um so reiner, um so durchsichtiger die Flamme.
Überhaupt entstehen alle Veränderungen der Körper da- durch, daß die Atome eines fremden Körpers sich an der Zu- sammensetzung beteiligen; so ist die Erwärmung des Wassers die Folge des Zuströmens der Feueratome. Es werden somit alle Wandlungen der Qualitäten zurückgeführt auf eine Orts- veränderung, eine Bewegung der Atome. Denn die Atome der Elemente diffundieren nicht nur und treten in andre Körper ein (so füllen z. B. die Luftatome die Poren der meisten Körper aus), sondern sie bilden auch Mischungen untereinander (hier- bei Berufung auf Lukrez, De nat. rer. l. II).
1 A. a. O. p. 119.
2Hypomn. I. c. 3. Op. I. p. 107.
3 A. a. O. p. 117.
4De Chym. etc. 1. Ed. p. 364.
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Sennert: Die „Formen‟ der Atome. Korpuskulare Erklärungen.
Silber, was man daraus erkennt, daß beim Zusatz von Salpeter-
säure das Silber aufgelöst wird, das Gold aber in Pulverform
zurückbleibt. 1 Die „Form‟ besitzt nämlich an sich weder
Größe noch Teilbarkeit; sie ist ihrem Wesen nach gleich voll-
kommen im kleinsten Atome wie in der größten Masse der-
selben. Sie füllt ihre Materie vollkommen aus, d. h. sie
richtet sich nach ihrer Ausdehnung; sie ist zwar nicht divisi-
bilis, aber multiplicativa, d. h. bei der Teilung des Körpers, an
welchen sie gebunden ist, vervielfältigt sie sich mit der Zahl
der Teile. 2
Es können nunmehr durch das Zusammenströmen der Atome
die scheinbar verschiedensten Körper entstehen. 3
Das Feuer kann unter verschiedenen Namen auftreten, z. B.
als Flamme und Licht, und doch bleibt es an sich eins. Schon
früher 4 hatte Sennert betont, daß die Flamme nicht ent-
zündete Luft sei, da sonst bei großen Bränden die ganze Luft
sich entflammen müsse; hier erklärt er die Flamme als die Ver-
einigung der Feueratome, welche vor Entstehung der Flamme
durch fremde Körper getrennt waren; deshalb könne auch in
einem geschlossenen Gefäße keine Flamme entstehen, wenn
aber die Luft Zutritt erhält, so vertreibt sie die hemmenden
Teilchen und die Flamme wird erzeugt. Doch auch in der
Flamme werden immer noch gewisse fremde Beimischungen
vorhanden sein; je weniger derselben sind, um so reiner, um
so durchsichtiger die Flamme.
Überhaupt entstehen alle Veränderungen der Körper da-
durch, daß die Atome eines fremden Körpers sich an der Zu-
sammensetzung beteiligen; so ist die Erwärmung des Wassers
die Folge des Zuströmens der Feueratome. Es werden somit
alle Wandlungen der Qualitäten zurückgeführt auf eine Orts-
veränderung, eine Bewegung der Atome. Denn die Atome
der Elemente diffundieren nicht nur und treten in andre Körper
ein (so füllen z. B. die Luftatome die Poren der meisten Körper
aus), sondern sie bilden auch Mischungen untereinander (hier-
bei Berufung auf Lukrez, De nat. rer. l. II).
1 A. a. O. p. 119.
2 Hypomn. I. c. 3. Op. I. p. 107.
3 A. a. O. p. 117.
4 De Chym. etc. 1. Ed. p. 364.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/462>, abgerufen am 16.06.2024.
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