"Wollen Sie nicht erst eine Cigarre nehmen? Bitte, hier. Und nun, womit kann ich dienen?"
"Jch bin der Erdgeist Lithosphäros," sprach der Geist etwas besänftigter, "und möchte wissen, was das Selbstbewußtsein ist, und wie man dazu gelangt."
Der Philosoph lächelte ein wenig und sagte, indem er sich selbst eine Cigarre anzündete:
"Das Selbstbewußtsein ist die synthetische Einheit der Apperception, durch welche das Jch aus dem Zu- stande des lediglich subjektiven Erlebnisses heraustritt, indem es sich seinem Bewußtseinsinhalte als dem ihm gegebenen Objekte gegenübersetzt. Das selbstbewußte Bewußtsein unterscheidet sich von der bloßen Bewußtheit dadurch, daß es ein Verhältnis zu seinem Erlebnis besitzt. Somit wissen Sie, was das Selbstbewußtsein ist. Aber wie man dazu gelangen kann, wenn man es nicht besitzt, das ist eine Frage, die niemand beantworten kann, weil sie über die Grenzen der Erfahrung hinaus- geht. Wir können nur analysieren, was in unserem Bewußtsein gegeben ist; wie es hineinkommt, das ist eine unzulässige Frage, und sie zu diskutieren ist un- wissenschaftlich."
Mit diesen Worten wandte sich der Philosoph wieder zu seinen Büchern.
Der Erdgeist stand sehr niedergeschlagen da und sagte:
"Lieber Herr Philosoph, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe noch nicht recht verstanden, was Sie meinen. Könnten Sie mir die Sache nicht etwas populärer darstellen?"
Mirax.
„Wollen Sie nicht erſt eine Cigarre nehmen? Bitte, hier. Und nun, womit kann ich dienen?“
„Jch bin der Erdgeiſt Lithoſphäros,“ ſprach der Geiſt etwas beſänftigter, „und möchte wiſſen, was das Selbſtbewußtſein iſt, und wie man dazu gelangt.“
Der Philoſoph lächelte ein wenig und ſagte, indem er ſich ſelbſt eine Cigarre anzündete:
„Das Selbſtbewußtſein iſt die ſynthetiſche Einheit der Apperception, durch welche das Jch aus dem Zu- ſtande des lediglich ſubjektiven Erlebniſſes heraustritt, indem es ſich ſeinem Bewußtſeinsinhalte als dem ihm gegebenen Objekte gegenüberſetzt. Das ſelbſtbewußte Bewußtſein unterſcheidet ſich von der bloßen Bewußtheit dadurch, daß es ein Verhältnis zu ſeinem Erlebnis beſitzt. Somit wiſſen Sie, was das Selbſtbewußtſein iſt. Aber wie man dazu gelangen kann, wenn man es nicht beſitzt, das iſt eine Frage, die niemand beantworten kann, weil ſie über die Grenzen der Erfahrung hinaus- geht. Wir können nur analyſieren, was in unſerem Bewußtſein gegeben iſt; wie es hineinkommt, das iſt eine unzuläſſige Frage, und ſie zu diskutieren iſt un- wiſſenſchaftlich.“
Mit dieſen Worten wandte ſich der Philoſoph wieder zu ſeinen Büchern.
Der Erdgeiſt ſtand ſehr niedergeſchlagen da und ſagte:
„Lieber Herr Philoſoph, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe noch nicht recht verſtanden, was Sie meinen. Könnten Sie mir die Sache nicht etwas populärer darſtellen?“
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Mirax.
„Wollen Sie nicht erſt eine Cigarre nehmen? Bitte,
hier. Und nun, womit kann ich dienen?“
„Jch bin der Erdgeiſt Lithoſphäros,“ ſprach der
Geiſt etwas beſänftigter, „und möchte wiſſen, was das
Selbſtbewußtſein iſt, und wie man dazu gelangt.“
Der Philoſoph lächelte ein wenig und ſagte, indem
er ſich ſelbſt eine Cigarre anzündete:
„Das Selbſtbewußtſein iſt die ſynthetiſche Einheit
der Apperception, durch welche das Jch aus dem Zu-
ſtande des lediglich ſubjektiven Erlebniſſes heraustritt,
indem es ſich ſeinem Bewußtſeinsinhalte als dem ihm
gegebenen Objekte gegenüberſetzt. Das ſelbſtbewußte
Bewußtſein unterſcheidet ſich von der bloßen Bewußtheit
dadurch, daß es ein Verhältnis zu ſeinem Erlebnis
beſitzt. Somit wiſſen Sie, was das Selbſtbewußtſein
iſt. Aber wie man dazu gelangen kann, wenn man es
nicht beſitzt, das iſt eine Frage, die niemand beantworten
kann, weil ſie über die Grenzen der Erfahrung hinaus-
geht. Wir können nur analyſieren, was in unſerem
Bewußtſein gegeben iſt; wie es hineinkommt, das iſt
eine unzuläſſige Frage, und ſie zu diskutieren iſt un-
wiſſenſchaftlich.“
Mit dieſen Worten wandte ſich der Philoſoph wieder
zu ſeinen Büchern.
Der Erdgeiſt ſtand ſehr niedergeſchlagen da und ſagte:
„Lieber Herr Philoſoph, nehmen Sie es mir nicht
übel, aber ich habe noch nicht recht verſtanden, was Sie
meinen. Könnten Sie mir die Sache nicht etwas
populärer darſtellen?“
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/204>, abgerufen am 17.06.2024.
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