Glaube eingesogen, später eingedroht und eingeprügelt, wie jener Knecht Ruprecht wird der Schöpfer gemacht, nichts als Furcht und Furcht und Demuth wird gepre¬ digt -- nur die unversiegbare, unzerstörliche Quelle der geistigen Gesundheit des Menschen, nur die Herrschlust der Stärkeren hat die Menschen noch bisher in einer halb aufrechten Stellung erhalten und sie nur theilweise zu Quäkern, Herrnhuthern und dergleichen zusammen¬ knicken lassen. Die lebendige Natur in ihrer Lebendig¬ keit entwickelt lauter Freude, aber wir sollen uns nur "unter Furcht und Zittern" freuen, weil es einst welt¬ beherrschende Römer gegeben hat, die die Welt in straf¬ fen Zügeln hielten, weil es einmal ausgeartete Juden gab, weil einst der trefflichste Mann zwischen dem ga¬ liläischen und todten Meer auf das unwürdigste und tödtlichste verfolgt wurde, weil man vor so vielen Jahr¬ hunderten so furchtsam gedacht oder die Menschen so furchtsam gestempelt hat."
"Was ist denn das für ein Geschenk, was mir keine Freude macht? Welch ein unwürdiger Gedanke von der göttlichen Gerechtigkeit, daß uns etwas aufge¬ drängt werde, was uns nicht gefällt! Was schwatzt Ihr denn vom freien Willen und rühmt Euch dessen,
Glaube eingeſogen, ſpäter eingedroht und eingeprügelt, wie jener Knecht Ruprecht wird der Schöpfer gemacht, nichts als Furcht und Furcht und Demuth wird gepre¬ digt — nur die unverſiegbare, unzerſtörliche Quelle der geiſtigen Geſundheit des Menſchen, nur die Herrſchluſt der Stärkeren hat die Menſchen noch bisher in einer halb aufrechten Stellung erhalten und ſie nur theilweiſe zu Quäkern, Herrnhuthern und dergleichen zuſammen¬ knicken laſſen. Die lebendige Natur in ihrer Lebendig¬ keit entwickelt lauter Freude, aber wir ſollen uns nur „unter Furcht und Zittern“ freuen, weil es einſt welt¬ beherrſchende Römer gegeben hat, die die Welt in ſtraf¬ fen Zügeln hielten, weil es einmal ausgeartete Juden gab, weil einſt der trefflichſte Mann zwiſchen dem ga¬ liläiſchen und todten Meer auf das unwürdigſte und tödtlichſte verfolgt wurde, weil man vor ſo vielen Jahr¬ hunderten ſo furchtſam gedacht oder die Menſchen ſo furchtſam geſtempelt hat.“
„Was iſt denn das für ein Geſchenk, was mir keine Freude macht? Welch ein unwürdiger Gedanke von der göttlichen Gerechtigkeit, daß uns etwas aufge¬ drängt werde, was uns nicht gefällt! Was ſchwatzt Ihr denn vom freien Willen und rühmt Euch deſſen,
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Glaube eingeſogen, ſpäter eingedroht und eingeprügelt,
wie jener Knecht Ruprecht wird der Schöpfer gemacht,
nichts als Furcht und Furcht und Demuth wird gepre¬
digt — nur die unverſiegbare, unzerſtörliche Quelle der
geiſtigen Geſundheit des Menſchen, nur die Herrſchluſt
der Stärkeren hat die Menſchen noch bisher in einer
halb aufrechten Stellung erhalten und ſie nur theilweiſe
zu Quäkern, Herrnhuthern und dergleichen zuſammen¬
knicken laſſen. Die lebendige Natur in ihrer Lebendig¬
keit entwickelt lauter Freude, aber wir ſollen uns nur
„unter Furcht und Zittern“ freuen, weil es einſt welt¬
beherrſchende Römer gegeben hat, die die Welt in ſtraf¬
fen Zügeln hielten, weil es einmal ausgeartete Juden
gab, weil einſt der trefflichſte Mann zwiſchen dem ga¬
liläiſchen und todten Meer auf das unwürdigſte und
tödtlichſte verfolgt wurde, weil man vor ſo vielen Jahr¬
hunderten ſo furchtſam gedacht oder die Menſchen ſo
furchtſam geſtempelt hat.“
„Was iſt denn das für ein Geſchenk, was mir
keine Freude macht? Welch ein unwürdiger Gedanke
von der göttlichen Gerechtigkeit, daß uns etwas aufge¬
drängt werde, was uns nicht gefällt! Was ſchwatzt
Ihr denn vom freien Willen und rühmt Euch deſſen,
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/138>, abgerufen am 17.06.2024.
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