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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Funfzehntes Kapitel,

Dumme Streiche von allerhand Art.



Ein künftiger Dozent hätte billig sollen klug han-
deln. Wir brauchen keine Tugend, sagt der große
Rousseau, wenn wir nur klug sind s). Ich habe
nachher gelernt, daß man unter dem Namen Recht-
schaffenheit, Menschenliebe und überhaupt Tugend
blos Klugheit -- so oder so modificirt -- meynt.
Damals aber verband ich noch mit diesen Worten die
Bedeutungen, welche ich in der Moralphilosophie
gelernt hatte, und fand erst späterhin, daß die Mo-
ralisten gar üble Sprachmeister sind, so wie die Her-
ren Metaphysiker.

Das war nun schon dumm genug! Dem zu-
folge schmeichelte ich niemanden, ich besuchte sogar
keinen, weil ich mich nicht scheniren wollte; und die
Herren sagten denn, wenn von mir die Rede war,
allemal: den Magister Laukhard kennen wir nicht;
wie wir aber hören, so soll er ein Kerl ohne Kopf

s) Il ne faut point de vertu, si nous sommes sages,
heißt der göttliche Spruch.
Funfzehntes Kapitel,

Dumme Streiche von allerhand Art.



Ein kuͤnftiger Dozent haͤtte billig ſollen klug han-
deln. Wir brauchen keine Tugend, ſagt der große
Rouſſeau, wenn wir nur klug ſind s). Ich habe
nachher gelernt, daß man unter dem Namen Recht-
ſchaffenheit, Menſchenliebe und uͤberhaupt Tugend
blos Klugheit — ſo oder ſo modificirt — meynt.
Damals aber verband ich noch mit dieſen Worten die
Bedeutungen, welche ich in der Moralphiloſophie
gelernt hatte, und fand erſt ſpaͤterhin, daß die Mo-
raliſten gar uͤble Sprachmeiſter ſind, ſo wie die Her-
ren Metaphyſiker.

Das war nun ſchon dumm genug! Dem zu-
folge ſchmeichelte ich niemanden, ich beſuchte ſogar
keinen, weil ich mich nicht ſcheniren wollte; und die
Herren ſagten denn, wenn von mir die Rede war,
allemal: den Magiſter Laukhard kennen wir nicht;
wie wir aber hoͤren, ſo ſoll er ein Kerl ohne Kopf

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[178/0180] Funfzehntes Kapitel, Dumme Streiche von allerhand Art. Ein kuͤnftiger Dozent haͤtte billig ſollen klug han- deln. Wir brauchen keine Tugend, ſagt der große Rouſſeau, wenn wir nur klug ſind s). Ich habe nachher gelernt, daß man unter dem Namen Recht- ſchaffenheit, Menſchenliebe und uͤberhaupt Tugend blos Klugheit — ſo oder ſo modificirt — meynt. Damals aber verband ich noch mit dieſen Worten die Bedeutungen, welche ich in der Moralphiloſophie gelernt hatte, und fand erſt ſpaͤterhin, daß die Mo- raliſten gar uͤble Sprachmeiſter ſind, ſo wie die Her- ren Metaphyſiker. Das war nun ſchon dumm genug! Dem zu- folge ſchmeichelte ich niemanden, ich beſuchte ſogar keinen, weil ich mich nicht ſcheniren wollte; und die Herren ſagten denn, wenn von mir die Rede war, allemal: den Magiſter Laukhard kennen wir nicht; wie wir aber hoͤren, ſo ſoll er ein Kerl ohne Kopf s) Il ne faut point de vertu, ſi nous ſommes ſages, heißt der goͤttliche Spruch.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/180>, abgerufen am 26.04.2024.