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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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die Forderungen in ihrer Vielfältigkeit zu verstehen,
ihren Ursprung und ihre Entwicklung zu verfolgen.
So wird z. B. die durch den Kampf ums Dasein
abgestumpfte Lohnarbeiterin erst nach Eingliederung
in eine Berufsorganisation, gestützt auf das einheit-
liche Vorgehen mit ihren Kolleginnen, ihre Forde-
rungen nach Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen,
nach gleichem Lohn für gleiche Leistung, nach ge-
eigneten Schutzgesetzen formulieren können. Erst die
persönliche Anteilnahme an den Problemen, die in
den Berufsvereinen erörtert werden, führt die auf
Erwerb angewiesene Frau zur Stimmrechtsforderung.
Indem sie nämlich in allen Organisationen, die Be-
rufsangelegenheiten berühren, das Stimmrecht an-
strebt, erhält und ausübt, bereitet auch sie den Weg
für die weibliche Gleichberechtigung auf allen Ge-
bieten, also auch in politischer Hinsicht, vor. Ab-
gesehen von einigen befähigten Ausnahmen werden
solche Frauen nur auf diesem subjektiven Wege
begreifen, was Frauenstimmrecht im engeren und
weiteren Sinne bedeutet.

Die Frauen des Mittelstandes und der höheren
Schichten werden in ihren Bemühungen um Re-
formen im Schul- und Fortbildungswesen, um er-
weiterte wissenschaftliche und Berufsbildung, in
ihrem Bestreben nach berechtigtem Aufstieg in Amt
und Stellung die Konsequenz ziehen müssen, daß
zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in allen
Frauenfragen unbedingt das aktive und passive Stimm-
recht in Gemeinde, Staat und Reich gehört. Das
erfahren auch unsere Akademikerinnen, die heute
um Rechte ringen müssen, die den Frauen der Re-
naissance kampflos bewilligt wurden.

Unabhängig von allen Klassenunterschieden und
Gegensätzen wirken deutsche Frauen aller Schichten
seit langem in unermüdlicher Agitation, damit ge-

die Forderungen in ihrer Vielfältigkeit zu verstehen,
ihren Ursprung und ihre Entwicklung zu verfolgen.
So wird z. B. die durch den Kampf ums Dasein
abgestumpfte Lohnarbeiterin erst nach Eingliederung
in eine Berufsorganisation, gestützt auf das einheit-
liche Vorgehen mit ihren Kolleginnen, ihre Forde-
rungen nach Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen,
nach gleichem Lohn für gleiche Leistung, nach ge-
eigneten Schutzgesetzen formulieren können. Erst die
persönliche Anteilnahme an den Problemen, die in
den Berufsvereinen erörtert werden, führt die auf
Erwerb angewiesene Frau zur Stimmrechtsforderung.
Indem sie nämlich in allen Organisationen, die Be-
rufsangelegenheiten berühren, das Stimmrecht an-
strebt, erhält und ausübt, bereitet auch sie den Weg
für die weibliche Gleichberechtigung auf allen Ge-
bieten, also auch in politischer Hinsicht, vor. Ab-
gesehen von einigen befähigten Ausnahmen werden
solche Frauen nur auf diesem subjektiven Wege
begreifen, was Frauenstimmrecht im engeren und
weiteren Sinne bedeutet.

Die Frauen des Mittelstandes und der höheren
Schichten werden in ihren Bemühungen um Re-
formen im Schul- und Fortbildungswesen, um er-
weiterte wissenschaftliche und Berufsbildung, in
ihrem Bestreben nach berechtigtem Aufstieg in Amt
und Stellung die Konsequenz ziehen müssen, daß
zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in allen
Frauenfragen unbedingt das aktive und passive Stimm-
recht in Gemeinde, Staat und Reich gehört. Das
erfahren auch unsere Akademikerinnen, die heute
um Rechte ringen müssen, die den Frauen der Re-
naissance kampflos bewilligt wurden.

Unabhängig von allen Klassenunterschieden und
Gegensätzen wirken deutsche Frauen aller Schichten
seit langem in unermüdlicher Agitation, damit ge-

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[8/0008] die Forderungen in ihrer Vielfältigkeit zu verstehen, ihren Ursprung und ihre Entwicklung zu verfolgen. So wird z. B. die durch den Kampf ums Dasein abgestumpfte Lohnarbeiterin erst nach Eingliederung in eine Berufsorganisation, gestützt auf das einheit- liche Vorgehen mit ihren Kolleginnen, ihre Forde- rungen nach Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, nach gleichem Lohn für gleiche Leistung, nach ge- eigneten Schutzgesetzen formulieren können. Erst die persönliche Anteilnahme an den Problemen, die in den Berufsvereinen erörtert werden, führt die auf Erwerb angewiesene Frau zur Stimmrechtsforderung. Indem sie nämlich in allen Organisationen, die Be- rufsangelegenheiten berühren, das Stimmrecht an- strebt, erhält und ausübt, bereitet auch sie den Weg für die weibliche Gleichberechtigung auf allen Ge- bieten, also auch in politischer Hinsicht, vor. Ab- gesehen von einigen befähigten Ausnahmen werden solche Frauen nur auf diesem subjektiven Wege begreifen, was Frauenstimmrecht im engeren und weiteren Sinne bedeutet. Die Frauen des Mittelstandes und der höheren Schichten werden in ihren Bemühungen um Re- formen im Schul- und Fortbildungswesen, um er- weiterte wissenschaftliche und Berufsbildung, in ihrem Bestreben nach berechtigtem Aufstieg in Amt und Stellung die Konsequenz ziehen müssen, daß zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in allen Frauenfragen unbedingt das aktive und passive Stimm- recht in Gemeinde, Staat und Reich gehört. Das erfahren auch unsere Akademikerinnen, die heute um Rechte ringen müssen, die den Frauen der Re- naissance kampflos bewilligt wurden. Unabhängig von allen Klassenunterschieden und Gegensätzen wirken deutsche Frauen aller Schichten seit langem in unermüdlicher Agitation, damit ge-  

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/8>, abgerufen am 30.04.2024.