Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite


zu sollen; sie fühlte, daß Alle sie bedauern müß-
ten wegen dieser unglückseligen Alternative, und
daß wol Alle mit ihr leiden würden, falls sie
sich wirklich entschließen müßte, den Geliebten
ihrer Ueberzeugung zu opfern. Alle würden es
beklagen, selbst Joseph, der sie ungern Christin
werden sah, und Erlau, der sie liebte -- Alle,
nur Therese nicht. Ja, Therese würde sich
freuen darüber, denn für sie konnte nur daraus
eine Hoffnung erblühen, und, wie sie dieselbe
jetzt kannte, würde Therese eigensüchtig genug
sein, auf den Trümmern von Jenny's Glück-
und Liebestempel sich eifrig ein bürgerliches
Wohnhaus zu gründen. Das sollte und durfte
aber nicht geschehen; Therese sollte nicht ern-
ten, wo Jenny mit ihrem Herzblute gesäet
hatte, und wieder und immer wieder ging sie
daran, Alles durchzudenken, was ihr je von re-
ligiösen Ansichten bekannt geworden war, bis
sie entschieden zu der Ueberzeugung gelangte, die


zu ſollen; ſie fühlte, daß Alle ſie bedauern müß-
ten wegen dieſer unglückſeligen Alternative, und
daß wol Alle mit ihr leiden würden, falls ſie
ſich wirklich entſchließen müßte, den Geliebten
ihrer Ueberzeugung zu opfern. Alle würden es
beklagen, ſelbſt Joſeph, der ſie ungern Chriſtin
werden ſah, und Erlau, der ſie liebte — Alle,
nur Thereſe nicht. Ja, Thereſe würde ſich
freuen darüber, denn für ſie konnte nur daraus
eine Hoffnung erblühen, und, wie ſie dieſelbe
jetzt kannte, würde Thereſe eigenſüchtig genug
ſein, auf den Trümmern von Jenny's Glück-
und Liebestempel ſich eifrig ein bürgerliches
Wohnhaus zu gründen. Das ſollte und durfte
aber nicht geſchehen; Thereſe ſollte nicht ern-
ten, wo Jenny mit ihrem Herzblute geſäet
hatte, und wieder und immer wieder ging ſie
daran, Alles durchzudenken, was ihr je von re-
ligiöſen Anſichten bekannt geworden war, bis
ſie entſchieden zu der Ueberzeugung gelangte, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="21"/><lb/>
zu &#x017F;ollen; &#x017F;ie fühlte, daß Alle &#x017F;ie bedauern müß-<lb/>
ten wegen die&#x017F;er unglück&#x017F;eligen Alternative, und<lb/>
daß wol Alle mit ihr leiden würden, falls &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich wirklich ent&#x017F;chließen müßte, den Geliebten<lb/>
ihrer Ueberzeugung zu opfern. Alle würden es<lb/>
beklagen, &#x017F;elb&#x017F;t Jo&#x017F;eph, der &#x017F;ie ungern Chri&#x017F;tin<lb/>
werden &#x017F;ah, und Erlau, der &#x017F;ie liebte &#x2014; Alle,<lb/>
nur There&#x017F;e nicht. Ja, There&#x017F;e würde &#x017F;ich<lb/>
freuen darüber, denn für &#x017F;ie konnte nur daraus<lb/>
eine Hoffnung erblühen, und, wie &#x017F;ie die&#x017F;elbe<lb/>
jetzt kannte, würde There&#x017F;e eigen&#x017F;üchtig genug<lb/>
&#x017F;ein, auf den Trümmern von Jenny's Glück-<lb/>
und Liebestempel &#x017F;ich eifrig ein bürgerliches<lb/>
Wohnhaus zu gründen. Das &#x017F;ollte und durfte<lb/>
aber nicht ge&#x017F;chehen; There&#x017F;e &#x017F;ollte nicht ern-<lb/>
ten, wo Jenny mit ihrem Herzblute ge&#x017F;äet<lb/>
hatte, und wieder und immer wieder ging &#x017F;ie<lb/>
daran, Alles durchzudenken, was ihr je von re-<lb/>
ligiö&#x017F;en An&#x017F;ichten bekannt geworden war, bis<lb/>
&#x017F;ie ent&#x017F;chieden zu der Ueberzeugung gelangte, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0031] zu ſollen; ſie fühlte, daß Alle ſie bedauern müß- ten wegen dieſer unglückſeligen Alternative, und daß wol Alle mit ihr leiden würden, falls ſie ſich wirklich entſchließen müßte, den Geliebten ihrer Ueberzeugung zu opfern. Alle würden es beklagen, ſelbſt Joſeph, der ſie ungern Chriſtin werden ſah, und Erlau, der ſie liebte — Alle, nur Thereſe nicht. Ja, Thereſe würde ſich freuen darüber, denn für ſie konnte nur daraus eine Hoffnung erblühen, und, wie ſie dieſelbe jetzt kannte, würde Thereſe eigenſüchtig genug ſein, auf den Trümmern von Jenny's Glück- und Liebestempel ſich eifrig ein bürgerliches Wohnhaus zu gründen. Das ſollte und durfte aber nicht geſchehen; Thereſe ſollte nicht ern- ten, wo Jenny mit ihrem Herzblute geſäet hatte, und wieder und immer wieder ging ſie daran, Alles durchzudenken, was ihr je von re- ligiöſen Anſichten bekannt geworden war, bis ſie entſchieden zu der Ueberzeugung gelangte, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/31
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/31>, abgerufen am 30.04.2024.