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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Drittes Buch. Delikte gegen "uneigentliche" Rechtsgüter.
b) die Strafbarkeit der Kuppelei ist, auch wenn die unter-
stützte Unzuchtshandlung selbst vom Gesetze mit Strafe
bedroht sein sollte, durchaus unabhängig von dem
Vorliegen einer Schuld auf Seiten derjenigen, welche
diese Unzuchtshandlung vorgenommen haben;
c) nicht jede Hülfeleistung (z. B. Rat) zur Unzucht, son-
dern nur die Vermittlung, die Gewährung oder Ver-
schaffung von Gelegenheit, d. i. die Herbeiführung eines
solchen Zustandes, welcher der Ausübung der Unzucht
günstigere Bedingungen bietet als früher vorhanden
waren,14 ist Kuppelei.
d) Die Kuppelei ist vollendet mit dem Vermitteln usw.,
mag es auch zu einem Unzuchtsakte selbst nicht ge-
kommen sein15 (eine Ausnahme siehe unten). Kuppelei
kann liegen in dem Vermieten von Wohnungen an
Prostituierte;16 sie liegt in dem Halten von Bordellen,
und daran wird durch polizeiliche Konzessionierung der
Bordelle nicht das Geringste geändert, so lange Reichs-
recht nicht durch Landesrecht, Gesetz nicht durch Verfügung
der administrativen Gewalt gebrochen werden kann.17

Die Kuppelei ist nicht an sich, sondern nur bei dem
Hinzutreten gewisser Umstände, die wir als Bedingungen

14 [Spaltenumbruch] Sehr bestritten. Wenn
RGR. 15. Mai 1880, E II 164,
R I
782 zum Begriffe des
"Verschaffens von Gelegenheit"
die Erklärung von Seiten des
Dritten, zur Benützung dieser
Gelegenheit geneigt zu sein, for-
dert, so kann dem nicht beige-
treten werden.
15 [Spaltenumbruch] Ebenso RGR. 15. Mai 1880,
E II 164, R I 782.
16 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 28. Februar
1880, R I 402; 27. April 1880,
R I 680; 28. Mai 1880, R I
828.
17 [Spaltenumbruch] Im gleichen Sinne ist diese
berühmte Kontroverse entschieden
worden in RGR. 29. Januar
1880, E I 88, R I 291.
Drittes Buch. Delikte gegen „uneigentliche“ Rechtsgüter.
b) die Strafbarkeit der Kuppelei iſt, auch wenn die unter-
ſtützte Unzuchtshandlung ſelbſt vom Geſetze mit Strafe
bedroht ſein ſollte, durchaus unabhängig von dem
Vorliegen einer Schuld auf Seiten derjenigen, welche
dieſe Unzuchtshandlung vorgenommen haben;
c) nicht jede Hülfeleiſtung (z. B. Rat) zur Unzucht, ſon-
dern nur die Vermittlung, die Gewährung oder Ver-
ſchaffung von Gelegenheit, d. i. die Herbeiführung eines
ſolchen Zuſtandes, welcher der Ausübung der Unzucht
günſtigere Bedingungen bietet als früher vorhanden
waren,14 iſt Kuppelei.
d) Die Kuppelei iſt vollendet mit dem Vermitteln uſw.,
mag es auch zu einem Unzuchtsakte ſelbſt nicht ge-
kommen ſein15 (eine Ausnahme ſiehe unten). Kuppelei
kann liegen in dem Vermieten von Wohnungen an
Proſtituierte;16 ſie liegt in dem Halten von Bordellen,
und daran wird durch polizeiliche Konzeſſionierung der
Bordelle nicht das Geringſte geändert, ſo lange Reichs-
recht nicht durch Landesrecht, Geſetz nicht durch Verfügung
der adminiſtrativen Gewalt gebrochen werden kann.17

Die Kuppelei iſt nicht an ſich, ſondern nur bei dem
Hinzutreten gewiſſer Umſtände, die wir als Bedingungen

14 [Spaltenumbruch] Sehr beſtritten. Wenn
RGR. 15. Mai 1880, E II 164,
R I
782 zum Begriffe des
„Verſchaffens von Gelegenheit“
die Erklärung von Seiten des
Dritten, zur Benützung dieſer
Gelegenheit geneigt zu ſein, for-
dert, ſo kann dem nicht beige-
treten werden.
15 [Spaltenumbruch] Ebenſo RGR. 15. Mai 1880,
E II 164, R I 782.
16 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 28. Februar
1880, R I 402; 27. April 1880,
R I 680; 28. Mai 1880, R I
828.
17 [Spaltenumbruch] Im gleichen Sinne iſt dieſe
berühmte Kontroverſe entſchieden
worden in RGR. 29. Januar
1880, E I 88, R I 291.
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[376/0402] Drittes Buch. Delikte gegen „uneigentliche“ Rechtsgüter. b) die Strafbarkeit der Kuppelei iſt, auch wenn die unter- ſtützte Unzuchtshandlung ſelbſt vom Geſetze mit Strafe bedroht ſein ſollte, durchaus unabhängig von dem Vorliegen einer Schuld auf Seiten derjenigen, welche dieſe Unzuchtshandlung vorgenommen haben; c) nicht jede Hülfeleiſtung (z. B. Rat) zur Unzucht, ſon- dern nur die Vermittlung, die Gewährung oder Ver- ſchaffung von Gelegenheit, d. i. die Herbeiführung eines ſolchen Zuſtandes, welcher der Ausübung der Unzucht günſtigere Bedingungen bietet als früher vorhanden waren, 14 iſt Kuppelei. d) Die Kuppelei iſt vollendet mit dem Vermitteln uſw., mag es auch zu einem Unzuchtsakte ſelbſt nicht ge- kommen ſein 15 (eine Ausnahme ſiehe unten). Kuppelei kann liegen in dem Vermieten von Wohnungen an Proſtituierte; 16 ſie liegt in dem Halten von Bordellen, und daran wird durch polizeiliche Konzeſſionierung der Bordelle nicht das Geringſte geändert, ſo lange Reichs- recht nicht durch Landesrecht, Geſetz nicht durch Verfügung der adminiſtrativen Gewalt gebrochen werden kann. 17 Die Kuppelei iſt nicht an ſich, ſondern nur bei dem Hinzutreten gewiſſer Umſtände, die wir als Bedingungen 14 Sehr beſtritten. Wenn RGR. 15. Mai 1880, E II 164, R I 782 zum Begriffe des „Verſchaffens von Gelegenheit“ die Erklärung von Seiten des Dritten, zur Benützung dieſer Gelegenheit geneigt zu ſein, for- dert, ſo kann dem nicht beige- treten werden. 15 Ebenſo RGR. 15. Mai 1880, E II 164, R I 782. 16 Vgl. RGR. 28. Februar 1880, R I 402; 27. April 1880, R I 680; 28. Mai 1880, R I 828. 17 Im gleichen Sinne iſt dieſe berühmte Kontroverſe entſchieden worden in RGR. 29. Januar 1880, E I 88, R I 291.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/402>, abgerufen am 30.04.2024.