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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Der Mond.
(I. S. 145) gesehen, wie man auf der Erde aus der bekannten
Höhe der Sonne und der Länge des Schattens eines Thurmes
die Höhe des letzten finden kann. Ist nämlich in der dort ange-
führten Fig. 9 AB der Thurm und AC die Länge seines Schat-
tens auf dem horizontalen Boden, so ist die Linie CB, über B
hin verlängert, nach der Sonne gerichtet, und der Winkel ACB ist
die Höhe der Sonne (Einl. §. 10), die man mit Hülfe eines
Quadranten (I. §. 43) leicht messen kann, während man die Länge
AC des Schattens auf die gewöhnliche Weise mit einem Maaß-
stabe bestimmt. Kennt man aber in einem bei A rechtwinkligen
Dreiecke ABC eine Seite AC mit ihrem anliegenden Winkel ACB,
so findet man daraus leicht (I. §. 62) auch die diesem Winkel
gegenüberstehende Seite AB oder die gesuchte Höhe des Thurms.
Ganz dasselbe Verfahren wird man nun auch auf die Berge des
Mondes anwenden, deren Schattenlänge man mit dem Mikrometer
messen kann, und wo die Höhe der Sonne über dem Horizonte
des Berges ebenfalls bekannt ist, da sie immer gleich der Entfer-
nung des Berges von der Lichtgränze seyn muß.

§. 140. (Atmosphäre des Mondes.) Der Mond scheint keine,
oder auch nur eine äußerst feine Atmosphäre zu haben. Die Licht-
gränze desselben ist scharf abgeschnitten und das hellste Licht der
einen Seite geht unmittelbar in das tiefste Dunkel der andern
über, während unsere Fernröhre doch bei viel entfernteren Him-
melskörpern, besonders bei der Venus, eine deutliche Abstufung
des Lichtes an dieser Gränze, oder eine Dämmerung zeigen,
die dem Aufgange der Sonne vorhergeht oder ihrem Untergange
folgt. Dieser gänzliche Mangel der Dämmerung bei dem Monde
setzt eine das Licht sehr wenig brechende, also auch wohl sehr wenig
dichte Luft voraus. Dasselbe folgt auch aus den Bedeckungen der
Fixsterne von dem Monde, die in seiner Nähe nicht schwächer
werden und ihr Licht nur allmählig verlieren, sondern die mit
ganz ungetrübtem Glanze bis an seinen Rand hintreten und
dann urplötzlich hinter demselben verschwinden, zum Zeichen, daß
selbst die dem Monde nächsten und dichtesten Schichten seiner At-
mosphäre, wenn diese überhaupt existirt, so fein und durchsichtig
sind, daß sie mit denen unserer Luft nicht weiter verglichen wer-

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Der Mond.
(I. S. 145) geſehen, wie man auf der Erde aus der bekannten
Höhe der Sonne und der Länge des Schattens eines Thurmes
die Höhe des letzten finden kann. Iſt nämlich in der dort ange-
führten Fig. 9 AB der Thurm und AC die Länge ſeines Schat-
tens auf dem horizontalen Boden, ſo iſt die Linie CB, über B
hin verlängert, nach der Sonne gerichtet, und der Winkel ACB iſt
die Höhe der Sonne (Einl. §. 10), die man mit Hülfe eines
Quadranten (I. §. 43) leicht meſſen kann, während man die Länge
AC des Schattens auf die gewöhnliche Weiſe mit einem Maaß-
ſtabe beſtimmt. Kennt man aber in einem bei A rechtwinkligen
Dreiecke ABC eine Seite AC mit ihrem anliegenden Winkel ACB,
ſo findet man daraus leicht (I. §. 62) auch die dieſem Winkel
gegenüberſtehende Seite AB oder die geſuchte Höhe des Thurms.
Ganz daſſelbe Verfahren wird man nun auch auf die Berge des
Mondes anwenden, deren Schattenlänge man mit dem Mikrometer
meſſen kann, und wo die Höhe der Sonne über dem Horizonte
des Berges ebenfalls bekannt iſt, da ſie immer gleich der Entfer-
nung des Berges von der Lichtgränze ſeyn muß.

§. 140. (Atmoſphäre des Mondes.) Der Mond ſcheint keine,
oder auch nur eine äußerſt feine Atmoſphäre zu haben. Die Licht-
gränze deſſelben iſt ſcharf abgeſchnitten und das hellſte Licht der
einen Seite geht unmittelbar in das tiefſte Dunkel der andern
über, während unſere Fernröhre doch bei viel entfernteren Him-
melskörpern, beſonders bei der Venus, eine deutliche Abſtufung
des Lichtes an dieſer Gränze, oder eine Dämmerung zeigen,
die dem Aufgange der Sonne vorhergeht oder ihrem Untergange
folgt. Dieſer gänzliche Mangel der Dämmerung bei dem Monde
ſetzt eine das Licht ſehr wenig brechende, alſo auch wohl ſehr wenig
dichte Luft voraus. Daſſelbe folgt auch aus den Bedeckungen der
Fixſterne von dem Monde, die in ſeiner Nähe nicht ſchwächer
werden und ihr Licht nur allmählig verlieren, ſondern die mit
ganz ungetrübtem Glanze bis an ſeinen Rand hintreten und
dann urplötzlich hinter demſelben verſchwinden, zum Zeichen, daß
ſelbſt die dem Monde nächſten und dichteſten Schichten ſeiner At-
moſphäre, wenn dieſe überhaupt exiſtirt, ſo fein und durchſichtig
ſind, daß ſie mit denen unſerer Luft nicht weiter verglichen wer-

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[195/0205] Der Mond. (I. S. 145) geſehen, wie man auf der Erde aus der bekannten Höhe der Sonne und der Länge des Schattens eines Thurmes die Höhe des letzten finden kann. Iſt nämlich in der dort ange- führten Fig. 9 AB der Thurm und AC die Länge ſeines Schat- tens auf dem horizontalen Boden, ſo iſt die Linie CB, über B hin verlängert, nach der Sonne gerichtet, und der Winkel ACB iſt die Höhe der Sonne (Einl. §. 10), die man mit Hülfe eines Quadranten (I. §. 43) leicht meſſen kann, während man die Länge AC des Schattens auf die gewöhnliche Weiſe mit einem Maaß- ſtabe beſtimmt. Kennt man aber in einem bei A rechtwinkligen Dreiecke ABC eine Seite AC mit ihrem anliegenden Winkel ACB, ſo findet man daraus leicht (I. §. 62) auch die dieſem Winkel gegenüberſtehende Seite AB oder die geſuchte Höhe des Thurms. Ganz daſſelbe Verfahren wird man nun auch auf die Berge des Mondes anwenden, deren Schattenlänge man mit dem Mikrometer meſſen kann, und wo die Höhe der Sonne über dem Horizonte des Berges ebenfalls bekannt iſt, da ſie immer gleich der Entfer- nung des Berges von der Lichtgränze ſeyn muß. §. 140. (Atmoſphäre des Mondes.) Der Mond ſcheint keine, oder auch nur eine äußerſt feine Atmoſphäre zu haben. Die Licht- gränze deſſelben iſt ſcharf abgeſchnitten und das hellſte Licht der einen Seite geht unmittelbar in das tiefſte Dunkel der andern über, während unſere Fernröhre doch bei viel entfernteren Him- melskörpern, beſonders bei der Venus, eine deutliche Abſtufung des Lichtes an dieſer Gränze, oder eine Dämmerung zeigen, die dem Aufgange der Sonne vorhergeht oder ihrem Untergange folgt. Dieſer gänzliche Mangel der Dämmerung bei dem Monde ſetzt eine das Licht ſehr wenig brechende, alſo auch wohl ſehr wenig dichte Luft voraus. Daſſelbe folgt auch aus den Bedeckungen der Fixſterne von dem Monde, die in ſeiner Nähe nicht ſchwächer werden und ihr Licht nur allmählig verlieren, ſondern die mit ganz ungetrübtem Glanze bis an ſeinen Rand hintreten und dann urplötzlich hinter demſelben verſchwinden, zum Zeichen, daß ſelbſt die dem Monde nächſten und dichteſten Schichten ſeiner At- moſphäre, wenn dieſe überhaupt exiſtirt, ſo fein und durchſichtig ſind, daß ſie mit denen unſerer Luft nicht weiter verglichen wer- 13 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/205>, abgerufen am 30.04.2024.