Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
war/ also hielt er diese Kunst nichts minder/ alsSolon/ der die Atheniensische Jugend durch ein Gesetze zu der Erlernung verband/ für eine hochnöthige und nützliche Sache; und zwar auch selbst den Fürsten. Denn ob diese zwar nicht Perlen fischen/ noch wie zur Zeit des Xer- res Scylias aus dem Schwimmen Schau- Spiele machen dörffen; so können sie doch leicht in eine Noth verfallen/ aus welcher nichts/ als diese Geschickligkeit ihr Leben retten kan. Da- hingegen wegen dieser Unwissenheit in der Schlacht bey Salamine so viel Persische Für- sten; und als Himilco Meßina einnahm/ so viel edle Sicilier ertrincken/ und der grosse Alexan- der bey Risa über seine Ungeschickligkeit sich be- weglich beklagen musten; der geharnschte Co- cles aber in der Tiber/ und Kayser Julius im Meere bey Alexandria mit ihrem Schwim- men nichts minder einen unsterblichen Ruhm erworben/ als ihre Wolfarth erhalten. Agrip- pa/ der sonst fast zu allem ungeschickt war/ hatte doch aus des Fürsten Herrmanns Anleitung darinnen ziemlich viel begrieffen; daher machte er nicht alleine ein Handwerck/ sondern suchte auch Ehre daraus. Es ward einer der grösten Krocodiln in den mit Wasser hochangespannten Renneplatz gelassen/ als der in ein leichtes weis- ses seidenes Gewand gekleidete Agrippa aus einem eröffneten Eingange in diß Wasser sprang/ und in einer Hand mit einer Sichel/ in der andern mit einem Spieße diesem grimmigen Thiere entgegen schwam. August/ als ein Zuschauer dieser Lust/ konte sich nicht enthalten bey dieser Gefabr mit Worten und Geberden alle Anwesenden um Rettung seines bereit in dem Rachen des Todes steckenden Enckels an- zuflehen. Zumahl dieses grausame Thier den Agrippa zeitlich in die Flucht brachte. Die An- gelhacken waren bereit verbraucht; die Pfeile fielen auf den Rücken vergebens; und es wäre um Agrippen sonder Zweiffel gethan gewest; wenn sich nicht Fürst Herrmann ins Wasser [Spaltenumbruch] gestürtzt/ den Krotodil anfangs mit seinem De- gen gencckt/ und Agrippen zu verlassen verlei- tet; hernach aber diesem Spieß und Sichel aus- gerissen/ und das er grimmte Thier behertzt an- gegriffen hätte. Dieses schoß zwar wie ein Blitz auff ihn zu; aber er wiech schwimmende mit unglaublicher Geschwindigkeit nicht allein auf die Seite; sondern versätzte ihm auch mit der Sichel zwey tieffe Wunden in Bauch; ehe es sich umwenden konte. Als diß aber mit noch grösserem Grimme geschah; wendete sich Herr- mann abermahls; und brachte dem Krocodile zwey noch tieffere Wunden bey; also: daß sich das gantze Wasser darvon röthete/ und diß Unge- heuer nunmehr alle seine Bewegungs-Krafft zu verlieren schien. Wie ihm nun Herrmann den letzten Streich beyzubringen bemüht war/ machte ihn das Geschrey des Volckes aufsich- tig: daß ein ander entweder aus Unvorsichtig- keit der Bewahrer/ oder auch durch Arglist aus- gelassener Krocodil so nahe ihm entgegen schoß: daß er keine Zeit hatte ihm auszuweichen/ son- dern er den in der Hand habenden Wurffspieß ihm in den aufgesperrten Rachen schieben mu- ste. Dieser Bissen hielt seinen Feind so lange auff: daß Herrmann die Seite des Crocodils erreichte; und weil selbter über dem Spiesse käuete/ ihm durch drey Schnitte Zorn und Le- ben benahm; also zwischen dem Zuruffe des fro- lockenden Volckes unversehrt seinen erstern Sitz erreichte. Fürst Herrmann hätte den Kayser durch Eroberung eines Königreichs ihm nicht so sehr/ als durch Errettung des al- bern Agrippa verbinden können. Denn es ist sich nicht über die Blindheit der Eltern zu ver- wundern: daß sie die Gebrechen ihrer Kinder nicht selten für anständige Maale ansehen; wel- che/ wie das gläserne Schmeltz dem Golde/ eine mehrere Zierde beysetzen. Sintemahl ihre thumme Affen-Liebe sie zuweilen in dem Schlam- me der Wollüste erstecket; oder zwischen den Flammen der angereitzten Begierden der Ehr- sucht
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
war/ alſo hielt er dieſe Kunſt nichts minder/ alsSolon/ der die Athenienſiſche Jugend durch ein Geſetze zu der Erlernung verband/ fuͤr eine hochnoͤthige und nuͤtzliche Sache; und zwar auch ſelbſt den Fuͤrſten. Denn ob dieſe zwar nicht Perlen fiſchen/ noch wie zur Zeit des Xer- res Scylias aus dem Schwimmen Schau- Spiele machen doͤrffen; ſo koͤnnen ſie doch leicht in eine Noth verfallen/ aus welcher nichts/ als dieſe Geſchickligkeit ihr Leben retten kan. Da- hingegen wegen dieſer Unwiſſenheit in der Schlacht bey Salamine ſo viel Perſiſche Fuͤr- ſten; und als Himilco Meßina einnahm/ ſo viel edle Sicilier ertrincken/ und der groſſe Alexan- der bey Riſa uͤber ſeine Ungeſchickligkeit ſich be- weglich beklagen muſten; der geharnſchte Co- cles aber in der Tiber/ und Kayſer Julius im Meere bey Alexandria mit ihrem Schwim- men nichts minder einen unſterblichen Ruhm erworben/ als ihre Wolfarth erhalten. Agrip- pa/ der ſonſt faſt zu allem ungeſchickt war/ hatte doch aus des Fuͤrſten Herrmanns Anleitung darinnen ziemlich viel begrieffen; daher machte er nicht alleine ein Handwerck/ ſondern ſuchte auch Ehre daraus. Es ward einer der groͤſten Krocodiln in den mit Waſſer hochangeſpannten Renneplatz gelaſſen/ als der in ein leichtes weiſ- ſes ſeidenes Gewand gekleidete Agrippa aus einem eroͤffneten Eingange in diß Waſſer ſprang/ und in einer Hand mit einer Sichel/ in der andern mit einem Spieße dieſem grim̃igen Thiere entgegen ſchwam. Auguſt/ als ein Zuſchauer dieſer Luſt/ konte ſich nicht enthalten bey dieſer Gefabr mit Worten und Geberden alle Anweſenden um Rettung ſeines bereit in dem Rachen des Todes ſteckenden Enckels an- zuflehen. Zumahl dieſes grauſame Thier den Agrippa zeitlich in die Flucht brachte. Die An- gelhacken waren bereit verbraucht; die Pfeile fielen auf den Ruͤcken vergebens; und es waͤre um Agrippen ſonder Zweiffel gethan geweſt; wenn ſich nicht Fuͤrſt Herrmann ins Waſſer [Spaltenumbruch] geſtuͤrtzt/ den Krotodil anfangs mit ſeinem De- gen gencckt/ und Agrippen zu verlaſſen verlei- tet; hernach aber dieſem Spieß und Sichel aus- geriſſen/ und das er grimmte Thier behertzt an- gegriffen haͤtte. Dieſes ſchoß zwar wie ein Blitz auff ihn zu; aber er wiech ſchwimmende mit unglaublicher Geſchwindigkeit nicht allein auf die Seite; ſondern verſaͤtzte ihm auch mit der Sichel zwey tieffe Wunden in Bauch; ehe es ſich umwenden konte. Als diß aber mit noch groͤſſerem Grimme geſchah; wendete ſich Herr- mann abermahls; und brachte dem Krocodile zwey noch tieffere Wunden bey; alſo: daß ſich das gantze Waſſer darvon roͤthete/ und diß Unge- heuer nunmehr alle ſeine Bewegungs-Krafft zu verlieren ſchien. Wie ihm nun Herrmann den letzten Streich beyzubringen bemuͤht war/ machte ihn das Geſchrey des Volckes aufſich- tig: daß ein ander entweder aus Unvorſichtig- keit der Bewahrer/ oder auch durch Argliſt aus- gelaſſener Krocodil ſo nahe ihm entgegen ſchoß: daß er keine Zeit hatte ihm auszuweichen/ ſon- dern er den in der Hand habenden Wurffſpieß ihm in den aufgeſperrten Rachen ſchieben mu- ſte. Dieſer Biſſen hielt ſeinen Feind ſo lange auff: daß Herrmann die Seite des Crocodils erreichte; und weil ſelbter uͤber dem Spieſſe kaͤuete/ ihm durch drey Schnitte Zorn und Le- ben benahm; alſo zwiſchen dem Zuruffe des fro- lockenden Volckes unverſehrt ſeinen erſtern Sitz erreichte. Fuͤrſt Herrmann haͤtte den Kayſer durch Eroberung eines Koͤnigreichs ihm nicht ſo ſehr/ als durch Errettung des al- bern Agrippa verbinden koͤnnen. Denn es iſt ſich nicht uͤber die Blindheit der Eltern zu ver- wundern: daß ſie die Gebrechen ihrer Kinder nicht ſelten fuͤr anſtaͤndige Maale anſehen; wel- che/ wie das glaͤſerne Schmeltz dem Golde/ eine mehrere Zierde beyſetzen. Sintemahl ihre thum̃e Affen-Liebe ſie zuweilen in dem Schlam- me der Wolluͤſte erſtecket; oder zwiſchen den Flammen der angereitzten Begierden der Ehr- ſucht
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Achtes Buch
war/ alſo hielt er dieſe Kunſt nichts minder/ als
Solon/ der die Athenienſiſche Jugend durch
ein Geſetze zu der Erlernung verband/ fuͤr eine
hochnoͤthige und nuͤtzliche Sache; und zwar
auch ſelbſt den Fuͤrſten. Denn ob dieſe zwar
nicht Perlen fiſchen/ noch wie zur Zeit des Xer-
res Scylias aus dem Schwimmen Schau-
Spiele machen doͤrffen; ſo koͤnnen ſie doch leicht
in eine Noth verfallen/ aus welcher nichts/ als
dieſe Geſchickligkeit ihr Leben retten kan. Da-
hingegen wegen dieſer Unwiſſenheit in der
Schlacht bey Salamine ſo viel Perſiſche Fuͤr-
ſten; und als Himilco Meßina einnahm/ ſo viel
edle Sicilier ertrincken/ und der groſſe Alexan-
der bey Riſa uͤber ſeine Ungeſchickligkeit ſich be-
weglich beklagen muſten; der geharnſchte Co-
cles aber in der Tiber/ und Kayſer Julius im
Meere bey Alexandria mit ihrem Schwim-
men nichts minder einen unſterblichen Ruhm
erworben/ als ihre Wolfarth erhalten. Agrip-
pa/ der ſonſt faſt zu allem ungeſchickt war/ hatte
doch aus des Fuͤrſten Herrmanns Anleitung
darinnen ziemlich viel begrieffen; daher machte
er nicht alleine ein Handwerck/ ſondern ſuchte
auch Ehre daraus. Es ward einer der groͤſten
Krocodiln in den mit Waſſer hochangeſpannten
Renneplatz gelaſſen/ als der in ein leichtes weiſ-
ſes ſeidenes Gewand gekleidete Agrippa aus
einem eroͤffneten Eingange in diß Waſſer
ſprang/ und in einer Hand mit einer Sichel/ in
der andern mit einem Spieße dieſem grim̃igen
Thiere entgegen ſchwam. Auguſt/ als ein
Zuſchauer dieſer Luſt/ konte ſich nicht enthalten
bey dieſer Gefabr mit Worten und Geberden
alle Anweſenden um Rettung ſeines bereit in
dem Rachen des Todes ſteckenden Enckels an-
zuflehen. Zumahl dieſes grauſame Thier den
Agrippa zeitlich in die Flucht brachte. Die An-
gelhacken waren bereit verbraucht; die Pfeile
fielen auf den Ruͤcken vergebens; und es waͤre
um Agrippen ſonder Zweiffel gethan geweſt;
wenn ſich nicht Fuͤrſt Herrmann ins Waſſer
geſtuͤrtzt/ den Krotodil anfangs mit ſeinem De-
gen gencckt/ und Agrippen zu verlaſſen verlei-
tet; hernach aber dieſem Spieß und Sichel aus-
geriſſen/ und das er grimmte Thier behertzt an-
gegriffen haͤtte. Dieſes ſchoß zwar wie ein Blitz
auff ihn zu; aber er wiech ſchwimmende mit
unglaublicher Geſchwindigkeit nicht allein auf
die Seite; ſondern verſaͤtzte ihm auch mit der
Sichel zwey tieffe Wunden in Bauch; ehe es
ſich umwenden konte. Als diß aber mit noch
groͤſſerem Grimme geſchah; wendete ſich Herr-
mann abermahls; und brachte dem Krocodile
zwey noch tieffere Wunden bey; alſo: daß ſich das
gantze Waſſer darvon roͤthete/ und diß Unge-
heuer nunmehr alle ſeine Bewegungs-Krafft
zu verlieren ſchien. Wie ihm nun Herrmann
den letzten Streich beyzubringen bemuͤht war/
machte ihn das Geſchrey des Volckes aufſich-
tig: daß ein ander entweder aus Unvorſichtig-
keit der Bewahrer/ oder auch durch Argliſt aus-
gelaſſener Krocodil ſo nahe ihm entgegen ſchoß:
daß er keine Zeit hatte ihm auszuweichen/ ſon-
dern er den in der Hand habenden Wurffſpieß
ihm in den aufgeſperrten Rachen ſchieben mu-
ſte. Dieſer Biſſen hielt ſeinen Feind ſo lange
auff: daß Herrmann die Seite des Crocodils
erreichte; und weil ſelbter uͤber dem Spieſſe
kaͤuete/ ihm durch drey Schnitte Zorn und Le-
ben benahm; alſo zwiſchen dem Zuruffe des fro-
lockenden Volckes unverſehrt ſeinen erſtern
Sitz erreichte. Fuͤrſt Herrmann haͤtte den
Kayſer durch Eroberung eines Koͤnigreichs
ihm nicht ſo ſehr/ als durch Errettung des al-
bern Agrippa verbinden koͤnnen. Denn es iſt
ſich nicht uͤber die Blindheit der Eltern zu ver-
wundern: daß ſie die Gebrechen ihrer Kinder
nicht ſelten fuͤr anſtaͤndige Maale anſehen; wel-
che/ wie das glaͤſerne Schmeltz dem Golde/ eine
mehrere Zierde beyſetzen. Sintemahl ihre
thum̃e Affen-Liebe ſie zuweilen in dem Schlam-
me der Wolluͤſte erſtecket; oder zwiſchen den
Flammen der angereitzten Begierden der Ehr-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1224[1226]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1290>, abgerufen am 18.06.2024. |