Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Müller schritt langsam vorwärts, bis er an den Tisch kam, der in der Mitte stand, und sagte mit seiner vollen, kräftigen Stimme: Die Gläser stellt weg und legt die Karten bei Seite. Beides taugt nicht zu dem, was ich euch zu sagen habe! Die Leute thaten, wie er gebot, und erhoben sich gleichzeitig. Der Müller stemmte die Hand des Arms auf den Tisch und fuhr fort: Ihr wißt, Freunde, daß ich wider meinen Willen in mein Haus zurückgebracht wurde, und daß ohne mein Wissen und Wollen inzwischen ein Krieg gegen die ordentliche Gewalt geführt worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob wir befugt waren, so zu handeln, wie gehandelt worden ist; genug, jetzt ist's nicht zu ändern, es muß mit allen Folgen hingenommen werden. Ich danke Allen, die sich aus Liebe und Treue zu mir so großer Gefahr ausgesetzt haben. Sie haben es auf ihre Art gut gemeint. Aber das Alles kann nicht fortgehen, wie es bisher gegangen, und kann nicht dauern. Nur wer sich selbst was weiß macht kann glauben, daß wir im Stande sind, der Macht draußen auf die Länge zu trotzen, oder sie zum Frieden zu zwingen. Vor einer Woche schickte sie zehn Leute, drei Tage später zwanzig, heute oder morgen können hundert da sein. Doch das ist's nicht allein. Empörung und Unrecht soll sich nicht ausbreiten, wie ein böses Geschwür oder wie ein heimlich im Gebälk Der Müller schritt langsam vorwärts, bis er an den Tisch kam, der in der Mitte stand, und sagte mit seiner vollen, kräftigen Stimme: Die Gläser stellt weg und legt die Karten bei Seite. Beides taugt nicht zu dem, was ich euch zu sagen habe! Die Leute thaten, wie er gebot, und erhoben sich gleichzeitig. Der Müller stemmte die Hand des Arms auf den Tisch und fuhr fort: Ihr wißt, Freunde, daß ich wider meinen Willen in mein Haus zurückgebracht wurde, und daß ohne mein Wissen und Wollen inzwischen ein Krieg gegen die ordentliche Gewalt geführt worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob wir befugt waren, so zu handeln, wie gehandelt worden ist; genug, jetzt ist's nicht zu ändern, es muß mit allen Folgen hingenommen werden. Ich danke Allen, die sich aus Liebe und Treue zu mir so großer Gefahr ausgesetzt haben. Sie haben es auf ihre Art gut gemeint. Aber das Alles kann nicht fortgehen, wie es bisher gegangen, und kann nicht dauern. Nur wer sich selbst was weiß macht kann glauben, daß wir im Stande sind, der Macht draußen auf die Länge zu trotzen, oder sie zum Frieden zu zwingen. Vor einer Woche schickte sie zehn Leute, drei Tage später zwanzig, heute oder morgen können hundert da sein. Doch das ist's nicht allein. Empörung und Unrecht soll sich nicht ausbreiten, wie ein böses Geschwür oder wie ein heimlich im Gebälk <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="11"> <pb facs="#f0073"/> <p>Der Müller schritt langsam vorwärts, bis er an den Tisch kam, der in der Mitte stand, und sagte mit seiner vollen, kräftigen Stimme:</p><lb/> <p>Die Gläser stellt weg und legt die Karten bei Seite. Beides taugt nicht zu dem, was ich euch zu sagen habe!</p><lb/> <p>Die Leute thaten, wie er gebot, und erhoben sich gleichzeitig. Der Müller stemmte die Hand des Arms auf den Tisch und fuhr fort:</p><lb/> <p>Ihr wißt, Freunde, daß ich wider meinen Willen in mein Haus zurückgebracht wurde, und daß ohne mein Wissen und Wollen inzwischen ein Krieg gegen die ordentliche Gewalt geführt worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob wir befugt waren, so zu handeln, wie gehandelt worden ist; genug, jetzt ist's nicht zu ändern, es muß mit allen Folgen hingenommen werden. Ich danke Allen, die sich aus Liebe und Treue zu mir so großer Gefahr ausgesetzt haben. Sie haben es auf ihre Art gut gemeint. Aber das Alles kann nicht fortgehen, wie es bisher gegangen, und kann nicht dauern. Nur wer sich selbst was weiß macht kann glauben, daß wir im Stande sind, der Macht draußen auf die Länge zu trotzen, oder sie zum Frieden zu zwingen. Vor einer Woche schickte sie zehn Leute, drei Tage später zwanzig, heute oder morgen können hundert da sein. Doch das ist's nicht allein. Empörung und Unrecht soll sich nicht ausbreiten, wie ein böses Geschwür oder wie ein heimlich im Gebälk<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
Der Müller schritt langsam vorwärts, bis er an den Tisch kam, der in der Mitte stand, und sagte mit seiner vollen, kräftigen Stimme:
Die Gläser stellt weg und legt die Karten bei Seite. Beides taugt nicht zu dem, was ich euch zu sagen habe!
Die Leute thaten, wie er gebot, und erhoben sich gleichzeitig. Der Müller stemmte die Hand des Arms auf den Tisch und fuhr fort:
Ihr wißt, Freunde, daß ich wider meinen Willen in mein Haus zurückgebracht wurde, und daß ohne mein Wissen und Wollen inzwischen ein Krieg gegen die ordentliche Gewalt geführt worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob wir befugt waren, so zu handeln, wie gehandelt worden ist; genug, jetzt ist's nicht zu ändern, es muß mit allen Folgen hingenommen werden. Ich danke Allen, die sich aus Liebe und Treue zu mir so großer Gefahr ausgesetzt haben. Sie haben es auf ihre Art gut gemeint. Aber das Alles kann nicht fortgehen, wie es bisher gegangen, und kann nicht dauern. Nur wer sich selbst was weiß macht kann glauben, daß wir im Stande sind, der Macht draußen auf die Länge zu trotzen, oder sie zum Frieden zu zwingen. Vor einer Woche schickte sie zehn Leute, drei Tage später zwanzig, heute oder morgen können hundert da sein. Doch das ist's nicht allein. Empörung und Unrecht soll sich nicht ausbreiten, wie ein böses Geschwür oder wie ein heimlich im Gebälk
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/73>, abgerufen am 17.06.2024. |