vielmehr gelten lassen. Niemand hat es ver- sucht, zwischen Lehrmeinung und Recht den min- desten Zusammenhang zu zeigen. Niemand hat einen Fehler in der Schlußfolge aufgedeckt, daß mein Beystimmen oder Nichtbeystimmen in ge- wisse ewige Wahrheiten mir kein Recht über Dinge, keine Befugniß ertheilen, über Güter und Gemüther nach eigenem Belieben zu schal- ten. Und gleichwohl haben sie bey dem unmit- telbaren Resultate derselben, wie bey einer un- erwarteten Erscheinung, gestutzt. Wie? So giebt es überall kein Kirchenrecht? So beruhet alles, was so viele Schriftsteller, was wir selbst vielleicht über das Kirchenrecht geschrieben, ge- lesen, gehört und disputirt haben, auf grundlo- sem Boden? -- Dieses schien ihnen zu weit zu gehen, und gleichwol muß in der Schlußfolge ein verborgener Fehler liegen, wenn das Resul- tat nicht nothwendig wahr seyn soll.
In den Göttingischen Anzeigen führt der Recensent meine Behauptung an, daß es kein Recht auf Personen und Dinge gebe, welches mit Lehrmeinungen zusammenhänge, und daß alle Verträge und Abkommnisse der Menschen kein
solches
vielmehr gelten laſſen. Niemand hat es ver- ſucht, zwiſchen Lehrmeinung und Recht den min- deſten Zuſammenhang zu zeigen. Niemand hat einen Fehler in der Schlußfolge aufgedeckt, daß mein Beyſtimmen oder Nichtbeyſtimmen in ge- wiſſe ewige Wahrheiten mir kein Recht uͤber Dinge, keine Befugniß ertheilen, uͤber Guͤter und Gemuͤther nach eigenem Belieben zu ſchal- ten. Und gleichwohl haben ſie bey dem unmit- telbaren Reſultate derſelben, wie bey einer un- erwarteten Erſcheinung, geſtutzt. Wie? So giebt es uͤberall kein Kirchenrecht? So beruhet alles, was ſo viele Schriftſteller, was wir ſelbſt vielleicht uͤber das Kirchenrecht geſchrieben, ge- leſen, gehoͤrt und diſputirt haben, auf grundlo- ſem Boden? — Dieſes ſchien ihnen zu weit zu gehen, und gleichwol muß in der Schlußfolge ein verborgener Fehler liegen, wenn das Reſul- tat nicht nothwendig wahr ſeyn ſoll.
In den Goͤttingiſchen Anzeigen fuͤhrt der Recenſent meine Behauptung an, daß es kein Recht auf Perſonen und Dinge gebe, welches mit Lehrmeinungen zuſammenhaͤnge, und daß alle Vertraͤge und Abkommniſſe der Menſchen kein
ſolches
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vielmehr gelten laſſen. Niemand hat es ver-
ſucht, zwiſchen Lehrmeinung und Recht den min-
deſten Zuſammenhang zu zeigen. Niemand hat
einen Fehler in der Schlußfolge aufgedeckt, daß
mein Beyſtimmen oder Nichtbeyſtimmen in ge-
wiſſe ewige Wahrheiten mir kein Recht uͤber
Dinge, keine Befugniß ertheilen, uͤber Guͤter
und Gemuͤther nach eigenem Belieben zu ſchal-
ten. Und gleichwohl haben ſie bey dem unmit-
telbaren Reſultate derſelben, wie bey einer un-
erwarteten Erſcheinung, geſtutzt. Wie? So
giebt es uͤberall kein Kirchenrecht? So beruhet
alles, was ſo viele Schriftſteller, was wir ſelbſt
vielleicht uͤber das Kirchenrecht geſchrieben, ge-
leſen, gehoͤrt und diſputirt haben, auf grundlo-
ſem Boden? — Dieſes ſchien ihnen zu weit zu
gehen, und gleichwol muß in der Schlußfolge
ein verborgener Fehler liegen, wenn das Reſul-
tat nicht nothwendig wahr ſeyn ſoll.
In den Goͤttingiſchen Anzeigen fuͤhrt der
Recenſent meine Behauptung an, daß es kein
Recht auf Perſonen und Dinge gebe, welches
mit Lehrmeinungen zuſammenhaͤnge, und daß
alle Vertraͤge und Abkommniſſe der Menſchen kein
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/113>, abgerufen am 16.06.2024.
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