von Beleidigung der Majestät Gottes ver- anlasset, und dieser im buchstäblichen Verstande genommen, jene unstatthafte Meynung von der Ewigkeit der Höllenstrafen zur Welt gebracht, deren fernerer Mißbrauch nicht viel weniger Menschen in diesen Leben wirklich elend gemacht, als sie der Theorie nach, in jener Zukunft un- glückselig machet. Mein philosophischer Freund kam mit mir darin überein, daß Gott den Men- schen erschaffen, zu seiner, d. i. des Menschen Glückseligkeit, und daß er ihm Gesetze gege- ben, zu seiner, d. i. des Menschen Glückselig- keit. Wenn die mindeste Uebertretung dieser Gesetze, nach Verhältniß der Majestät des Ge- setzgebers bestraft werden, und also ewiges Elend zur Folge haben soll; so hat Gott diese Gesetze dem Menschen zum Verderben gegeben. Ohne die Gesetze eines so unendlich erhabenen Wesens, würde der Mensch nicht haben ewig elend seyn dürfen. O wenn die Menschen, ohne göttliche Gesetze, weniger elend seyn könnten, wer zweifelt daran, daß sie Gott mit dem Feuer seiner Gesetze verschont haben würde, da es sie so unwiderbringlich verzehren muß? -- Dieses
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von Beleidigung der Majeſtaͤt Gottes ver- anlaſſet, und dieſer im buchſtaͤblichen Verſtande genommen, jene unſtatthafte Meynung von der Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen zur Welt gebracht, deren fernerer Mißbrauch nicht viel weniger Menſchen in dieſen Leben wirklich elend gemacht, als ſie der Theorie nach, in jener Zukunft un- gluͤckſelig machet. Mein philoſophiſcher Freund kam mit mir darin uͤberein, daß Gott den Men- ſchen erſchaffen, zu ſeiner, d. i. des Menſchen Gluͤckſeligkeit, und daß er ihm Geſetze gege- ben, zu ſeiner, d. i. des Menſchen Gluͤckſelig- keit. Wenn die mindeſte Uebertretung dieſer Geſetze, nach Verhaͤltniß der Majeſtaͤt des Ge- ſetzgebers beſtraft werden, und alſo ewiges Elend zur Folge haben ſoll; ſo hat Gott dieſe Geſetze dem Menſchen zum Verderben gegeben. Ohne die Geſetze eines ſo unendlich erhabenen Weſens, wuͤrde der Menſch nicht haben ewig elend ſeyn duͤrfen. O wenn die Menſchen, ohne goͤttliche Geſetze, weniger elend ſeyn koͤnnten, wer zweifelt daran, daß ſie Gott mit dem Feuer ſeiner Geſetze verſchont haben wuͤrde, da es ſie ſo unwiderbringlich verzehren muß? — Dieſes
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von Beleidigung der Majeſtaͤt Gottes ver-
anlaſſet, und dieſer im buchſtaͤblichen Verſtande
genommen, jene unſtatthafte Meynung von der
Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen zur Welt gebracht,
deren fernerer Mißbrauch nicht viel weniger
Menſchen in dieſen Leben wirklich elend gemacht,
als ſie der Theorie nach, in jener Zukunft un-
gluͤckſelig machet. Mein philoſophiſcher Freund
kam mit mir darin uͤberein, daß Gott den Men-
ſchen erſchaffen, zu ſeiner, d. i. des Menſchen
Gluͤckſeligkeit, und daß er ihm Geſetze gege-
ben, zu ſeiner, d. i. des Menſchen Gluͤckſelig-
keit. Wenn die mindeſte Uebertretung dieſer
Geſetze, nach Verhaͤltniß der Majeſtaͤt des Ge-
ſetzgebers beſtraft werden, und alſo ewiges
Elend zur Folge haben ſoll; ſo hat Gott dieſe
Geſetze dem Menſchen zum Verderben gegeben.
Ohne die Geſetze eines ſo unendlich erhabenen
Weſens, wuͤrde der Menſch nicht haben ewig
elend ſeyn duͤrfen. O wenn die Menſchen, ohne
goͤttliche Geſetze, weniger elend ſeyn koͤnnten,
wer zweifelt daran, daß ſie Gott mit dem Feuer
ſeiner Geſetze verſchont haben wuͤrde, da es ſie
ſo unwiderbringlich verzehren muß? — Dieſes
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/208>, abgerufen am 16.06.2024.
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