Weise in der Bedeutung der Worte zurück- bleiben, und wie sehr müssen die Ideen ver- schieden seyn, die verschiedene Menschen, in verschiedenen Zeiten und Jahrhunderten, mit denselben äusserlichen Zeichen und Worten ver- binden?
Wer du auch seyest, lieber Leser! so be- schuldige mich hier nicht der Zweifelsucht, oder der bösen List, dich zum Skepticisten ma- chen zu wollen. Ich bin vielleicht einer von denjenigen, die am weitesten von dieser Krank- heit der Seele entfernt sind, und sie an allen ihren Nebenmenschen kuriren zu können, am sehnlichsten wünschen. Aber eben deswegen, weil ich diese Kur so oft an mir selbst verrich- tet, und an andern versucht habe, bin ich ge- wahr worden, wie schwer sie sey, und wie wenig man den Erfolg in Händen habe. Mit mei- nem besten Freunde, mit dem ich noch so ein- hellig zu denken glaubte, konnte ich mich sehr oft über Wahrheiten der Philosophie und Reli- gion nicht vereinigen. Nach langem Streit und Wortwechsel ergab sich zuweilen, daß wir mit denselben Worten, jeder andere Begriffe ver-
bun-
Weiſe in der Bedeutung der Worte zuruͤck- bleiben, und wie ſehr muͤſſen die Ideen ver- ſchieden ſeyn, die verſchiedene Menſchen, in verſchiedenen Zeiten und Jahrhunderten, mit denſelben aͤuſſerlichen Zeichen und Worten ver- binden?
Wer du auch ſeyeſt, lieber Leſer! ſo be- ſchuldige mich hier nicht der Zweifelſucht, oder der boͤſen Liſt, dich zum Skepticiſten ma- chen zu wollen. Ich bin vielleicht einer von denjenigen, die am weiteſten von dieſer Krank- heit der Seele entfernt ſind, und ſie an allen ihren Nebenmenſchen kuriren zu koͤnnen, am ſehnlichſten wuͤnſchen. Aber eben deswegen, weil ich dieſe Kur ſo oft an mir ſelbſt verrich- tet, und an andern verſucht habe, bin ich ge- wahr worden, wie ſchwer ſie ſey, und wie wenig man den Erfolg in Haͤnden habe. Mit mei- nem beſten Freunde, mit dem ich noch ſo ein- hellig zu denken glaubte, konnte ich mich ſehr oft uͤber Wahrheiten der Philoſophie und Reli- gion nicht vereinigen. Nach langem Streit und Wortwechſel ergab ſich zuweilen, daß wir mit denſelben Worten, jeder andere Begriffe ver-
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Weiſe in der Bedeutung der Worte zuruͤck-
bleiben, und wie ſehr muͤſſen die Ideen ver-
ſchieden ſeyn, die verſchiedene Menſchen, in
verſchiedenen Zeiten und Jahrhunderten, mit
denſelben aͤuſſerlichen Zeichen und Worten ver-
binden?
Wer du auch ſeyeſt, lieber Leſer! ſo be-
ſchuldige mich hier nicht der Zweifelſucht,
oder der boͤſen Liſt, dich zum Skepticiſten ma-
chen zu wollen. Ich bin vielleicht einer von
denjenigen, die am weiteſten von dieſer Krank-
heit der Seele entfernt ſind, und ſie an allen
ihren Nebenmenſchen kuriren zu koͤnnen, am
ſehnlichſten wuͤnſchen. Aber eben deswegen,
weil ich dieſe Kur ſo oft an mir ſelbſt verrich-
tet, und an andern verſucht habe, bin ich ge-
wahr worden, wie ſchwer ſie ſey, und wie wenig
man den Erfolg in Haͤnden habe. Mit mei-
nem beſten Freunde, mit dem ich noch ſo ein-
hellig zu denken glaubte, konnte ich mich ſehr
oft uͤber Wahrheiten der Philoſophie und Reli-
gion nicht vereinigen. Nach langem Streit und
Wortwechſel ergab ſich zuweilen, daß wir mit
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/83>, abgerufen am 18.06.2024.
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