der einen, um Befehle zu geben, mit der andern, um die Gemüther für den Gehorsam zu bearbeiten. Die zweite Stimme wurde den Jesuiten anvertraut, und abgesehn von diesem Namen vernehmen wir sie noch heute, ja in der jüngsten Zeit der Restauration weit öfter, als in der vorhergehenden der Revolutionen. So lange das Zeitalter roh, ungeschlacht und unver¬ schämt war, mußten die Jesuiten vorzüglich Feinheit gebrauchen, weil sie den Feind nur von hinten her anfallen konnten. Nun das Zeitalter in dieser Schule selber fein genug geworden ist, müssen sie es umge¬ kehrt mit der Unverschämtheit versuchen, weil sie dem vorsichtigen Feind so geradezu von vorn unver¬ sehens kommen, und ihn aus der Fassung bringen. Dieser Kriegsmanier getreu, studiren selbst die Klu¬ gen unter ihnen auf Dummheit, und stellen sich so brutal als möglich, was auch zum Theil deßwegen nothwendig ist, weil sie es jetzt auf den Pöbel abge¬ sehn haben, während sie ehemals nur die höhern Stände zu überlisten trachteten. Zur Zeit der Re¬ formation galt es ihnen, die Ansprüche des Volks durch die Fürsten, jetzt gilt es ihnen, die Ansprüche der Fürsten durch das Volk in Schranken zu halten. Damals richtete sich die Einsicht des Volks gegen den Glauben, jetzt richtet sich die weltliche Macht gegen die Hierarchie.
Wer mag es läugnen, daß es neben jenen geni¬ alen Ideologen und neben den ehrwürdigen und fried¬ lichen Priestern der Kirche auch eine, in Deutschland
der einen, um Befehle zu geben, mit der andern, um die Gemuͤther fuͤr den Gehorſam zu bearbeiten. Die zweite Stimme wurde den Jeſuiten anvertraut, und abgeſehn von dieſem Namen vernehmen wir ſie noch heute, ja in der juͤngſten Zeit der Reſtauration weit oͤfter, als in der vorhergehenden der Revolutionen. So lange das Zeitalter roh, ungeſchlacht und unver¬ ſchaͤmt war, mußten die Jeſuiten vorzuͤglich Feinheit gebrauchen, weil ſie den Feind nur von hinten her anfallen konnten. Nun das Zeitalter in dieſer Schule ſelber fein genug geworden iſt, muͤſſen ſie es umge¬ kehrt mit der Unverſchaͤmtheit verſuchen, weil ſie dem vorſichtigen Feind ſo geradezu von vorn unver¬ ſehens kommen, und ihn aus der Faſſung bringen. Dieſer Kriegsmanier getreu, ſtudiren ſelbſt die Klu¬ gen unter ihnen auf Dummheit, und ſtellen ſich ſo brutal als moͤglich, was auch zum Theil deßwegen nothwendig iſt, weil ſie es jetzt auf den Poͤbel abge¬ ſehn haben, waͤhrend ſie ehemals nur die hoͤhern Staͤnde zu uͤberliſten trachteten. Zur Zeit der Re¬ formation galt es ihnen, die Anſpruͤche des Volks durch die Fuͤrſten, jetzt gilt es ihnen, die Anſpruͤche der Fuͤrſten durch das Volk in Schranken zu halten. Damals richtete ſich die Einſicht des Volks gegen den Glauben, jetzt richtet ſich die weltliche Macht gegen die Hierarchie.
Wer mag es laͤugnen, daß es neben jenen geni¬ alen Ideologen und neben den ehrwuͤrdigen und fried¬ lichen Prieſtern der Kirche auch eine, in Deutſchland
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der einen, um Befehle zu geben, mit der andern, um
die Gemuͤther fuͤr den Gehorſam zu bearbeiten. Die
zweite Stimme wurde den Jeſuiten anvertraut, und
abgeſehn von dieſem Namen vernehmen wir ſie noch
heute, ja in der juͤngſten Zeit der Reſtauration weit
oͤfter, als in der vorhergehenden der Revolutionen.
So lange das Zeitalter roh, ungeſchlacht und unver¬
ſchaͤmt war, mußten die Jeſuiten vorzuͤglich Feinheit
gebrauchen, weil ſie den Feind nur von hinten her
anfallen konnten. Nun das Zeitalter in dieſer Schule
ſelber fein genug geworden iſt, muͤſſen ſie es umge¬
kehrt mit der Unverſchaͤmtheit verſuchen, weil ſie
dem vorſichtigen Feind ſo geradezu von vorn unver¬
ſehens kommen, und ihn aus der Faſſung bringen.
Dieſer Kriegsmanier getreu, ſtudiren ſelbſt die Klu¬
gen unter ihnen auf Dummheit, und ſtellen ſich ſo
brutal als moͤglich, was auch zum Theil deßwegen
nothwendig iſt, weil ſie es jetzt auf den Poͤbel abge¬
ſehn haben, waͤhrend ſie ehemals nur die hoͤhern
Staͤnde zu uͤberliſten trachteten. Zur Zeit der Re¬
formation galt es ihnen, die Anſpruͤche des Volks
durch die Fuͤrſten, jetzt gilt es ihnen, die Anſpruͤche
der Fuͤrſten durch das Volk in Schranken zu halten.
Damals richtete ſich die Einſicht des Volks gegen
den Glauben, jetzt richtet ſich die weltliche Macht
gegen die Hierarchie.
Wer mag es laͤugnen, daß es neben jenen geni¬
alen Ideologen und neben den ehrwuͤrdigen und fried¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/119>, abgerufen am 17.06.2024.
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