cip der Stabilität in sich aufgenommen hat, das Princip der Evolution. Der Erstarrung muß di[e] Be¬ wegung, dem Tode das Leben, dem unveränderlichen Seyn ein ewiges Werden sich entgegensetzen. Hierin allein hat der Protestantismus seine große welthisto¬ rische Bedeutung gefunden. Er hat mit der jugendlichen Kraft, die nach höhrer Entwicklung drängt, der grei¬ sen Erstarrung gewehrt. Er hat ein Naturgesetz zu dem seinigen gemacht und mit diesem allein kann er siegen. Diejenigen unter den Protestanten also, welche selbst wieder in eine andre Art von Starrsucht ver¬ fallen sind, die Orthodoxen, haben das eigentliche Interesse des Kampfs aufgegeben. Sie sind stehn ge¬ blieben, und dürfen von Rechts wegen sich nicht bekla¬ gen, daß die Katholiken auch stehn geblieben sind. Man kann nur durch ewigen Fortschritt, oder gar nicht gewinnen. Wo man stehn bleibt, ist ganz einer¬ lei, so einerlei, als wo die Uhr stehn bleibt. Sie ist da, damit sie geht.
Die Orthodoxen haben gegen das Papstthum nur dieselben Seiten herauskehren können, welche dieses gegen sie gerichtet hat. Dort sahen wir Stillstand und hier wieder, dort Infallibilität und hier, dort Fanatismus und hier, dort eine Priesterschaft und hier, dort viele Ceremonien und wenig Worte, hier viele Worte und wenig Ceremonien. Die Kritiker haben sich daher genöthigt gesehn, von Zeit zu Zeit die Fanatiker des Protestantismus so gut zu bekäm¬ pfen, wie die römischen.
6 *
cip der Stabilitaͤt in ſich aufgenommen hat, das Princip der Evolution. Der Erſtarrung muß di[e] Be¬ wegung, dem Tode das Leben, dem unveraͤnderlichen Seyn ein ewiges Werden ſich entgegenſetzen. Hierin allein hat der Proteſtantismus ſeine große welthiſto¬ riſche Bedeutung gefunden. Er hat mit der jugendlichen Kraft, die nach hoͤhrer Entwicklung draͤngt, der grei¬ ſen Erſtarrung gewehrt. Er hat ein Naturgeſetz zu dem ſeinigen gemacht und mit dieſem allein kann er ſiegen. Diejenigen unter den Proteſtanten alſo, welche ſelbſt wieder in eine andre Art von Starrſucht ver¬ fallen ſind, die Orthodoxen, haben das eigentliche Intereſſe des Kampfs aufgegeben. Sie ſind ſtehn ge¬ blieben, und duͤrfen von Rechts wegen ſich nicht bekla¬ gen, daß die Katholiken auch ſtehn geblieben ſind. Man kann nur durch ewigen Fortſchritt, oder gar nicht gewinnen. Wo man ſtehn bleibt, iſt ganz einer¬ lei, ſo einerlei, als wo die Uhr ſtehn bleibt. Sie iſt da, damit ſie geht.
Die Orthodoxen haben gegen das Papſtthum nur dieſelben Seiten herauskehren koͤnnen, welche dieſes gegen ſie gerichtet hat. Dort ſahen wir Stillſtand und hier wieder, dort Infallibilitaͤt und hier, dort Fanatismus und hier, dort eine Prieſterſchaft und hier, dort viele Ceremonien und wenig Worte, hier viele Worte und wenig Ceremonien. Die Kritiker haben ſich daher genoͤthigt geſehn, von Zeit zu Zeit die Fanatiker des Proteſtantismus ſo gut zu bekaͤm¬ pfen, wie die roͤmiſchen.
6 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0133"n="123"/>
cip der Stabilitaͤt in ſich aufgenommen hat, das<lb/>
Princip der Evolution. Der Erſtarrung muß di<supplied>e</supplied> Be¬<lb/>
wegung, dem Tode das Leben, dem unveraͤnderlichen<lb/>
Seyn ein ewiges Werden ſich entgegenſetzen. Hierin<lb/>
allein hat der Proteſtantismus ſeine große welthiſto¬<lb/>
riſche Bedeutung gefunden. Er hat mit der jugendlichen<lb/>
Kraft, die nach hoͤhrer Entwicklung draͤngt, der grei¬<lb/>ſen Erſtarrung gewehrt. Er hat ein Naturgeſetz zu<lb/>
dem ſeinigen gemacht und mit dieſem allein kann er<lb/>ſiegen. Diejenigen unter den Proteſtanten alſo, welche<lb/>ſelbſt wieder in eine andre Art von Starrſucht ver¬<lb/>
fallen ſind, die Orthodoxen, haben das eigentliche<lb/>
Intereſſe des Kampfs aufgegeben. Sie ſind ſtehn ge¬<lb/>
blieben, und duͤrfen von Rechts wegen ſich nicht bekla¬<lb/>
gen, daß die Katholiken auch ſtehn geblieben ſind.<lb/>
Man kann nur durch ewigen Fortſchritt, oder gar<lb/>
nicht gewinnen. Wo man ſtehn bleibt, iſt ganz einer¬<lb/>
lei, ſo einerlei, als wo die Uhr ſtehn bleibt. Sie iſt<lb/>
da, damit ſie geht.</p><lb/><p>Die Orthodoxen haben gegen das Papſtthum nur<lb/>
dieſelben Seiten herauskehren koͤnnen, welche dieſes<lb/>
gegen ſie gerichtet hat. Dort ſahen wir Stillſtand<lb/>
und hier wieder, dort Infallibilitaͤt und hier, dort<lb/>
Fanatismus und hier, dort eine Prieſterſchaft und<lb/>
hier, dort viele Ceremonien und wenig Worte, hier<lb/>
viele Worte und wenig Ceremonien. Die Kritiker<lb/>
haben ſich daher genoͤthigt geſehn, von Zeit zu Zeit<lb/>
die Fanatiker des Proteſtantismus ſo gut zu bekaͤm¬<lb/>
pfen, wie die roͤmiſchen.<lb/></p><fwplace="bottom"type="sig">6 *<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[123/0133]
cip der Stabilitaͤt in ſich aufgenommen hat, das
Princip der Evolution. Der Erſtarrung muß die Be¬
wegung, dem Tode das Leben, dem unveraͤnderlichen
Seyn ein ewiges Werden ſich entgegenſetzen. Hierin
allein hat der Proteſtantismus ſeine große welthiſto¬
riſche Bedeutung gefunden. Er hat mit der jugendlichen
Kraft, die nach hoͤhrer Entwicklung draͤngt, der grei¬
ſen Erſtarrung gewehrt. Er hat ein Naturgeſetz zu
dem ſeinigen gemacht und mit dieſem allein kann er
ſiegen. Diejenigen unter den Proteſtanten alſo, welche
ſelbſt wieder in eine andre Art von Starrſucht ver¬
fallen ſind, die Orthodoxen, haben das eigentliche
Intereſſe des Kampfs aufgegeben. Sie ſind ſtehn ge¬
blieben, und duͤrfen von Rechts wegen ſich nicht bekla¬
gen, daß die Katholiken auch ſtehn geblieben ſind.
Man kann nur durch ewigen Fortſchritt, oder gar
nicht gewinnen. Wo man ſtehn bleibt, iſt ganz einer¬
lei, ſo einerlei, als wo die Uhr ſtehn bleibt. Sie iſt
da, damit ſie geht.
Die Orthodoxen haben gegen das Papſtthum nur
dieſelben Seiten herauskehren koͤnnen, welche dieſes
gegen ſie gerichtet hat. Dort ſahen wir Stillſtand
und hier wieder, dort Infallibilitaͤt und hier, dort
Fanatismus und hier, dort eine Prieſterſchaft und
hier, dort viele Ceremonien und wenig Worte, hier
viele Worte und wenig Ceremonien. Die Kritiker
haben ſich daher genoͤthigt geſehn, von Zeit zu Zeit
die Fanatiker des Proteſtantismus ſo gut zu bekaͤm¬
pfen, wie die roͤmiſchen.
6 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/133>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.