Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.eingeflößt; er hatte gezeigt, daß er sich auch rühren konnte, wenn man's ihm zu arg machte -- daß er doch nicht bloß der Mutter nachschlug, sondern auch was von ihm hatte. Dieser Gedanke schmeichelte dem Vater, und er konnte nicht umhin, gegen den "verfluchten Kerl" sogar eine gewisse Neigung zu empfinden. Zu alledem kam noch die Anmuth des Sohnes, die Folge der wiedereroberten Ehre -- die schöne Sicherheit, der kindliche Glaube, der aus ihm sprach, daß er sein Glück ein für allemal geschmiedet und von jetzt an nur gute Tage möglich seien. Wer hätte so brutal sein können, gegen den Unbewaffneten die physische Uebermacht zu gebrauchen und ihn aus dem Himmel so schöner Freude wieder herabzustürzen? Ein normaler Rieser wenigstens nicht! In einem Solchen stieg jetzt der Humor auf, der zu denken vermochte: Hol' die ganze Geschichte der Teufel! Während Tobias die abgetrocknete Scheere weglegte, sah der Alte mit tragikomischem Lächeln in der Stube umher. Auf die Splitter und Scherben deutend, sagte er: Da kann ich mir jetzt eine neue Einrichtung kaufen. -- Der Sohn entgegnete mit Würde: Das geht dich nichts an, Vater! Ich hab' die Sachen zerschlagen, und ich schaff' sie auch wieder an -- von meinem Geld! -- So so, versetzte der Alte. Nun, du kannst freilich zahlen -- du bist jetzt ein Kapitalist! -- Tobias sah ihn auf diese Rede zugleich schelmisch und gutmüthig an und sagte: Vater, nimm die Sach', wie sie ist. Du hast deinen Willen oft genug durchgesetzt, die eingeflößt; er hatte gezeigt, daß er sich auch rühren konnte, wenn man's ihm zu arg machte — daß er doch nicht bloß der Mutter nachschlug, sondern auch was von ihm hatte. Dieser Gedanke schmeichelte dem Vater, und er konnte nicht umhin, gegen den „verfluchten Kerl“ sogar eine gewisse Neigung zu empfinden. Zu alledem kam noch die Anmuth des Sohnes, die Folge der wiedereroberten Ehre — die schöne Sicherheit, der kindliche Glaube, der aus ihm sprach, daß er sein Glück ein für allemal geschmiedet und von jetzt an nur gute Tage möglich seien. Wer hätte so brutal sein können, gegen den Unbewaffneten die physische Uebermacht zu gebrauchen und ihn aus dem Himmel so schöner Freude wieder herabzustürzen? Ein normaler Rieser wenigstens nicht! In einem Solchen stieg jetzt der Humor auf, der zu denken vermochte: Hol' die ganze Geschichte der Teufel! Während Tobias die abgetrocknete Scheere weglegte, sah der Alte mit tragikomischem Lächeln in der Stube umher. Auf die Splitter und Scherben deutend, sagte er: Da kann ich mir jetzt eine neue Einrichtung kaufen. — Der Sohn entgegnete mit Würde: Das geht dich nichts an, Vater! Ich hab' die Sachen zerschlagen, und ich schaff' sie auch wieder an — von meinem Geld! — So so, versetzte der Alte. Nun, du kannst freilich zahlen — du bist jetzt ein Kapitalist! — Tobias sah ihn auf diese Rede zugleich schelmisch und gutmüthig an und sagte: Vater, nimm die Sach', wie sie ist. Du hast deinen Willen oft genug durchgesetzt, die <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0178"/> eingeflößt; er hatte gezeigt, daß er sich auch rühren konnte, wenn man's ihm zu arg machte — daß er doch nicht bloß der Mutter nachschlug, sondern auch was von ihm hatte. Dieser Gedanke schmeichelte dem Vater, und er konnte nicht umhin, gegen den „verfluchten Kerl“ sogar eine gewisse Neigung zu empfinden. Zu alledem kam noch die Anmuth des Sohnes, die Folge der wiedereroberten Ehre — die schöne Sicherheit, der kindliche Glaube, der aus ihm sprach, daß er sein Glück ein für allemal geschmiedet und von jetzt an nur gute Tage möglich seien. Wer hätte so brutal sein können, gegen den Unbewaffneten die physische Uebermacht zu gebrauchen und ihn aus dem Himmel so schöner Freude wieder herabzustürzen? Ein normaler Rieser wenigstens nicht! In einem Solchen stieg jetzt der Humor auf, der zu denken vermochte: Hol' die ganze Geschichte der Teufel!</p><lb/> <p>Während Tobias die abgetrocknete Scheere weglegte, sah der Alte mit tragikomischem Lächeln in der Stube umher. Auf die Splitter und Scherben deutend, sagte er: Da kann ich mir jetzt eine neue Einrichtung kaufen. — Der Sohn entgegnete mit Würde: Das geht dich nichts an, Vater! Ich hab' die Sachen zerschlagen, und ich schaff' sie auch wieder an — von meinem Geld! — So so, versetzte der Alte. Nun, du kannst freilich zahlen — du bist jetzt ein Kapitalist! — Tobias sah ihn auf diese Rede zugleich schelmisch und gutmüthig an und sagte: Vater, nimm die Sach', wie sie ist. Du hast deinen Willen oft genug durchgesetzt, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
eingeflößt; er hatte gezeigt, daß er sich auch rühren konnte, wenn man's ihm zu arg machte — daß er doch nicht bloß der Mutter nachschlug, sondern auch was von ihm hatte. Dieser Gedanke schmeichelte dem Vater, und er konnte nicht umhin, gegen den „verfluchten Kerl“ sogar eine gewisse Neigung zu empfinden. Zu alledem kam noch die Anmuth des Sohnes, die Folge der wiedereroberten Ehre — die schöne Sicherheit, der kindliche Glaube, der aus ihm sprach, daß er sein Glück ein für allemal geschmiedet und von jetzt an nur gute Tage möglich seien. Wer hätte so brutal sein können, gegen den Unbewaffneten die physische Uebermacht zu gebrauchen und ihn aus dem Himmel so schöner Freude wieder herabzustürzen? Ein normaler Rieser wenigstens nicht! In einem Solchen stieg jetzt der Humor auf, der zu denken vermochte: Hol' die ganze Geschichte der Teufel!
Während Tobias die abgetrocknete Scheere weglegte, sah der Alte mit tragikomischem Lächeln in der Stube umher. Auf die Splitter und Scherben deutend, sagte er: Da kann ich mir jetzt eine neue Einrichtung kaufen. — Der Sohn entgegnete mit Würde: Das geht dich nichts an, Vater! Ich hab' die Sachen zerschlagen, und ich schaff' sie auch wieder an — von meinem Geld! — So so, versetzte der Alte. Nun, du kannst freilich zahlen — du bist jetzt ein Kapitalist! — Tobias sah ihn auf diese Rede zugleich schelmisch und gutmüthig an und sagte: Vater, nimm die Sach', wie sie ist. Du hast deinen Willen oft genug durchgesetzt, die
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Zitationshilfe: | Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/178>, abgerufen am 17.06.2024. |