Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL XI. Meerenge, ein Werk des Publius Popillius Consul 622. An derOstküste, wo bisher nur die Strecke von Fanum nach Ariminum als Theil der flaminischen Strasse chaussirt worden war (I, 378), wurde die Küstenstrasse südwärts bis nach Brundisium, nord- wärts über Hatria am Po bis nach Aquileia verlängert; wenig- stens das Stück von Ariminum bis Hatria ward von dem eben ge- nannten Popillius in dem gleichen Jahr angelegt. Auch die beiden grossen etrurischen Chausseen, die Küsten- oder aurelische Strasse von Rom nach Pisa und Luna, an der unter anderm im J. 631 gebaut ward, und die über Sutrium und Clusium nach Arretium und Florentia geführte cassische, die nicht vor 583 gebaut zu sein scheint, dürften als römische Staatschausseen erst dieser Zeit angehören. Um Rom selbst bedurfte es neuer Anlagen nicht; doch ist erwähnenswerth, dass die mulvische Brücke (Ponte Molle), auf der die flaminische Strasse unweit Rom die Tiber überschritt, im J. 645 von Stein hergestellt ward. Endlich in Norditalien, das bis dahin keine andere als die bei Placentia endi- gende flaminisch-aemilische Kunststrasse gehabt hatte, wurde im J. 606 die grosse postumische Strasse erbaut, die von Genua über Dertona, wo wahrscheinlich gleichzeitig eine Colonie gegründet ward, weiter über Placentia, wo sie die flaminisch-aemilische Strasse aufnahm, Cremona und Verona nach Aquileia geführt wurde und also das tyrrhenische und das adriatische Meer mit einander verband; wozu noch die im J. 645 durch Marcus Aemi- lius Scaurus hergestellte Verbindung zwischen Luna und Genua hinzukam, welche die postumische Strasse in directe Verbindung mit Rom setzte. In einer andern Weise war Gaius Gracchus für das italische Wegewesen thätig; er sicherte die Instandhaltung der grossen Landstrassen, indem er bei der Ackervertheilung längs derselben Grundstücke anwies, auf denen die Verpflichtung der Wegebesserung als dingliche Last haftete; auf ihn ferner oder doch auf die Ackertheilungscommission scheint, wie die Sitte die Feldgrenze durch ordentliche Marksteine zu bezeichnen, so auch die der Errichtung von Meilensteinen zurückzugehen; er sorgte endlich für gute Vicinalwege, um auch hiedurch den Ackerbau zu fördern. Aber weit folgenreicher noch war die ohne Zweifel eben in dieser Epoche beginnende Anlage von Reichschausseen in den Provinzen: die domitische Strasse stellte nach langen Vorberei- tungen (I, 489) den Landweg von Italien nach Spanien sicher und hing mit der Gründung von Aquae Sextiae und Narbo eng zusammen (S. 156); die gabinische (S. 163) und die egnatische (S. 39) führten von den Hauptplätzen an der Ostküste des adria- VIERTES BUCH. KAPITEL XI. Meerenge, ein Werk des Publius Popillius Consul 622. An derOstküste, wo bisher nur die Strecke von Fanum nach Ariminum als Theil der flaminischen Straſse chaussirt worden war (I, 378), wurde die Küstenstraſse südwärts bis nach Brundisium, nord- wärts über Hatria am Po bis nach Aquileia verlängert; wenig- stens das Stück von Ariminum bis Hatria ward von dem eben ge- nannten Popillius in dem gleichen Jahr angelegt. Auch die beiden groſsen etrurischen Chausseen, die Küsten- oder aurelische Straſse von Rom nach Pisa und Luna, an der unter anderm im J. 631 gebaut ward, und die über Sutrium und Clusium nach Arretium und Florentia geführte cassische, die nicht vor 583 gebaut zu sein scheint, dürften als römische Staatschausseen erst dieser Zeit angehören. Um Rom selbst bedurfte es neuer Anlagen nicht; doch ist erwähnenswerth, daſs die mulvische Brücke (Ponte Molle), auf der die flaminische Straſse unweit Rom die Tiber überschritt, im J. 645 von Stein hergestellt ward. Endlich in Norditalien, das bis dahin keine andere als die bei Placentia endi- gende flaminisch-aemilische Kunststraſse gehabt hatte, wurde im J. 606 die groſse postumische Straſse erbaut, die von Genua über Dertona, wo wahrscheinlich gleichzeitig eine Colonie gegründet ward, weiter über Placentia, wo sie die flaminisch-aemilische Straſse aufnahm, Cremona und Verona nach Aquileia geführt wurde und also das tyrrhenische und das adriatische Meer mit einander verband; wozu noch die im J. 645 durch Marcus Aemi- lius Scaurus hergestellte Verbindung zwischen Luna und Genua hinzukam, welche die postumische Straſse in directe Verbindung mit Rom setzte. In einer andern Weise war Gaius Gracchus für das italische Wegewesen thätig; er sicherte die Instandhaltung der groſsen Landstraſsen, indem er bei der Ackervertheilung längs derselben Grundstücke anwies, auf denen die Verpflichtung der Wegebesserung als dingliche Last haftete; auf ihn ferner oder doch auf die Ackertheilungscommission scheint, wie die Sitte die Feldgrenze durch ordentliche Marksteine zu bezeichnen, so auch die der Errichtung von Meilensteinen zurückzugehen; er sorgte endlich für gute Vicinalwege, um auch hiedurch den Ackerbau zu fördern. Aber weit folgenreicher noch war die ohne Zweifel eben in dieser Epoche beginnende Anlage von Reichschausseen in den Provinzen: die domitische Straſse stellte nach langen Vorberei- tungen (I, 489) den Landweg von Italien nach Spanien sicher und hing mit der Gründung von Aquae Sextiae und Narbo eng zusammen (S. 156); die gabinische (S. 163) und die egnatische (S. 39) führten von den Hauptplätzen an der Ostküste des adria- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0380" n="370"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL XI.</fw><lb/> Meerenge, ein Werk des Publius Popillius Consul 622. 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VIERTES BUCH. KAPITEL XI.
Meerenge, ein Werk des Publius Popillius Consul 622. An der
Ostküste, wo bisher nur die Strecke von Fanum nach Ariminum
als Theil der flaminischen Straſse chaussirt worden war (I, 378),
wurde die Küstenstraſse südwärts bis nach Brundisium, nord-
wärts über Hatria am Po bis nach Aquileia verlängert; wenig-
stens das Stück von Ariminum bis Hatria ward von dem eben ge-
nannten Popillius in dem gleichen Jahr angelegt. Auch die beiden
groſsen etrurischen Chausseen, die Küsten- oder aurelische Straſse
von Rom nach Pisa und Luna, an der unter anderm im J. 631
gebaut ward, und die über Sutrium und Clusium nach Arretium
und Florentia geführte cassische, die nicht vor 583 gebaut zu
sein scheint, dürften als römische Staatschausseen erst dieser
Zeit angehören. Um Rom selbst bedurfte es neuer Anlagen nicht;
doch ist erwähnenswerth, daſs die mulvische Brücke (Ponte
Molle), auf der die flaminische Straſse unweit Rom die Tiber
überschritt, im J. 645 von Stein hergestellt ward. Endlich in
Norditalien, das bis dahin keine andere als die bei Placentia endi-
gende flaminisch-aemilische Kunststraſse gehabt hatte, wurde im
J. 606 die groſse postumische Straſse erbaut, die von Genua über
Dertona, wo wahrscheinlich gleichzeitig eine Colonie gegründet
ward, weiter über Placentia, wo sie die flaminisch-aemilische
Straſse aufnahm, Cremona und Verona nach Aquileia geführt
wurde und also das tyrrhenische und das adriatische Meer mit
einander verband; wozu noch die im J. 645 durch Marcus Aemi-
lius Scaurus hergestellte Verbindung zwischen Luna und Genua
hinzukam, welche die postumische Straſse in directe Verbindung
mit Rom setzte. In einer andern Weise war Gaius Gracchus für
das italische Wegewesen thätig; er sicherte die Instandhaltung
der groſsen Landstraſsen, indem er bei der Ackervertheilung
längs derselben Grundstücke anwies, auf denen die Verpflichtung
der Wegebesserung als dingliche Last haftete; auf ihn ferner oder
doch auf die Ackertheilungscommission scheint, wie die Sitte die
Feldgrenze durch ordentliche Marksteine zu bezeichnen, so auch
die der Errichtung von Meilensteinen zurückzugehen; er sorgte
endlich für gute Vicinalwege, um auch hiedurch den Ackerbau zu
fördern. Aber weit folgenreicher noch war die ohne Zweifel eben
in dieser Epoche beginnende Anlage von Reichschausseen in den
Provinzen: die domitische Straſse stellte nach langen Vorberei-
tungen (I, 489) den Landweg von Italien nach Spanien sicher
und hing mit der Gründung von Aquae Sextiae und Narbo eng
zusammen (S. 156); die gabinische (S. 163) und die egnatische
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