Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
"Zweimal habe ich das große Loos in der holländischen Lotterie gewonnen. Jch habe nun freilich nicht gesetzt, denn ich bin arm, sehr arm. Aber sie dorten hatten das Geld darzu hergegeben, ließen, weil es verboten ist, in fremden Lottos zu spielen, die Zettel auf meinen Namen nehmen, und versprachen mir, für die Gefahr, der ich mich dadurch aussetzte, einen gleichen Antheil am Gewinnste. Die Kerl dachten nun bei ihrer Versprechung freilich nicht, daß die Loose so viel ziehn würden. Aber die Loose thaten es doch, und mir nichts, dir nichts, muß ich euch krank werden. Die Zettel sind bei meiner Genesung verschwunden, meine Braut kennt mich nicht mehr, niemand will etwas von mir wissen." "Das haben sie mir nun schon zweimal gethan! Wollte ich nicht jede Art von Zudringlichkeit vermeiden, so könnte mir freilich mein Vater zu meinen Rechten verhelfen; aber --" So ungern ich ihn unterbrechen wollte, so wenig konnte ich es doch über mich gewinnen, mein Erstaunen über das letzte zu unterdrücken. Jhr Vater! rief ich unwillkührlich aus?
»Zweimal habe ich das große Loos in der hollaͤndischen Lotterie gewonnen. Jch habe nun freilich nicht gesetzt, denn ich bin arm, sehr arm. Aber sie dorten hatten das Geld darzu hergegeben, ließen, weil es verboten ist, in fremden Lottos zu spielen, die Zettel auf meinen Namen nehmen, und versprachen mir, fuͤr die Gefahr, der ich mich dadurch aussetzte, einen gleichen Antheil am Gewinnste. Die Kerl dachten nun bei ihrer Versprechung freilich nicht, daß die Loose so viel ziehn wuͤrden. Aber die Loose thaten es doch, und mir nichts, dir nichts, muß ich euch krank werden. Die Zettel sind bei meiner Genesung verschwunden, meine Braut kennt mich nicht mehr, niemand will etwas von mir wissen.« »Das haben sie mir nun schon zweimal gethan! Wollte ich nicht jede Art von Zudringlichkeit vermeiden, so koͤnnte mir freilich mein Vater zu meinen Rechten verhelfen; aber —« So ungern ich ihn unterbrechen wollte, so wenig konnte ich es doch uͤber mich gewinnen, mein Erstaunen uͤber das letzte zu unterdruͤcken. Jhr Vater! rief ich unwillkuͤhrlich aus? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0079" n="79"/><lb/> Streich, den mir meine besten Freunde gespielt haben, und urtheilen Sie, ob ich Menschen noch trauen kann.« </p> <p>»Zweimal habe ich das große Loos in der hollaͤndischen Lotterie gewonnen. Jch habe nun freilich nicht gesetzt, denn ich bin arm, sehr arm. Aber sie dorten hatten das Geld darzu hergegeben, ließen, weil es verboten ist, in fremden Lottos zu spielen, die Zettel auf meinen Namen nehmen, und versprachen mir, fuͤr die Gefahr, der ich mich dadurch aussetzte, einen gleichen Antheil am Gewinnste. Die Kerl dachten nun bei ihrer Versprechung freilich nicht, daß die Loose so viel ziehn wuͤrden. Aber die Loose thaten es doch, und mir nichts, dir nichts, muß ich euch krank werden. Die Zettel sind bei meiner Genesung verschwunden, meine Braut kennt mich nicht mehr, niemand will etwas von mir wissen.« </p> <p>»Das haben sie mir nun schon zweimal gethan! Wollte ich nicht jede Art von Zudringlichkeit vermeiden, so koͤnnte mir freilich mein Vater zu meinen Rechten verhelfen; aber —« So ungern ich ihn unterbrechen wollte, so wenig konnte ich es doch uͤber mich gewinnen, mein Erstaunen uͤber das letzte zu unterdruͤcken. Jhr Vater! rief ich unwillkuͤhrlich aus? </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0079]
Streich, den mir meine besten Freunde gespielt haben, und urtheilen Sie, ob ich Menschen noch trauen kann.«
»Zweimal habe ich das große Loos in der hollaͤndischen Lotterie gewonnen. Jch habe nun freilich nicht gesetzt, denn ich bin arm, sehr arm. Aber sie dorten hatten das Geld darzu hergegeben, ließen, weil es verboten ist, in fremden Lottos zu spielen, die Zettel auf meinen Namen nehmen, und versprachen mir, fuͤr die Gefahr, der ich mich dadurch aussetzte, einen gleichen Antheil am Gewinnste. Die Kerl dachten nun bei ihrer Versprechung freilich nicht, daß die Loose so viel ziehn wuͤrden. Aber die Loose thaten es doch, und mir nichts, dir nichts, muß ich euch krank werden. Die Zettel sind bei meiner Genesung verschwunden, meine Braut kennt mich nicht mehr, niemand will etwas von mir wissen.«
»Das haben sie mir nun schon zweimal gethan! Wollte ich nicht jede Art von Zudringlichkeit vermeiden, so koͤnnte mir freilich mein Vater zu meinen Rechten verhelfen; aber —« So ungern ich ihn unterbrechen wollte, so wenig konnte ich es doch uͤber mich gewinnen, mein Erstaunen uͤber das letzte zu unterdruͤcken. Jhr Vater! rief ich unwillkuͤhrlich aus?
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/79>, abgerufen am 16.06.2024. |