Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

der anfangen mußte, mehr wie jemals die schwer¬
sten und niedrigsten Arbeiten zu verrichten, wo¬
bei er immer in der Werkstatt bleiben mußte,
und nur selten zu Hrn. L... in die Stube kom¬
men durfte. Der Klaviermeister wurde nur
noch deswegen beibehalten, weil L... das ange¬
fangne Werk der Bekehrung in ihm vollenden,
und also statt einer verlohrnen Seele Gott wie¬
der eine andre zuführen wollte.

Der Winter kam heran, und jetzt fing An¬
tons Zustand wirklich an, hart zu werden: er
mußte Arbeiten verrichten, die seine Jahre und
Kräfte weit überstiegen. L... schien zu glauben,
da nun mit Antons Seele doch weiter nichts an¬
zufangen sey, so müsse man wenigstens von sei¬
nem Körper allen möglichen Gebrauch machen.
Er schien ihn jetzt wie ein Werkzeug zu betrach¬
ten, daß man wegwirft, wenn man es gebraucht
hat.

Bald wurden Antons Hände durch den Frost
und die Arbeit zum Klavierspielen gänzlich un¬
tauglich gemacht. -- Er mußte fast alle Woche
ein paarmal des Nachts mit dem andern Lehr¬
burschen aufbleiben, um die geschwärzten Hüte

der anfangen mußte, mehr wie jemals die ſchwer¬
ſten und niedrigſten Arbeiten zu verrichten, wo¬
bei er immer in der Werkſtatt bleiben mußte,
und nur ſelten zu Hrn. L... in die Stube kom¬
men durfte. Der Klaviermeiſter wurde nur
noch deswegen beibehalten, weil L... das ange¬
fangne Werk der Bekehrung in ihm vollenden,
und alſo ſtatt einer verlohrnen Seele Gott wie¬
der eine andre zufuͤhren wollte.

Der Winter kam heran, und jetzt fing An¬
tons Zuſtand wirklich an, hart zu werden: er
mußte Arbeiten verrichten, die ſeine Jahre und
Kraͤfte weit uͤberſtiegen. L... ſchien zu glauben,
da nun mit Antons Seele doch weiter nichts an¬
zufangen ſey, ſo muͤſſe man wenigſtens von ſei¬
nem Koͤrper allen moͤglichen Gebrauch machen.
Er ſchien ihn jetzt wie ein Werkzeug zu betrach¬
ten, daß man wegwirft, wenn man es gebraucht
hat.

Bald wurden Antons Haͤnde durch den Froſt
und die Arbeit zum Klavierſpielen gaͤnzlich un¬
tauglich gemacht. — Er mußte faſt alle Woche
ein paarmal des Nachts mit dem andern Lehr¬
burſchen aufbleiben, um die geſchwaͤrzten Huͤte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0117" n="107"/>
der anfangen mußte, mehr wie jemals die &#x017F;chwer¬<lb/>
&#x017F;ten und niedrig&#x017F;ten Arbeiten zu verrichten, wo¬<lb/>
bei er immer in der Werk&#x017F;tatt bleiben mußte,<lb/>
und nur &#x017F;elten zu Hrn. L... in die Stube kom¬<lb/>
men durfte. Der Klaviermei&#x017F;ter wurde nur<lb/>
noch deswegen beibehalten, weil L... das ange¬<lb/>
fangne Werk der Bekehrung in ihm vollenden,<lb/>
und al&#x017F;o &#x017F;tatt einer verlohrnen Seele Gott wie¬<lb/>
der eine andre zufu&#x0364;hren wollte.</p><lb/>
      <p>Der Winter kam heran, und jetzt fing An¬<lb/>
tons Zu&#x017F;tand wirklich an, hart zu werden: er<lb/>
mußte Arbeiten verrichten, die &#x017F;eine Jahre und<lb/>
Kra&#x0364;fte weit u&#x0364;ber&#x017F;tiegen. L... &#x017F;chien zu glauben,<lb/>
da nun mit Antons Seele doch weiter nichts an¬<lb/>
zufangen &#x017F;ey, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e man wenig&#x017F;tens von &#x017F;ei¬<lb/>
nem Ko&#x0364;rper allen mo&#x0364;glichen Gebrauch machen.<lb/>
Er &#x017F;chien ihn jetzt wie ein Werkzeug zu betrach¬<lb/>
ten, daß man wegwirft, wenn man es gebraucht<lb/>
hat.</p><lb/>
      <p>Bald wurden Antons Ha&#x0364;nde durch den Fro&#x017F;t<lb/>
und die Arbeit zum Klavier&#x017F;pielen ga&#x0364;nzlich un¬<lb/>
tauglich gemacht. &#x2014; Er mußte fa&#x017F;t alle Woche<lb/>
ein paarmal des Nachts mit dem andern Lehr¬<lb/>
bur&#x017F;chen aufbleiben, um die ge&#x017F;chwa&#x0364;rzten Hu&#x0364;te<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0117] der anfangen mußte, mehr wie jemals die ſchwer¬ ſten und niedrigſten Arbeiten zu verrichten, wo¬ bei er immer in der Werkſtatt bleiben mußte, und nur ſelten zu Hrn. L... in die Stube kom¬ men durfte. Der Klaviermeiſter wurde nur noch deswegen beibehalten, weil L... das ange¬ fangne Werk der Bekehrung in ihm vollenden, und alſo ſtatt einer verlohrnen Seele Gott wie¬ der eine andre zufuͤhren wollte. Der Winter kam heran, und jetzt fing An¬ tons Zuſtand wirklich an, hart zu werden: er mußte Arbeiten verrichten, die ſeine Jahre und Kraͤfte weit uͤberſtiegen. L... ſchien zu glauben, da nun mit Antons Seele doch weiter nichts an¬ zufangen ſey, ſo muͤſſe man wenigſtens von ſei¬ nem Koͤrper allen moͤglichen Gebrauch machen. Er ſchien ihn jetzt wie ein Werkzeug zu betrach¬ ten, daß man wegwirft, wenn man es gebraucht hat. Bald wurden Antons Haͤnde durch den Froſt und die Arbeit zum Klavierſpielen gaͤnzlich un¬ tauglich gemacht. — Er mußte faſt alle Woche ein paarmal des Nachts mit dem andern Lehr¬ burſchen aufbleiben, um die geſchwaͤrzten Huͤte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/117
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/117>, abgerufen am 31.10.2024.