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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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Gesetzgebung keinen Sinn mehr; der subordini-
rende, rangirende, theilende, zerlegende Ver-
stand Einerseits, und die Macht des Despoten
andrerseits finden nun allein ihre Rechnung da-
bei. --

Fast zu gleicher Zeit ersterben die drei großen
Ideen, welche den drei wichtigsten politischen
Gebäuden des Alterthums so lange Leben und
Dauer gaben.

1) Die religiöse Idee, welche Israel auf-
recht erhalten hatte, zerfällt unter den Händen
der Schriftgelehrten und Pharisäer, jüdischer
Secten und Sophisten aller Art: der Buchstabe
des Mosaischen Gesetzes gilt mehr und mehr
allein; aus jeder neuen Prüfung des Schicksals
geht das Volk Israel halsstarriger und weltlicher
gesinnt hervor. Jehova wird immer weniger be-
trachtet als der allenthalben, vornehmlich in den
Leiden, Allgegenwärtige, der das Volk durch
die Wüste geführt: es werden irdische Zeichen
der Macht, weltliche Helden und Befreier, welt-
liche Oberherrschaft, weltlicher Glanz als Ge-
währleistungen des alten Bundes verlangt; die
Idee des Mosaischen Gesetzes entweicht; Begriffe
bleiben zurück, und so neigt sich das politische
Leben und die Freiheit der Juden zum Unter-
gange hin.

Geſetzgebung keinen Sinn mehr; der ſubordini-
rende, rangirende, theilende, zerlegende Ver-
ſtand Einerſeits, und die Macht des Despoten
andrerſeits finden nun allein ihre Rechnung da-
bei. —

Faſt zu gleicher Zeit erſterben die drei großen
Ideen, welche den drei wichtigſten politiſchen
Gebaͤuden des Alterthums ſo lange Leben und
Dauer gaben.

1) Die religioͤſe Idee, welche Iſrael auf-
recht erhalten hatte, zerfaͤllt unter den Haͤnden
der Schriftgelehrten und Phariſaͤer, juͤdiſcher
Secten und Sophiſten aller Art: der Buchſtabe
des Moſaiſchen Geſetzes gilt mehr und mehr
allein; aus jeder neuen Pruͤfung des Schickſals
geht das Volk Iſrael halsſtarriger und weltlicher
geſinnt hervor. Jehova wird immer weniger be-
trachtet als der allenthalben, vornehmlich in den
Leiden, Allgegenwaͤrtige, der das Volk durch
die Wuͤſte gefuͤhrt: es werden irdiſche Zeichen
der Macht, weltliche Helden und Befreier, welt-
liche Oberherrſchaft, weltlicher Glanz als Ge-
waͤhrleiſtungen des alten Bundes verlangt; die
Idee des Moſaiſchen Geſetzes entweicht; Begriffe
bleiben zuruͤck, und ſo neigt ſich das politiſche
Leben und die Freiheit der Juden zum Unter-
gange hin.

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[68/0076] Geſetzgebung keinen Sinn mehr; der ſubordini- rende, rangirende, theilende, zerlegende Ver- ſtand Einerſeits, und die Macht des Despoten andrerſeits finden nun allein ihre Rechnung da- bei. — Faſt zu gleicher Zeit erſterben die drei großen Ideen, welche den drei wichtigſten politiſchen Gebaͤuden des Alterthums ſo lange Leben und Dauer gaben. 1) Die religioͤſe Idee, welche Iſrael auf- recht erhalten hatte, zerfaͤllt unter den Haͤnden der Schriftgelehrten und Phariſaͤer, juͤdiſcher Secten und Sophiſten aller Art: der Buchſtabe des Moſaiſchen Geſetzes gilt mehr und mehr allein; aus jeder neuen Pruͤfung des Schickſals geht das Volk Iſrael halsſtarriger und weltlicher geſinnt hervor. Jehova wird immer weniger be- trachtet als der allenthalben, vornehmlich in den Leiden, Allgegenwaͤrtige, der das Volk durch die Wuͤſte gefuͤhrt: es werden irdiſche Zeichen der Macht, weltliche Helden und Befreier, welt- liche Oberherrſchaft, weltlicher Glanz als Ge- waͤhrleiſtungen des alten Bundes verlangt; die Idee des Moſaiſchen Geſetzes entweicht; Begriffe bleiben zuruͤck, und ſo neigt ſich das politiſche Leben und die Freiheit der Juden zum Unter- gange hin.

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/76>, abgerufen am 30.04.2024.