Schweizer aus den Sattel heben. -- Mir gehts wie all den Leuten, die sich in Dispü- ten über Glaubenssachen einlassen. Jhre Einwürfe haben mich in meinem Glauben irr gemacht; aber deswegen apostasir ich noch nicht, vielmehr hab ich beschlossen, fest bey der einmal adoptirten Lehr zu hal- ten. Wenn auch Lavaters ganze Physio- gnomik eitel Wahn und Betrug der Sinnen wär, wollt ich doch lieber auf die Art be- trogen seyn, daß ich hassenswerthe Men- schen mit ihm liebenswerth, als vielleicht gute Menschen mit Jhnen hassenswerth fänd. Denk, daß ich bey diesem Argu- ment a tuto, wenigstens in Absicht auf mei- ne Ribben, immer besser fahren werd als Sie; wiewohl ich verhoff, daß der nasse Weg einer Badekur, obs gleich damit iezt außer der Zeit ist, Sie mit den Menschen ehender aussöhnen werd, als der trockne einer logikalischen Dispüte. -- Lieber Mann,
wünsch
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Schweizer aus den Sattel heben. — Mir gehts wie all den Leuten, die ſich in Diſpuͤ- ten uͤber Glaubensſachen einlaſſen. Jhre Einwuͤrfe haben mich in meinem Glauben irr gemacht; aber deswegen apoſtaſir ich noch nicht, vielmehr hab ich beſchloſſen, feſt bey der einmal adoptirten Lehr zu hal- ten. Wenn auch Lavaters ganze Phyſio- gnomik eitel Wahn und Betrug der Sinnen waͤr, wollt ich doch lieber auf die Art be- trogen ſeyn, daß ich haſſenswerthe Men- ſchen mit ihm liebenswerth, als vielleicht gute Menſchen mit Jhnen haſſenswerth faͤnd. Denk, daß ich bey dieſem Argu- ment a tuto, wenigſtens in Abſicht auf mei- ne Ribben, immer beſſer fahren werd als Sie; wiewohl ich verhoff, daß der naſſe Weg einer Badekur, obs gleich damit iezt außer der Zeit iſt, Sie mit den Menſchen ehender ausſoͤhnen werd, als der trockne einer logikaliſchen Diſpuͤte. — Lieber Mann,
wuͤnſch
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Schweizer aus den Sattel heben. — Mir
gehts wie all den Leuten, die ſich in Diſpuͤ-
ten uͤber Glaubensſachen einlaſſen. Jhre
Einwuͤrfe haben mich in meinem Glauben
irr gemacht; aber deswegen apoſtaſir ich
noch nicht, vielmehr hab ich beſchloſſen,
feſt bey der einmal adoptirten Lehr zu hal-
ten. Wenn auch Lavaters ganze Phyſio-
gnomik eitel Wahn und Betrug der Sinnen
waͤr, wollt ich doch lieber auf die Art be-
trogen ſeyn, daß ich haſſenswerthe Men-
ſchen mit ihm liebenswerth, als vielleicht
gute Menſchen mit Jhnen haſſenswerth
faͤnd. Denk, daß ich bey dieſem Argu-
ment a tuto, wenigſtens in Abſicht auf mei-
ne Ribben, immer beſſer fahren werd als
Sie; wiewohl ich verhoff, daß der naſſe
Weg einer Badekur, obs gleich damit iezt
außer der Zeit iſt, Sie mit den Menſchen
ehender ausſoͤhnen werd, als der trockne
einer logikaliſchen Diſpuͤte. — Lieber Mann,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/87>, abgerufen am 13.06.2024.
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