kraus seyn sollte!" -- Tag und Zeit und manche von den angegebenen Merkmalen tra- fen mit dieser Vermuthung gut genug zu- sammen. Zwar konnt' ich an seinem bösen Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln: allein wie? wenn ihn nun sein erwachtes Gewissen zu einer raschen That der Verzweif- lung getrieben? oder wenn Gottes rächende Hand ihn schnell ereilt -- wenn er, in der Hast, sich den Blicken aller Bekannten zu entziehen, sich unvorsichtiger Weise auf's Wasser gewagt und sich seinen Untergang selbst geholt hätte? -- Jmmer schien mir sein Tod, unter diesen Umständen, ein Glücks- fall: und wie gerne glaubt man, was man wünscht? -- Es kostete mir also auch wenig Mühe, mich zu überzeugen, daß hier von Niemand anders, als von meinem entwiche- nen Schiffer, die Rede sey; und dieses Glau- bens bin ich auch noch bis zur heutigen Stunde, da ich nie wieder in meinem gan- zen Leben auch nur die entfernteste Spur seines Daseyns aufgefunden habe.
Ließ sich nun auf diese Art erweisen, daß der Mann, mit welchem meine Assecu- radeurs einzig und allein ihren streitigen Han- del ausmachen konnten und auch wollten, nicht mehr unter den Lebendigen war, so mußten sie auch seine Rechnungen annehmen, wie sie da lagen und standen, oder den kla-
kraus ſeyn ſollte!‟ — Tag und Zeit und manche von den angegebenen Merkmalen tra- fen mit dieſer Vermuthung gut genug zu- ſammen. Zwar konnt’ ich an ſeinem boͤſen Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln: allein wie? wenn ihn nun ſein erwachtes Gewiſſen zu einer raſchen That der Verzweif- lung getrieben? oder wenn Gottes raͤchende Hand ihn ſchnell ereilt — wenn er, in der Haſt, ſich den Blicken aller Bekannten zu entziehen, ſich unvorſichtiger Weiſe auf’s Waſſer gewagt und ſich ſeinen Untergang ſelbſt geholt haͤtte? — Jmmer ſchien mir ſein Tod, unter dieſen Umſtaͤnden, ein Gluͤcks- fall: und wie gerne glaubt man, was man wuͤnſcht? — Es koſtete mir alſo auch wenig Muͤhe, mich zu uͤberzeugen, daß hier von Niemand anders, als von meinem entwiche- nen Schiffer, die Rede ſey; und dieſes Glau- bens bin ich auch noch bis zur heutigen Stunde, da ich nie wieder in meinem gan- zen Leben auch nur die entfernteſte Spur ſeines Daſeyns aufgefunden habe.
Ließ ſich nun auf dieſe Art erweiſen, daß der Mann, mit welchem meine Aſſecu- radeurs einzig und allein ihren ſtreitigen Han- del ausmachen konnten und auch wollten, nicht mehr unter den Lebendigen war, ſo mußten ſie auch ſeine Rechnungen annehmen, wie ſie da lagen und ſtanden, oder den kla-
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kraus ſeyn ſollte!‟ — Tag und Zeit und
manche von den angegebenen Merkmalen tra-
fen mit dieſer Vermuthung gut genug zu-
ſammen. Zwar konnt’ ich an ſeinem boͤſen
Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln:
allein wie? wenn ihn nun ſein erwachtes
Gewiſſen zu einer raſchen That der Verzweif-
lung getrieben? oder wenn Gottes raͤchende
Hand ihn ſchnell ereilt — wenn er, in der
Haſt, ſich den Blicken aller Bekannten zu
entziehen, ſich unvorſichtiger Weiſe auf’s
Waſſer gewagt und ſich ſeinen Untergang
ſelbſt geholt haͤtte? — Jmmer ſchien mir
ſein Tod, unter dieſen Umſtaͤnden, ein Gluͤcks-
fall: und wie gerne glaubt man, was man
wuͤnſcht? — Es koſtete mir alſo auch wenig
Muͤhe, mich zu uͤberzeugen, daß hier von
Niemand anders, als von meinem entwiche-
nen Schiffer, die Rede ſey; und dieſes Glau-
bens bin ich auch noch bis zur heutigen
Stunde, da ich nie wieder in meinem gan-
zen Leben auch nur die entfernteſte Spur
ſeines Daſeyns aufgefunden habe.
Ließ ſich nun auf dieſe Art erweiſen,
daß der Mann, mit welchem meine Aſſecu-
radeurs einzig und allein ihren ſtreitigen Han-
del ausmachen konnten und auch wollten,
nicht mehr unter den Lebendigen war, ſo
mußten ſie auch ſeine Rechnungen annehmen,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/221>, abgerufen am 21.05.2024.
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